Freiheit — welch ein herrlicher Zustand! Jeder möchte „im Land der Freiheit“ leben. Es erscheint jedoch schwierig, es zu finden. Wie begehrenswert es auch sein mag, es blieb der Menschheit in all den Jahrhunderten verborgen.
Warum?
Wäre es möglich, daß wir in der falschen Richtung danach gesucht haben — im Materiellen und Körperlichen oder in lediglich menschlichen Umständen? Freiheit ist ein geistiger Zustand hier und jetzt, und er ist das, „was“ wir suchen müssen, nämlich das Reich der göttlichen Liebe, bereits inwendig in uns als den Kindern Gottes, und dort ist es, „wo“ wir sie finden werden.
Das Ringen nach sozialer, wirtschaftlicher und politischer Freiheit wird ebenso schnell und genau in dem Maße enden, wie der einzelne Erlösung von mentaler, moralischer und körperlicher Knechtschaft findet. Freie Menschen machen eine freie Welt aus. Aber was macht einen freien Menschen aus?
Festzustellen, was etwas nicht ist, führt häufig zu der Erkenntnis, was es ist. So ist z. B. Freiheit kein „Ding“; sie ist nicht in der Materie oder einem materiellen Umstand oder Zustand noch aus diesen hervorgegangen. Sie ist weder eine materielle Ursache noch eine materielle Wirkung. Sie ist nicht unumschränkte Erlaubnis, das zu sein oder zu tun, was dem geistig unaufgeklärten menschlichen Gemüt gefällt. Sie wird nicht durch menschlichen Willen, Kampf oder Gewalt erobert. Sie läßt nicht das Glück, das Wohlergehen und die Harmonie anderer außer acht. Sie ist nicht selbstsüchtig; sie ist nicht neidisch, noch fürchtet, haßt, tötet, lügt oder betrügt sie; sie sündigt und leidet nicht, und sie kann nicht sterben.
Solche irrigen Zustände sind nicht die Elemente des Reiches der Liebe; sie machen nicht die Freiheit aus. Sie sind die Bestandteile der Knechtschaft, der Sklaverei, die negativen, sich selbst zerstörenden Elemente, die die Hölle auf Erden ausmachen und die Voraussetzung dafür sind.
Was sind dann die Elemente, die die Freiheit ausmachen?
Nun, es sind die Elemente — die Eigenschaften — des Himmels auf Erden; das genaue Gegenteil von denen, die die Knechtschaft der Hölle ausmachen. Nachdem der Apostel Paulus eine lange Liste negativer „Werke des Fleisches“, ähnlich den oben aufgeführten, angegeben hat, sagt er: „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Wider solche ist das Gesetz nicht.“ Gal. 5:22, 23; Dies sind die Elemente wahrer Freiheit — Eigenschaften, die das Reich Gottes im Menschen charakterisieren.
„Gottes Sein“, sagt Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr'istjən s'aiəns., „ist Unendlichkeit, Freiheit, Harmonie und grenzenlose Seligkeit.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 481; Wenn also Gottes Sein Freiheit ist, dann muß der Mensch als der Ausdruck Gottes frei sein.
Unter der Randüberschrift „Angeborene Freiheit“ auf Seite 227 in Wissenschaft und Gesundheit, dem Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, sagt Mrs. Eddy: „Gott hat den Menschen frei geschaffen. Paulus sagt: ‚Ich bin frei geboren.‘Nach der engl. Bibel. Alle Menschen sollten frei sein. ‚Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.‘ “
Wird hier nicht auf eine andere Weise bestätigt, was der Meister so anschaulich verkündigte: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“ Luk. 17:21 [Fußnote];?
Tatsächlich ist Freiheit der natürliche, normale Zustand Ihres und meines Seins als Ebenbild Gottes. Sie ist der Geist Gottes in uns. Wenn Freiheit in unserem Leben und unserem Verhältnis zu anderen nur durch äußere Werte und Kräfte gespürt werden soll — und das scheint in der jahrhundertelangen krampfhaften Suche der Menschheit nach Freiheit der Fall zu sein —, sollte es uns nicht verwundern, daß sie ständig vor uns verborgen blieb. Aber denken Sie nur — das Reich Gottes, die Herrschaft und Ordnung von Gottes freier Regierung ist in dem Bewußtsein eines jeden von uns als dem Ebenbild Gottes!
