Was ist die Gnade Gottes, der göttlichen Liebe? Diese Frage wird in Christi Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn beantwortet: „Er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn.“ Luk. 15:20;
Der zurückkehrende Sohn wäre zufrieden gewesen, nur als Tagelöhner bei seinem Vater zu dienen. „Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Kleid hervor und tut es ihm an und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das Kalb, das wir gemästet haben, und schlachtet's; lasset uns essen und fröhlich sein!“
Für den Leser dieser Zeilen mag sich die Frage erheben: „Geht es mir wie dem zurückkehrenden Sohn, der zufrieden war, nur Tagelöhner zu sein, das heißt, versuche ich, ohne wirkliches Verständnis und ohne einen rechten Beweggrund Gott zu dienen?“
Oder denkt er: „Bin ich mir der Gnade bewußt, Sein Kind, Sein Bild und Gleichnis zu sein? Habe ich das dargebotene Christusgewand der Wahrheit angetan, um in der Welt das Heilungswerk zu tun, das Christus Jesus seinen Nachfolgern geboten hat zu vollbringen? Bin ich mir der Realität des göttlichen Geschenkes bewußt, des Lebens ohne Anfang und Ende, das unvergängliche Harmonie und Schönheit in sich schließt? Danke ich täglich für die Gnade der schützenden göttlichen Ideen, die meine wahre Unverwundbarkeit enthüllen und meinen Fortschritt sichern? Bin ich mir der allzeit greifbaren geistigen Speise bewußt, der göttlichen Inspiration, oft intuitives Wissen genannt, die der himmlische Vater für mich bereithält?“
Mary Baker Eddy schreibt in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit: „Die harten Erfahrungen der Annahme von dem angeblichen Leben in der Materie, wie auch unsere Enttäuschungen und unser unaufhörliches Weh, treiben uns wie müde Kinder in die Arme der göttlichen Liebe. Dann fangen wir an, das Leben in der göttlichen Wissenschaft zu begreifen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 322; Und auf einer anderen Seite lesen wir: „Das Wunder der Gnade ist kein Wunder für die Liebe.“ S. 494; Wenn wir uns die Gnade der göttlichen Liebe in vollem Umfang vergegenwärtigen, löscht diese allmächtige Kraft Mangel, Leid, Sünde oder Krankheit aus, und reine Freude durchflutet unser Herz.
Gnade ist der natürliche Ausdruck der Liebe Gottes zum Menschen. Die Auswirkungen der göttlichen Liebe in Form von Heilung und Erlösung, von Stillung des Mangels und des Leids erscheinen nur dem menschlichen Sinn, der sich der vollkommenen Gotteskindschaft des wirklichen, geistigen Menschen noch nicht vollauf bewußt geworden ist, wie ein Wunder.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn ist die Geschichte von der Mentalität, die immer wieder vergeblich versucht, in materiellen Erscheinungsformen jene Befriedigung zu finden, die allein in geistigen Werten, in dem Christusbewußtsein, liegt. Durch die Ausrichtung des Denkens auf materialistische Ziele vergeuden viele Menschen ihr göttliches Erbe und erleben deshalb Mangel. Heimzukehren bedeutet, sich die geistige, göttliche Wirklichkeit ins Gedächtnis zu rufen und deren Fülle als die einzige Tatsache zu erkennen. Es braucht kein sich lange hinziehender Prozeß zu sein; es kann ein spontanes Erwachen im Gnadenlicht der göttlichem Wahrheit sein.
Jetzt — in diesem Augenblick — kannst du die Größe der göttlichen Liebe erkennen, die dich umfängt, dein ganzes Sein durchdringt, so daß du plötzlich die Bedeutung dieser Liebe kennst, die nicht an einen Ort, eine Zeitspanne oder eine Person gebunden ist, die Liebe, die alles erleuchtet und unendlich, unsterblich, allumfassend ist. In Wirklichkeit kann dieser Liebe nichts widerstehen; alles wird von ihr erleuchtet und beglückt.
Während dir die Macht der göttlichen Liebe in deinem Leben immer bewußter wird und sich dein Herz erhoben fühlt, weißt du, daß du Gottes Gnade erlebt hast. Und du erkennst, daß dein Leben Liebe ist! Und plötzlich verstehst du, daß Liebe unser aller Leben ist. Sie ist Gott, das Leben des Menschen, die Quelle seines Seins. Damit erkennst du die Wahrheit.
Auf einmal kannst du begreifen, daß ein physischer Körper nichts weiter ist als die Verkörperung des falschen Begriffs von der Identität des Menschen. Der wirkliche Mensch ist die Widerspiegelung des unbegrenzten göttlichen Bewußtseins. Der Mensch ist frei, grenzenlos, geistig. Deshalb existiert für ihn nicht die Knechtschaft materieller Gesetzmäßigkeiten, die alles Gute begrenzen. Der Mensch untersteht allein der göttlichen Gesetzmäßigkeit, die die Weisheit des Prinzips ist. Das göttliche Prinzip erschafft den vollkommenen Menschen, der sich immerdar der Fülle göttliche Ideen erfreut.
Und ebenso, wie du dein Leben als die Liebe, die von der Gottheit ausgeht, erkennen kannst, vermagst du es auch als die immerwährende, alles durchstrahlende Freude Gottes, als den Ausdruck göttlicher Gnade zu erkennen. Gottes Reichtum an Eigenschaften und Ideen ist unsagbar vielgestaltig. Und der Begriff, der sie alle vereinigt, ist Wahrheit.
Wenn du dich täglich mit der Idee der göttlichen Gnade identifizierst und die ihr entsprechenden Eigenschaften wie Liebe, Freude, Weisheit, Kraft und Sanftmut zum Ausdruck bringst, verstehst du auch Christi Jesu Worte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Joh. 14:6;
Jesus stellte den höchsten Ausdruck göttlicher Gnade dar, der im menschlichen Leben möglich ist, die Kundwerdung von Wahrheit und Liebe. In Wissenschaft und Gesundheit wird auf das Wirken des Christus, der Wahrheit, mit den Worten hingewiesen: „Wahrheit ist geoffenbart. Sie muß nur betätigt werden.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 174. Und diese Betätigung führt aus dem mentalen Erlebnis des verlorenen Sohnes heraus zu der beglückenden Erfahrung göttlicher Gnade.