Viele Menschen glauben, daß das Heilmittel für gewisse Unzulänglichkeiten in der heutigen Gesellschaft darin bestehen müsse, etwas ganz anderes zu tun, als die Ursachen der Unzulänglichkeiten zu berichtigen. Vielleicht ist diese Tendenz dafür verantwortlich, daß sich der Begriff der Familie wandelt, von der traditionellen christlichen Form zu den verschiedenen Spielarten eines modernen Lebensstils. Wir hören von Experimenten mit Kommunen, von Familien mit Kindern aus verschiedenen Ehen, von Ehepaaren, die es sich beruflich zur Aufgabe gemacht haben, die Kinder anderer Eltern großzuziehen, von Polygamie und der Ehe auf Zeit. Und wenn die Theoretiker sich mit dem Thema der Vererbungslehre und biologischen Elternschaft zu befassen beginnen, fragt man sich, was aus der Familie werden soll.
Im menschlichen Dasein haben sich die Begriffe allmählich entwickelt, und das trifft auch auf die Familie zu. Als der primitive Mensch Hütten aus Zweigen und Schilf baute, muß er dies zum Schutze einer Familie getan haben. Ein Kind muß dagewesen sein, und es bestand natürlich auch die Notwendigkeit, dessen langsamen Entwicklungsprozeß zu überwachen. Selbst unter Tieren herrscht Pflichttreue gegenüber den Nachkommen, und eine solche Treue ist ein Hinweis auf das Göttliche, das durch das Sterbliche hindurchscheint.
Im Zeitalter der Landwirtschaft gab es gewöhnlich große Familien. Viele Aufgaben erforderten viele Helfer. Darüber hinaus war der Haushalt eine Zufluchtsstätte für alleinstehende Tanten, Vettern, Waisen und sogar Großeltern. Die Familie konnte also damals als erweiterte Familie bezeichnet werden, und sie nahm den Platz der Kleinstfamilie ein, die wir heute häufig antreffen und die nur aus den Eltern und ein oder zwei Kindern besteht.
Da jetzt (in Amerika) mehr als ein Drittel der Mütter halbtags, wenn nicht ganztags, arbeitet, alleinstehende Frauen in einer Leistungsgesellschaft für den eigenen Unterhalt sorgen und die Zahl der Altersheime zunimmt, ist die erweiterte Familie im Verschwinden begriffen.
Dies sollte aber nicht als eine Abkehr vom Familienleben angesehen werden. Es gibt auch heute Kinder, die des Schutzes, der Fürsorge, der Erziehung und der Vorteile der Vermittlung eines hohen charakterlichen Niveaus bedürfen. Die Familie ist noch immer die Basis, auf die sich die christliche Gesellschaft eindeutig gründet. Das Familienleben ist ein Bestandteil unserer Kultur. Wenn Kinder zu haben den Zweck hat, das Menschengeschlecht zu veredeln, dann erscheint dies ohne den heilsamen Einfluß des wahren Familiensinnes undurchführbar.
Die Einrichtung, die die Familie darstellt, bedarf des Schutzes, nicht der Auflösung, und die Christliche Wissenschaft zeigt, wie dies durch die Überwindung der elementaren bösen Kräfte des fleischlichen oder sterblichen Gemüts, die jede rechte Einrichtung zerstören möchten, erreicht werden kann. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift: „Die Christliche Wissenschaft plündert das Reich des Bösen und fördert im höchsten Maße die Zuneigung und die Tugend in den Familien und somit in der Allgemeinheit.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 102;
Wenn jede Familie die Möglichkeiten eines Familienlebens, das der universellen Herrschaft Gottes, der Liebe, unterstellt wird, ausschöpfte, dann wäre dieser Planet ein glücklicheres Zuhause für die Menschheit. Die in der Familie gelernten Lektionen, „die Zuneigung und die Tugend“, die Achtung anderer, Selbstlosigkeit, Gehorsam gegenüber der Autorität — insbesondere gegenüber der Autorität Gottes —, Disziplin bei der Ausbildung, Fleiß bei der Verfolgung eines nützlichen Vorhabens, können in keiner anderen Lebensgemeinschaft ein Gegenstück finden. Die Probleme der Welt werden in dem Verhältnis gelöst, wie sie in der Familie gelöst werden.
