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DIE BIBEL ALS ZUSAMMENHÄNGENDES GANZES

[Diese Artikelserie zeigt die stetige Entfaltung des Christus, der Wahrheit, die ganze Heilige Schrift hindurch.]

Obadja und die Edomiter

Aus der Mai 1971-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Obadja, das kürzeste prophetische Buch im Alten Testament, besteht aus einem Kapitel mit nur 21 Versen und beginnt mit den Worten: „Dies ist es, was Obadja geschaut hat“ — ein Name, der entweder „Anbeter“ oder „Diener“ des Herrn bedeutet. Obadja ist ein verhältnismäßig gebräuchlicher Name, kann aber nicht speziell mit einem der Dutzend oder mehr Personen gleichen Namens in der Bibel identifiziert werden. Obwohl man noch nicht genau weiß, wann der Verfasser des Buches lebte, kann man doch sagen, daß er wahrscheinlich ein jüdischer Seher war, vertraut mit den unterschiedlichen Anschauungen der Juden und Edomiter.

Nach Obadjas Meinung stammen die anhaltenden Auseinandersetzungen und Fehden zwischen den beiden Gruppen direkt von dem bitteren Neid und der Eifersucht her, die zwischen den Zwillingsbrüdern Jakob und Esau, den Kindern des Patriarchen Isaak und seiner Frau Rebekka, entstanden.

Wie die Bibel erzählt, gab es selbst innerhalb der Familie tiefgehende Meinungsverschiedenheiten, denn „Isaak hatte Esau lieb ...; Rebekka aber hatte Jakob lieb“ (1. Mose 25:28). Esau wurde mit Edom identisch (buchstäblich „rot“ im Hebräischen), dem Begründer des edomitischen Stammes. Die rote Farbe, die auf diese Weise mit Edom in Verbindung gebracht wurde, sollte später ihre uralte Hauptstadt Sela (Petra), die hauptsächlich aus rotem Sandstein erbaut wurde, als die rosarote Stadt berühmt machen.

Als Mose und die Israeliten unter seiner Fürsorge nach ihrem Auszug aus Ägypten auf ihrer langen und mühsamen, vierzig Jahre währenden Wanderung zu dem fern liegenden Land Kanaan unterwegs waren, näherten sie sich dem im Nordosten liegenden Gebirgsland Edom. Zweifellos dachte Mose daran, daß Esau, Enkel ihres berühmten Ahnherrn Abraham, einer der Gründungsväter des edomitischen Königreichs gewesen war, und so sandte er eine herzlich abgefaßte Botschaft an den gegenwärtigen Herrscher Edoms, in der er zum Ausdruck brachte, daß er sich gewiß der Probleme bewußt sei, mit denen Israel in den letzten Jahrzehnten zu tun gehabt hatte: „So läßt dir dein Bruder Israel sagen: Du kennst all die Mühsal, die uns betroffen hat“ (4. Mose 20:14).

Mose bat den König der Edomiter um die besondere Gunst, seinem Volk zu gestatten, geschwind und friedlich durch Edom zu ziehen; er versprach ihm, daß sie die edomitischen Brunnen und Weingärten an ihrem Wege nicht beschädigen würden, und außerdem bot er ihm volle Bezahlung für jegliches Wasser an, das sie für sich und ihr Vieh brauchen würden (siehe Vers 17–19). Weit davon entfernt, diese höfliche Bitte zu erfüllen, verweigerte der König der Edomiter sie strikt, ja, er mobilisierte gegen die Israeliten unverzüglich eine Armee, wodurch sie gezwungen wurden, einen langen und mühseligen Umweg zu machen, um jede direkte Berührung mit Edom zu vermeiden (siehe 20:20, 21; 21:4).

In Hinblick auf die fortdauernd feindselige Haltung der Edomiter gegenüber Israel überrascht es nicht, daß einige Jahrhunderte später Saul, der erste König Israels, das Land Edom angreift (siehe 1. Sam. 14:47). David eroberte es in seiner Regierungszeit, aber zur Zeit Salomos rebellierten die Edomiter (siehe 1. Kön. 11:14). Im Laufe der Jahrhunderte stieß das hebräische Volk wiederholt mit den Edomitern zusammen, „weil sie“, wie der Prophet Amos es ausdrückt, „ihren Bruder mit dem Schwert verfolgt ... haben und immerfort wüten in ihrem Zorn“ (Amos 1:11).

