Christus Jesus lehrte seine Nachfolger zu beten: „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“ Matth. 6:10; Das Verlangen, Gottes Willen zu tun, ist der Kernpunkt wirksamen Gebets. In dem Maße, wie wir Seine Macht verstehen, die den Menschen und das Weltall regiert, unterliegt das menschliche Dasein Seinem Gesetz der Harmonie und Vollkommenheit. Gottes Willen zu verstehen heißt, ihm zu gehorchen, und ihm zu gehorchen bedeutet, die unendlichen Segnungen zu erkennen, die die göttliche Liebe jenen verleiht, die ihren eigenen Willen ablegen in dem Verlangen zu tun, was Gott wohlgefällt.
Das unerleuchtete Denken versteht jedoch kaum, daß dieser Wille in der Tat gegenwärtig ist. Seine Macht scheint verborgen, ja, nicht vorhanden zu sein. Dies rührt daher, daß hinter der Durchführung Seines Willens kein Druck steht. Das menschliche Denken verbindet Willenskraft mit angestrengtem Bemühen, mit Energie und Herrschen. Doch Gottes Wille wird in dem Wirken des göttlichen Gemüts erkannt, in dem es kein Drängen gibt und das den Menschen durch Entfaltung und Erleuchtung segnet. Seinem sanften Antrieb fehlt es völlig an Härte oder blinder Gewalt, dennoch schafft Gottes Wille die ganze Wirklichkeit und regiert sie. Er wirkt mühelos, weil es in Wirklichkeit keine gegenteilige Gedankenmacht gibt, die seinem intelligenten Wirken widerstehen könnte. Das Dasein des wahren Menschen verläuft reibungslos, weil es eins mit diesem Willen ist. Seine Umgebung ist das unwillkürliche, ungehinderte Wirken des göttlichen Gemüts, das die ganze Schöpfung regiert. Sein Leben setzt sich aus unerschöpflichen geistigen Ideen zusammen, die ihm für alle Ewigkeit das Gute entfalten.
Gottes Wille wird nur durch die geistigen Sinne wahrgenommen. Wenn wir unser Bewußtsein von der Gegenwart und Macht dieses Willens erweitern, erlangen wir ein tiefes Vertrauen auf Gottes Fürsorge. Dies ist ein wichtiger Schritt in der Demonstration der Christlichen Wissenschaft. Wir können unsere Probleme nicht ausarbeiten und geistigen Fortschritt machen, wenn sich der Eigenwille mit seinen festen Plänen, bestimmten Vorstellungen, Meinungen, selbstischen Beweggründen oder seiner ungestümen Handlungsweise dem Willen Gottes widersetzt.
Dennoch mögen wir zögern, unseren eigenen Willen abzulegen aus Furcht davor, daß Gott keine Kenntnis von unseren Nöten haben könnte oder die Dinge nicht so lenken würde, wie wir es gerne möchten. Doch Gott wirkt immer, um Seine Idee, den Menschen, zu segnen. Und wenn wir lernen, dieser Tatsache unbedingt zu vertrauen und in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz zu leben, wird es uns niemals an der Fähigkeit fehlen, Harmonie in unserem Leben hervorzubringen.
Den Eigenwillen zu überwinden heißt aufzuhören, das Leben in bestimmte Bahnen zu zwingen. Dann werden wir verstehen, daß Gottes Wille alle Gesundheit erhält. Wir werden erfahren, wie die Macht Seines Willens unsere täglichen Angelegenheiten und unsere Beziehungen zu anderen lenkt.
In den menschlichen Beziehungen entstehen viele Reibereien durch den Versuch des sterblichen Willens, anderen seine eigene Meinung aufzudrängen, seine eigenen Pläne durchzusetzen, sich zu vergewissern, daß alles den von ihm gewünschten Weg geht — all dies oft im Namen der Weisheit oder des Guten. Doch wenn wir erkennen, daß die Gegenwart des göttlichen Willens dem wahren Dasein des Menschen zugrundeliegt, weichen Spannung und Druck des sterblichen Gemüts der Weisheit, die jedem einzelnen freistellt, seine eigenen Beziehungen zu Gott zu finden und dies in seinem Leben zu demonstrieren.
In Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn zwang der Vater den Sohn nicht, zu Hause zu bleiben. Alles, was durch Willenskraft erreicht wird, ist nicht von Dauer. In dem Gleichnis wurde der Sohn andererseits dadurch fehlgeleitet, daß er vorsätzlich das Übel wählte. Er wäre nicht von der Sinnlosigkeit, Glück in der Sinnlichkeit und Weltlichkeit zu suchen, zu überzeugen gewesen. Er mußte selbst die Erfahrung machen, wie bitter die Früchte des Irrtums sind. Schließlich kehrte er heim, demütig und umgewandelt. Wäre diese Veränderung in ihm vor sich gegangen, wenn der Vater seinem Sohn seinen eigenen Willen auferlegt und ihn gezwungen hätte, zu Hause zu bleiben? Hätte der Sohn das Haus im Zorn verlassen, hätte er dann so einfach zurückkehren können?
Wie das Gleichnis vom verlorenen Sohn lehrt, hat jeder auf seinem Weg vom Sinn zur Seele viele geistige Lektionen zu lernen. Und wenn in unseren Beziehungen Reibungen entstehen, so ist vielleicht Eigenwille der Grund dafür, der der harmonischen Tätigkeit des göttlichen Willens in unserem Leben oder in dem eines anderen widerstreitet. Dann müssen wir die Macht Gottes, für jeden einzelnen zu sorgen, klarer verstehen. Haben wir dies verstanden, können wir uns von anderen lösen und sie frei lassen, Gottes, Regierung zu finden. Der Kampf der menschlichen Willensäußerungen verschwindet dann aus unserem Leben, und Harmonie wird herrschen. Wenn wir es zulassen, kann das geistige Berichtigungsgesetz alle unsere Angelegenheiten regieren, von der kleinsten bis zur größten.
Eigenwillen im Namen des Guten anzuwenden wird manchmal mit der demütigen, selbstlosen Bereitwilligkeit verwechselt, sich Gottes Willen zu unterwerfen. Wenn wir aber wachsam sind, ist es uns möglich zu unterscheiden, ob der menschliche oder der göttliche Wille unsere Angelegenheiten regiert. Herrscht der menschliche Wille vor, werden die Auswirkungen chaotisch, unharmonisch, voller Spannungen, unbefriedigend sein. Andererseits, wenn wir dem göttlichen Willen lauschen, ist Harmonie die Folge, und jeder wird gesegnet. In der Christlichen Wissenschaft legen wir unseren menschlichen Willen nicht für Leerheit ab oder um unsere Angelegenheiten von materiellen Annahmen beherrschen zu lassen. Wir ersetzen Eigenwillen durch Demut, durch selbstlose Liebe und ein ehrliches Verlangen, Gottes Willen tun. Dann handeln wir immer weniger aufgrund forcierter oder blinder Entschlüsse und immer mehr durch Demonstration.
Hierdurch werden nicht nur unsere Beziehungen und Angelegenheiten reibungslos gestaltet, sondern auch unsere Gesundheit wird fest begründet sein. Viele körperliche Probleme können dem Eigenwillen zugeschrieben werden und den schädlichen Gefühlswallungen, wenn dieser durchkreuzt wird. Wenn das sterbliche Gemüt nicht seinen eigenen Weg gehen kann, wird es oft aufgebracht, enttäuscht, verbittert, gereizt, deprimiert. Diese Gefühle können Krankheit verursachen, und die mentale Störung muß aufgedeckt und beseitigt werden, damit eine vollständige Heilung erfolgen kann.
Kein Druck ist mit der Entfaltung rechter Ideen verbunden, kein Druck bei deren Ausführung. Wenn das göttliche Gemüt sie erzeugt, dann unterstützt es ihre Erfüllung. Auf diese heilige Art regiert Gott das Dasein des Menschen.
Wenn es daran zu fehlen scheint, den göttlichen Willen und seine Idee wahrzunehmen, wird ein gründlicheres Studium der Christlichen Wissenschaft dies heilen. Die Entfaltung der Ideen des Gemüts im menschlichen Bewußtsein führt dazu, sich den Umständen anzupassen, und sie schließt hier und jetzt die Tätigkeit des göttlichen Willens im menschlichen Leben ein. Wenn wir dies verstehen und uns davon regieren lassen, wird der Eigenwille ausgemerzt, und der göttliche Wille allein herrscht. Dann werden körperliche Probleme, die durch verstärkten Eigenwillen verursacht wurden, überwunden.
Mrs. Eddy schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit: „Laßt uns in geduldigem Gehorsam gegen einen geduldigen Gott daran arbeiten, daß wir mit dem universalen Lösungsmittel der Liebe das harte Gestein des Irrtums — Eigenwillen, Selbstgerechtigkeit und Eigenliebe — auflösen, das gegen die Geistigkeit ankämpft und das Gesetz der Sünde und des Todes ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 242. Dieses Streben bringt uns immer näher zu Gott, bis die Wahrheit demonstriert ist, Liebe gelebt wird und der göttliche Wille geschieht.