Wer in einer rechten häuslichen Atmosphäre aufgewachsen ist, kennt die Möglichkeiten eines Familienlebens. Treue zu den Familienangehörigen erzieht die Kinder dazu, später dem Gemeinwesen und dem Land die Treue zu bewahren. Die Geduld der Mutter wird zu einem Beispiel für die Notwendigkeit dieser gütigen Eigenschaft, wenn einen die Welt später auf eine harte Probe zu stellen scheint. Die Normen für ehrbares Verhalten werden in der Familie aufgestellt; und sie halten das Gewissen das ganze Leben lang wach. Moralische Rechtschaffenheit wird in der Familie eingeprägt, und Gehorsam gegen das Gesetz Gottes wird als die Voraussetzung für ein glückliches Leben erkannt. Wenn vom häuslichen Einfluß rechter Gebrauch gemacht wird, fördert er das Beste in der Schule und überwältigt jeden Einfluß, der mesmerisch und beklagenswert sein könnte.
In meiner Kindheit gab es wunderbare Bibelgeschichten zur Schlafenszeit. Und es gab einfache Regeln wie „Lüge nie, selbst wenn es dich das Leben kostete“ und „Ich würde nicht einmal eine verbogene Nadel stehlen.“
In einem wohlgeordneten Haushalt gibt es auch immer viel Spaß. Wie genau erinnere ich mich doch an die sonntäglichen Spaziergänge durch die Wälder, die unser Haus umgaben. Unser Vater lehrte uns, die Bäume am Laub und an der Rinde zu erkennen, er machte uns mit den Blumen und ihren Namen, mit den Vögeln und ihrem Gesang vertraut. Die vierbeinigen Lieblinge hatten ebenfalls ihren Platz, und hier lernten wir die niedere Kreatur lieben. Bräuche ändern sich, und die Interessen außerhalb des Heimes nehmen zu, das Fernsehen nimmt oft viele Stunden in Anspruch, und die Ablenkungen häufen sich. Doch die verständnisvolle Liebe der Eltern macht das Familienleben immer noch produktiv. Kinder idealisieren ihre Eltern, wenn diese ein Vorbild an Liebe und Ehrlichkeit sind und sich nicht in Heuchelei ergehen. All dies muß beschützt werden. Das Vorbild ist ein großer Lehrer.
Die Christliche Wissenschaft deckt die Schleichwege des Bösen auf, und durch die Wissenschaft wird uns klar, daß die Auflösung der Familie als Grundeinheit ein Angriff auf die christliche Institution der Familie selbst ist. Wenn wir noch tiefer schauen, werden wir erkennen, daß das, was heutzutage wie ein Wandel im Familienleben aussieht, die Chemikalisation ist, die der wissenschaftlichen Offenbarung der einen wahren Familie, nämlich Gottes Haushalt, folgt. In Wissenschaft und Gesundheit erörtert Mrs. Eddy die Entwicklung des Wortes „Jehova“ und seine sich immer klarer herausschälende geistige Bedeutung. Sie sagt: „Dieser menschliche Begriff von der Gottheit gibt dem göttlichen Begriff Raum, wie der materielle Persönlichkeitsbegriff dem unkörperlichen Begriff von Gott und Mensch als dem unendlichen Prinzip und der unendlichen Idee Raum gibt — als dem einen Vater mit Seiner weltweiten Familie, vom Evangelium der Liebe getragen.“ S. 576;
In der Tat, die Christliche Wissenschaft beginnt jede rechte Idee oder Institution, mit der sie in Berührung kommt, zu veredeln und zu erweitern. Sie tut dies auch mit der Familie. Durch die Vergeistigung dieser Idee löst sich die Familie nicht auf, sondern sie nimmt einen umfassenderen Charakter und mehr gottähnliche Eigenschaften an. Wir lesen in Wissenschaft und Gesundheit: „Das Heim ist der liebste Fleck auf Erden, und es sollte der Mittelpunkt, wenn auch nicht die Grenze der Neigungen sein.“ S. 58; Hier sehen wir, daß die Christliche Wissenschaft die Familie nicht zerstört, sondern sie emporhebt.