Das Gebiet Edoms lag südlich vom Toten Meer. Von Gebirgen umgrenzt, war es außergewöhnlich sicher vor Angriffen. So fühlten sich seine Einwohner buchstäblich und bildlich gesehen „obenauf“ — und waren genauso stolz auf ihre Sicherheit wie auf ihren Wohlstand. Sie fürchteten sich weder vor Gott noch vor den Menschen! Das erklärt auf jeden Fall die bitteren Worte Obadjas (Vers 8): „Was gilt’s? spricht der Herr, ich will zur selben Zeit die Weisen in Edom zunichte machen und die Klugheit auf dem Gebirge Esau“ — ein Ausdruck, der oft als Synonym für Edom gebraucht wird, und zwar wegen seiner langen Verknüpfung mit dessen traditionsgemäßem Gründer Esau. Wie gut der Prophet den Hochmut der Edomiter in ihrem felsigen Land kannte: „Der Hochmut deines Herzens hat dich betrogen, weil du in den Felsenklüften wohnst, ... und du sprichst in deinem Herzen: Wer will mich zu Boden stoßen?“ (Vers 3.)

Aber die Hauptursache für Obadjas Zorn muß in Edoms verächtlicher Handlungsweise gelegen haben, als Jerusalem die unmittelbare Gefahr drohte, von den babylonischen Armeen angegriffen zu werden. „Um des Frevels willen, an deinem Bruder Jakob begangen,“ so rief er aus, „sollst du zuschanden werden und für immer ausgerottet sein“ (Vers 10).

In bezug auf die Datierung von Obadjas Buch bestehen immer noch große Meinungsverschiedenheiten; doch gibt es mehrere triftige Gründe, anzunehmen, daß der Verfasser ein Zeitgenosse Hesekiels war und seine Schriften etwa um 580 v. Chr. abfaßte.

Das Buch hat die Bestrafung Edoms zum Thema, und im elften Vers wird anscheinend darauf hingewiesen, wie sich die Edomiter bei der Eroberung Jerusalems verhielten, das im Jahre 586 v. Chr. durch die Hände Nebukadnezars fiel. Obadja faßt es in die folgenden Worte: „Zu der Zeit, als du dabeistandest und sahst, wie Fremde sein Heer gefangen wegführten und Ausländer zu seinen Toren einzogen und über Jerusalem das Los warfen, da warst auch du wie einer von ihnen“ (Vers 11). Weit davon entfernt, Jerusalem im Augenblick der Gefahr und Not zu unterstützen, sah Edom hämisch dessen Untergang zu. „Du sollst nicht herabsehen auf sein Unglück zur Zeit seines Jammers“, erklärt der Prophet. „Wie du getan hast, soll dir wieder geschehen, und wie du verdient hast, so soll es auf deinen Kopf kommen“ (Vers 13, 15).

Der fünfte Vers bei Obadja ähnelt sehr stark einem Vers aus Jeremias Prophezeiung über Edom (siehe Jer. 49:9). Beide Verfasser machen folgendes deutlich: wenn Edom ein Weingarten wäre, würden diejenigen, die die Weintrauben einsammelten, sicherlich einige an den Reben hängen lassen, aber in diesem Fall würde Edom völlig zerstört werden. Man vermutet natürlich, daß Obadja es von Jeremia übernommen hatte, falls Obadja kurze Zeit nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben hat, was sehr gut der Fall gewesen sein kann.

Es ist von Interesse, sich daran zu erinnern, daß das „Edom“ des Alten Testaments das „Idumäa“ des Neuen Testaments ist (Mark. 3:8; vergl. Jes. 34:5, 6; Hesek. 35:15) und daß die grausamen und schlauen Könige Herodes, die in den Evangelien erwähnt werden, Nachkommen eines Idumäers oder Edomiters namens Antipater waren. Es war Antipaters Sohn, Herodes der Große, vor dem Joseph und Maria mit dem Kind Jesus nach Ägypten flohen (siehe Matth. 2:13, 14); und es war sein Enkel Herodes Antipas, den der Meister später mit „dieser Fuchs“ bezeichnete (siehe Luk. 13:32). So blieb die Verschlagenheit der Edomiter noch viele Jahrhunderte nach dem Propheten Obadja für sie typisch.

Die Schwere der Verdammung wird in zwei Versen durch eine lichtere Verheißung ausgeglichen (Obad., Vers 17, 21): „Aber auf dem Berge Zion werden Gerettete sein, und er soll heilig sein, und das Haus Jakob soll seine Besitzer besitzen... Und es werden die Geretteten vom Berg Zion kommen, um das Gebirge Esau zu richten, und die Königsherrschaft wird des Herrn sein.“

So können wir sehen, daß uns dieses Buch, obwohl es sehr kurz ist, einen Index zur Geschichte der Bibel liefert; das Falsche wird bloßgestellt und das Gute aufrechterhalten.

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