Unter der Überschrift „Musik in der Kirche“ gibt uns unsere Führerin, Mrs. Eddy, im Handbuch Der Mutterkirche nur eine Satzung; sie hat den Titel: „Solosänger und Organist.“ Die ersten beiden Sätze lauten: „Die Musik in Der Mutterkirche soll nicht opernhaft sein, sondern einen angemessenen religiösen Charakter tragen und den Ansprüchen genügen, die man an anerkannt gute Musik stellt. Sie soll in würdevoller und passender Weise zur Ausführung kommen.“Kirchenhandbuch, Art. XIX Abschn. 1; Diese anschaulichen Richtlinien helfen dem Musiker, seine künstlerischen Fähigkeiten zu einer Vollkommenheit zu entwickeln, die den ganzen Gottesdienst bereichert und erhebt.
Die im Anhang zum Kirchenhandbuch niedergelegte „Gegenwärtige Ordnung der Gottesdienste in Der Mutterkirche und den Zweigkirchen“ (s. Seite 120–126) sieht Orgel oder Klaviermusik zu Beginn und am Ende des Gottesdienstes vor, wo dies möglich ist. Zum Sonntagsgottesdienst gehören normalerweise ein Vorspiel, drei Lieder, ein Sologesang, die Musik während der Kollekte und ein Nachspiel.
Das Orgelvorspiel bereitet den Gedanken der Gemeinde auf die geistigen Gaben vor, die ihr während der nachfolgenden Stunde geboten werden. Es bildet den Hintergrund für das liebevolle Walten der Ordner. Es sollte inspirieren und erheben.
Die Musik führt dann beim Singen der Lieder; sie gibt das Tempo an, unterstützt den Gesang und vereinigt die Herzen in der Freude, Gott zu loben. Sie stellt die Verbindung her zwischen den verschiedenen Teilen des Gottesdienstes und schließt mit einem Segen. Sie verkündet: „...die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir!“ Jes. 60:1;
Wie kann der Organist seiner Aufgabe gerecht werden? Sein musikalisches Können, zusammen mit einer selbstvergessenen Darbietung, die sich eng an Mrs. Eddys Anweisungen in der Satzung des Kirchenhandbuchs hält, wird jedem Gottesdienst Tiefe, Schönheit und eine klare Linie verleihen. Ist der Organist Christlicher Wissenschafter, wird er sorgfältig darauf achten, daß seine Kunst die Christliche Wissenschaft nicht überschattet. Er wird ein feines geistiges Gefühl für seine Arbeit und deren Rolle im Gottesdienst entwickeln und es sich lebendig erhalten. Durch Gebet, Studium und geistige Empfänglichkeit wird er sich in jedem Aspekt seiner Vorbereitungen ein Gefühl der Frische und Aufgeschlossenheit bewahren.
Für den Organisten, der sein Instrument liebt, aber auch erkennt, daß es nur die wahre Quelle der Harmonie, die Geist, Gott, ist, ausdrücken sollte, ist folgender Hinweis von besonderer Bedeutung. Mrs. Eddy schreibt in einer Ansprache, die sie in Der Mutterkirche gehalten hat: „Vom Gemüt bewegt, singt eure vielstimmige Orgel, die Klänge vieler Instrumente nachahmend, Sein Lob.“ Der vorhergehende Satz lautet: „Musik ist die Harmonie des Seins; aber nur die Musik der Seele bringt die Weisen hervor, die die Saiten des Gefühls erbeben und die Harfentöne des Herzens erwachen lassen.“ Vermischte Schriften, S. 106; Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 49;
Die Rolle des Organisten schließt somit weit mehr ein als menschliche Kunstfertigkeit oder fachliche Meisterschaft. Sie kann ausgesprochen missionarisch und von großem Einfluß sein, wenn geistige Absicht und Hingabe Herz, Hände und Füße bewegen.
Bei der geistigen Vorbereitung des Organisten steht das sorgfältige Studium der Lektionspredigt im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft an erster Stelle. Während er in der Lektion nach dem Leitgedanken sucht, wird er erkennen, welchen geistigen Ton er in der Wahl des Vorspiels zum Ausdruck bringen soll.
Wenn das Thema und der Goldene Text Majestät und Macht betonen, können die gewählten Musikstücke Erhabenheit und Größe zum Ausdruck bringen. Darauf kann ein Juwel folgen, das zu jedem einzelnen mit solch heilenden Gedanken wie denen im nachstehenden Lied spricht:
Laß Deinen Geist auf uns jetzt ruhn;
Und tief're Ehrfurcht, bess'res Tun,
Sei Dienst und Lobpreis Dir.S.520;
Wenn der Hauptgedanke der Lektion ein Weckruf zum Handeln ist, kann das Vorspiel die Gemeinde in eine brausende, vorwärtsdrängende, von Erhabenheit pulsierende Musik einhüllen. Einige Lektionsthemen verlangen eine tiefgründige, verinnerlichte Musik. „Das Sakrament“ kann Präludien bittenden, meditierenden Charakters nahelegen, wie z. B. Bachs Arien. Ein Goldener Text, der Zartheit zum Ausdruck bringt, verlangt oft ein sanftes, lyrisches Vorspiel, das die Gemeinde tröstet und sie still werden läßt.