Christus Jesus wuchs in einer normalen Kleinstfamilie auf. Lukas sagt über Jesu Verhältnis zu seinen Eltern: „Er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth und war ihnen Untertan.. . Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.“ Luk. 2:51, Soviel über seine Kindheit.
Als der Begründer des Christentums erweiterte der Meister seinen Begriff von Familie. Als seine Zeit gekommen war, verließ er sein Elternhaus, um die größte Mission auszuführen, mit der ein einzelner Mensch jemals betraut worden ist. Und als ihm einmal gesagt wurde: „Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sehen“, antwortete er: „Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die Gottes Wort hören und tun.“ 8:20,21.
Jesus arbeitete die Vaterschaft und Mutterschaft Gottes und die Brüderschaft der Menschen praktisch aus. Die Liebe, die er forderte, umfing die ganze Menschheit. Er betrachtete jeden einzelnen als Kind Gottes. Er widmete sich der Aufgabe, zu beweisen, was der Wille Gottes für den einzelnen ist und daß dieser Wille Gesundheit wie auch reiche Fülle und harmonische Beziehungen einschließt. Der Wille Gttes demonstriert die Sündlosigkeit des Menschen und dessen Einheit mit seinem Ursprung, der die Liebe ist. Gesetzlosigkeit hat in der göttlichen Familie keinen Raum. Das Gesetz Gottes wird dort spontan und universell befolgt.
Die Erkenntnis der einen Familie unter Gott bewirkt in den menschlichen Angelegenheiten, daß die Liebe in der Familie bewahrt anstatt zerstört wird. Wir ahnen dies, wenn wir lesen, daß der Meister am Kreuz seine Mutter der Fürsorge seines geliebten Jüngers Johannes anvertraute. Wenn auch durch sein Verständnis, daß der Mensch das geistige Kind Gottes, nicht ein vergänglicher Sterblicher ist, seine Auffassung von Familie universell geworden war, war seine Liebe zu diesem kostbaren menschlichen Verhältnis doch nicht erloschen.
Das erhabene Verständnis, das Jesus von der einen Familie des Menschen hatte, entfaltet sich weiterhin, und kein Widerstand des Bösen kann seine Erweiterung aufhalten. Die grundlegende Treue zum Familienleben wird sich für den einzelnen und für ganze Völker in den hilfreichen Dienst an allen Menschen verwandeln, bis ein jeder seinen Platz in der großen Familie Gottes findet. Hier gibt es keine Einsamkeit, kein Gefühl der Vernachlässigung, keine Trennung, kein mangelndes Interesse an der Freude anderer, kein unproduktives, fruchtloses Umherschweifen zur persönlichen Befriedigung. Ebenso wie Jesus bewies, daß sein Platz in Gottes Universum mit dessen vollkommenem Plan der Befriedigung im Geist ist, vermögen auch wir dies zu tun. Wir haben allerhand zu tun, wenn wir seinem Gebot, zu lieben, wie er liebte, folgen (siehe Joh. 15:12). Durch eine solche Betätigung, das Heilen der Kranken und der Sünder, der Verzweifelten und der Gewalttätigen, tritt die Familie Gottes in Erscheinung.
Mrs. Eddy erzählt von ihrem guten Familienleben, von ihrem geliebten häuslichen Kreis und von all dem Guten, das sie dort gelernt hatte. Nach ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft ruhten neue Verpflichtungen auf ihr, als sie ihr Leben der Begründung der Bewegung widmete, die — wie sie voraussah — die ganze Menschheit von den Leiden des sterblichen Sinnes befreien würde.
Die Mutterkirche ist dabei, das Kirchenzentrum der Christlichen Wissenschaft zu bauen, ein Projekt, das dazu bestimmt ist, das Erscheinen der universellen Familie Gottes zu fördern. Schon allein die Bezeichnung „Mutterkirche“ deutet auf den mütterlichen Aspekt Gottes hin, während die Kirche die Wahrheiten vermittelt, die die Menschen von ihren Begrenzungen und ihren sterblichen Ängsten befreien. Hier ist eine Kirche — ein Zuhause —, die erwartet, daß alle Menschen dahinkommen, Gott als Alles und den Menschen als Sein vollkommenes Kind zu verstehen. Es ist diese Richtung, in der sich der Begriff von Familie weiterentwickeln muß.