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DIE BIBEL ALS ZUSAMMENHÄNGENDES GANZES

[Diese Artikelserie zeigt die stetige Entfaltung des Christus, der Wahrheit, die ganze Heilige Schrift hindurch.]

Die religiöse und politische Situation zur Zeit des Neuen Testaments

Aus der Juni 1972-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Beim Studium des Neuen Testaments ist es wichtig, die geschichtliche Situation und die Bedeutung einiger der derzeitigen jüdischen Gruppen in Palästina zu betrachten, deren Namen uns bekannt sind, weil sie an dem Drama des frühen Christentums beteiligt waren. Es handelt sich um die Gruppen, mit denen Christus Jesus sich auseinanderzusetzen hatte, als er ihre Anschauungen aufmerksam verfolgte und oft in Frage stellte. Durch eine vor uralter Zeit begründete Priesterherrschaft und Tradition oder ererbtes Recht hatten sie die Führerschaft in Händen, und ihre Machtstellung war gesichert. Daher war ihr Widerstand gegen Änderungen fast unvermeidlich.

Am bekanntesten unter den neutestamentlichen Parteien und Gruppen im politischen und religiösen Leben waren die Sadduzäer, die Pharisäer und die Schriftgelehrten. Die nationalistischen und revolutionären Zeloten werden erwähnt, aber nicht die ultrareligiösen Essener. Die Herodianer waren ausschließlich eine politische Partei, Mitglieder und Anhänger der Familie des jeweiligen Herodes, dem Rom Titularmacht zugestand.

Die Sadduzäer stellten eine konservative priesterliche Partei unter den Juden dar. Ihr Name ist wahrscheinlich von Zadok hergeleitet, dem Hohenpriester, der Salomo zum König salbte (s. 1. Kön. 1:39). Sie setzten sich aus hohepriesterlichen Familien der jüdischen Aristokratie zusammen, die haupt sächlich während des makkabäischen Kriege, an die Macht gekommen waren. Sie waren gebildet und reich, und obwohl ihrer nur wenige waren, hatten sie doch eine große Macht in Händen. Niemand durfte im Tempel ein Opfer darbringen, der nicht seine Herkunft von einer priesterlichen Familie nachweisen konnte.

Obwohl die Sadduzäer die griechische Kultur verbreiteten, legten sie Nachdruck auf den Buchstaben des mosaischen Gesetzes oder der Thora. Sie leugneten sogar die Autorität uralter Traditionen und verwarfen die derzeitigen Begriffe von Engeln, von der Unsterblichkeit, der Auferstehung und vom jüngsten Gericht (s. Mark. 12:18–27; Apg. 4:1, 2; 23:8). Sie hüteten eifersüchtig den Gottesdienst und die Opfergebräuche im Tempel und protestierten gegen Jesu Tempelreinigung, die ihre religiöse Autorität verletzte. Nach der Zerstörung des Dritten (oder Herodes') Tempels durch die Römer im Jahre 70 n. Chr., als der jüdische Staat zu bestehen aufhörte, war es auch mit ihrer Herrschaft praktisch zu Ende. Ohne den Tempel war das Priesteramt überholt; es wurde durch den Rabbi in der Synagoge ersetzt.

Während der Zeit des Exils, als der Tempel Salomos zerstört worden war, ergab sich die Notwendigkeit für örtliche Versammlungsplätze, die die Vorläufer der Synagoge wurden. Selbst nachdem einige aus dem Exil nach Palästina zurückgekehrt waren und der Zweite (Serubabels) Tempel errichtet wurde, bestand eine zunehmende Notwendigkeit für die Synagoge und ihre Schule, da die Juden weiterhin in großer Zahl verstreut waren und durch die religiösen Reformen Esras und Nehemias eine Kenntnis der Heiligen Schrift gefordert wurde. In neutestamentlichen Zeiten gab es Synagogen in allen großen und kleinen Städten, in denen Juden ansässig waren.

Die Anfänge des Pharisäertums reichen bis in die Tage Esras und Nehemias zurück, die etwa 450 Jahre vor der neutestamentlichen Zeit lebten. Esra trug viel dazu bei, in einer Zeit des Niedergangs und der Entmutigung Stabilität in sein Volk zu bringen. Er unterstützte zwei Hauptbegriffe, die gewissermaßen den Kern des Pharisäertums bildeten. Erstens, er errichtete eine klare Schranke zwischen Juden und Heiden. Die Juden betrachtete er als Gottes heiliges Volk. Ehen zwischen Juden und anderen von gemischter Herkunft wie den Samaritern wurden absolut nicht geduldet. Ferner machte er das mosaische Gesetz zum Mittelpunkt der jüdischen Religion, indem er es praktisch zur Verfassung des jüdischen Volkes erhob.

Weil sie die Hellenisierung des Judentums nach dem Aufstieg Alexanders des Großen mißbilligten, wurden viele Juden noch ausgesprochener in ihrem Wunsch, ihr Gesetz und ihre Tradition rein zu erhalten. Es ist also leicht zu erkennen, warum sie Pharisäer (hebräisch Perushim) genannt wurden, was wörtlich „Separatisten" bedeutet.