Die Rolle der Orgel sollte Mrs. Eddys Anforderungen entsprechen: „Musik ist mehr als harmonischer Zusammenklang.“ Und einige Sätze weiter: „Ich verlange nicht nur Qualität, Quantität und Wechsel im Ton, sondern auch die Weihe der Liebe.“ Message to The Mother Church for 1900, S. 11.
Die Begleitung des Sologesangs sollte niemals über die Melodie oder den Text dominieren, sondern ihn durch die Wahl der am besten geeigneten Register bereichern. Wenn jeder der beiden Künstler den musikalischen Beitrag des anderen würdigt und ihn mit der Seele identifiziert, werden sie harmonisch zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen.
Die Musik während der Kollekte sollte die erhebende Wirkung der Lektionspredigt nicht stören. Bei einer richtigen, ehrfurchtsvollen Auswahl kann die Botschaft ihren Zweck erfüllen.
Nun zum Nachspiel. Mitunter drückt eine lebhafte Tokkata in angemessener Weise eine starke Befreiung aus. Man sollte den Gottesdienst mit dem Gefühl, geheilt und frei zu sein, verlassen. Für den geistig Empfänglichen verkündet die Orgel die Unmittelbarkeit der Wahrheit.
Bei der Mittwoch-Zeugnisversammlung lassen die vom Leser gewählten Lieder gewöhnlich auf das Thema schließen. Wenn sich ein Organist auf göttliche Führung verläßt, kann er die Musik auf die gelesenen Stellen abstimmen. Wir können wissen, daß dasselbe vollkommene Gemüt, das den Gottesdienst plant, auch für alles sorgt, was zum Gottesdienst gehört; daß das Gemüt jede Einzelheit auswählt, einteilt, einordnet und individualisiert, damit das vollkommene Ganze zum Ausdruck kommt. Da Dankbarkeit, Freude und Einigkeit diese Versammlung kennzeichnen sollten, kann das Orgelspiel Leichtigkeit, Überschwang der Gefühle und gelegentlich auch einen Anstrich von Heiterkeit ausdrücken. Sie stellen sich jeder Schwere entgegen und lösen sie auf. Der Mesmerismus kann der Freude nicht widerstehen!
Damit die musikalische Qualität gewahrt bleibt, sollte der Organist ein umfangreiches Repertoire haben und ein wohl ausgerüstetes, geordnetes Notenmaterial besitzen. Es kann von barocker und klassischer bis zu romantischer und moderner Musik reichen. Eine Broschüre über Orgelkompositionen aus der Notensammlung Der Mutterkirche ist auf Wunsch erhältlich.
Der große Umfang an Orgelregistern weist auf den ungeheuren Reichtum der Seele an Farbe, Rhythmus, Nuancen, Klarheit, Form und Erhabenheit hin. Eine gleichgültige Einstellung gegenüber der Vorbereitung und dem Üben auf der Orgel ist nicht nur uninteressant, sondern stumpft ab; sie erstickt Findigkeit und Frische. Nur so dahinzuspielen ist ebenso phantasielos wie abgedroschene Phrasen zu benutzen oder monoton zu lesen. Geistige Einsicht verleiht der Rolle des Organisten beständigen Auftrieb und Enthusiasmus. Ohne sie schleichen sich Einförmigkeit und starre Formen in den Gottesdienst ein. Einförmigkeit ist Ritual, das unter anderem definiert wird als „Einhaltung starrer Formen im Gottesdienst“.
Gewöhnlich wird für jeden Sonntagsgottesdienst und oft auch für die Mittwoch-Zeugnisversammlung eine Vertonung eines der Gedichte von Mrs. Eddy gewählt. Wenn der Organist die ungeheure Wirkung der Schriften unserer Führerin auf das Weltdenken erkennt, wird er seiner Rolle als Musiker neuen Wert beimessen, und er wird vielleicht eine weit über eine einzige Zweigkirche hinausgehende Wirkung erzielen. Der Organist sollte den universalen Bereich aller Lieder wertschätzen. Melodien aus 15 verschiedenen Ländern verleihen dem Gemeindegesang eine weltumfassende, brüderliche Atmosphäre.
Jeder hingebungsvolle Organist einer Kirche Christi, Wissenschafter, hat ein für den Gottesdienst außerordentlich wichtiges Amt. Seine Hingabe an die Vollkommenheit der Seele, die Wärme der Liebe und die Herrschaft des Gemüts trägt dazu bei, den Gottesdienst zu vergeistigen und jeden Teilnehmer zu segnen.