Sie brachten einen demokratischen Einfluß in das Judentum und waren hauptsächlich Laien aus allen Schichten des Volkes, zu denen oft auch Schriftgelehrte und Priester gehörten. Wie die Sadduzäer, so suchten auch sie das mosaische Gesetz zu stützen, aber ihnen lag besonders daran, dessen Lehren der gegenwärtigen Situation anzupassen, und ihr Einfluß beschränkte sich im wesentlichen auf die Synagoge.

Die Stärke des Pharisäertums lag zum großen Teil in der Anpassungsfähigkeit dieser Bewegung an veränderte Situationen, eine Tendenz, die dazu beitrug, dem Christentum den Weg zu bereiten. Es waren hauptsächlich die Pharisäer, die die messianische Idee aufgriffen und sie im Herzen des Volkes lebendig erhielten. Und sie waren es auch, die den Glauben an die Unsterblichkeit und die Auferstehung stützten — etwas, was die Sadduzäer energisch anfochten. Im Gegensatz zu den Zeloten lehnten sie gewöhnlich Gewalt als Mittel zur nationalen Befreiung ab.

Obwohl die moderne Forschung eine günstigere Meinung von der geschichtlichen Rolle der Pharisäer rechtfertigt, bestand genügend Grund für den Meister, die Übergriffe und Widersprüche, die er beobachtete, wiederholt zu brandmarken. Jedoch Pharisäer wie Nikodemus (s. Joh. 3:1 und 19:39), Gamaliel (s. Apg. 5:34) und sein berühmter Schüler, Saulus von Tarsus (s. Apg. 22:3), vertraten in der Tat die höchste Gedankenrichtung im Judentum.

Der machtvolle Sanhedrin oder Hohe Rat, der aus 71 Mitgliedern bestand und der höchste jüdische Gerichtshof war, setzte sich aus Pharisäern und Sadduzäern zusammen, und der Hohepriester war der Präsident.

Die Schriftgelehrten stellten strenggenommen weniger eine Partei als einen juristischen Berufsstand dar. Sie waren gewöhnlich Pharisäer, obwohl es manchmal auch sadduzäische Schriftgelehrte gab. Sie waren berufsmäßige Lehrer, die zu einer Zeit, wo das Kopieren mit der Hand die einzige Methode war, ein Dokument für die Nachwelt zu erhalten, das Gesetz auslegten und abschrieben.

Da die Juden nachdrücklich darauf bestanden, daß ihre heiligen Schriften in absoluter Genauigkeit erhalten blieben, forderte die Arbeit der Schriftgelehrten außerordentliche Fähigkeiten und Beherrschung des Textes. Die Juden betrachteten das Gesetz Moses als ein unfehlbares Richtmaß, als Gottes eigenes Gesetz. Es war ihr nationales, bürgerliches, moralisches und religiöses Gesetz in einem.

Die Schriftgelehrten schrieben nicht nur die „Satzungen der Ältesten“ ab, sondern machten auch noch Zusätze, und so wuchs die Sammlung von gesetzlichen Einzelheiten immer mehr an und bildete schließlich, schriftlich niedergelegt, den Talmud.

Es war üblich, daß die Schriftgelehrten zusätzlich zu ihrer unbezahlten Lehr- und Schreibtätigkeit noch eine andere Beschäftigung hatten. In ihrer Arbeit verbanden sich die vielen Funktionen eines Richters, Rechtsanwalts, Predigers, Lehrers und Gelehrten. Aus dem Amt des Schriftgelehrten entwickelte sich allmählich das des Rabbi, denn als der Kanon des Alten Testaments im Jahre 90 n. Chr. schließlich festgelegt war — hauptsächlich das Ergebnis der Arbeit der Pharisäer —, nahm das Bedürfnis nach Schriftgelehrten als Auslegern des Gesetzes ab.

Es gibt viele Hinweise auf Schriftgelehrte im Alten Testament, aber „Esra, der Schriftgelehrte" (Neh. 8:1; 12:26), war eindeutig das Vorbild der im Neuen Testament erwähnten.

Das neuerdings aufgetretene Interesse an den Essenern, das durch die Entdeckung der berühmten Schriftrollen vom Toten Meer geweckt wurde, hat viele Spekulationen bezüglich einer möglichen Beziehung zwischen ihnen und Johannes dem Täufer oder sogar Christus Jesus hervorgerufen. Da sie in der Bibel nicht erwähnt werden, gibt es keinen sicheren Beweis für oder gegen eine solche Beziehung. Eine derartig streng asketische und im Grunde ordensmäßige jüdische Sekte, deren Anhänger nach Regeln zeremonieller Reinheit lebten, durch die ihnen sogar der Zutritt zum äußeren Vorhof des Tempels versagt war, und die die Ehe ablehnten oder einschränkten, hätte zweifellos die Tätigkeit und die Anschauungen dieser beiden hervorragenden Führer verachtet. Auf jeden Fall deutet weder bei Jesus noch bei Johannes irgend etwas darauf hin, daß sie sich mit Engeln befaßt oder die Sonne angebetet hätten, wie dies bei den Essenern der Fall war.

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