Welche Formen nimmt dieses inwendige Reich in unserem Leben an, in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen, in unseren menschlichen Einrichtungen — sozialer, politischer, wirtschaftlicher und religiöser Art?
Ist es nicht ganz offensichtlich, daß die Form einer Sache durch ihre Substanz bestimmt wird? Der Buchstabe bedeutet nichts ohne den Geist. Paulus sagte nicht: „Wo aber die Form des Herrn ist, da ist Freiheit.“ In der Tat bestimmt der Grad der Gegenwart oder Abwesenheit des Geistes Gottes im menschlichen Bewußtsein das Maß der in äußerlicher Form — sei es in einem physischen Körper, einer Regierung, einer Kirchenorganisation oder selbst in der menschlichen Gesellschaft — ausgedrückten Freiheit.
Sklaverei, von ihren niedrigsten, deutlicheren Formen bis zu ihren höheren, hinterlistigeren Erscheinungen, ist in erster Linie ein krasses Symbol der Furcht, des Hasses oder der Habgier, wer auch immer sie zum Ausdruck bringt. Befreiung kommt nur durch Liebe — Liebe als Ausdruck der höchsten menschlichen Bekundung Gottes, der göttlichen Liebe —, durch die Art der Christus-Liebe, die Jesus ausdrückte. Die Liebe Christi Jesu schloß aus seinem Bewußtsein jede Spur von Haß oder Furcht aus, die er subjektiv hätte unterhalten können, und dies beschützte ihn vor jedem objektiv auf ihn von seinen Gegnern abgezielten Gedanken der Furcht oder des Hasses. Bereitwillig erduldete er die Kreuzigung, um zu zeigen, daß es keinen Tod gibt, aber er wußte genug, um diese Erfahrung vermeiden zu können.
Die Etymologie führt den Begriff „frei“ auf seinen Ursprung zurück, der „geliebt“ bedeutet. Das Wort „Freund“ kommt aus derselben Quelle. In dem mitteleuropäischen Hausstand der Frühzeit gab es die, die man liebte, und die Sklaven. So kam es, daß „frei“ die Bedeutung von „nicht versklavt“ annahm. Sklaverei hat jedoch eine zweifache Bedeutung. Die biblische Geschichte von Joseph ist eine wohlbekannte Veranschaulichung der Tatsache, daß sich dort, wo keine innere Sklaverei vorhanden ist, der äußere Stand eines Sklaven überwinden läßt. Im Grunde gilt diese Regel für alle menschlichen Beziehungen: Man muß seine Zustimmung geben, ein Sklave des eigenen falschen materiellen Begriffs von sich selbst zu werden, ehe man zum Sklaven des falschen Begriffs werden kann, den ein anderer von einem hat.
Befreiung hat ebenfalls eine zweifache Bedeutung. Sie schließt ein 1. die Freiheit eines Menschen von Unterdrückung durch einen anderen und 2. die geistige Freiheit, mit der die eigene Urteilskraft oder Intelligenz oder das eigene Gewissen bestimmt, welcher Kurs einzuschlagen oder welcher Standard aufrechtzuerhalten ist.
Die größte aller Freiheiten ist subjektiv — Freiheit von den uns selbst einkerkernden Annahmen des materiellen Sinnes. Dies ist die Freiheit, die bereits zu jedem Menschen seinem wahren Wesen nach gehört; aber sie zu finden und zu beanspruchen erfordert die Ausübung jener wertvollsten menschlichen Freiheit, der Gedankenfreiheit — der Freiheit, zwischen dem sorgfältigen Gebrauch des geistigen Sinnes und dem sorglosen Hinundherpendeln des materiellen Sinnes zu wählen. Die richtige Wahl zwischen diesen beiden Gegensätzen zu treffen bedeutet, zwischen der gottgegebenen Freiheit des Menschen und der vom materiellen Sinn selbst herbeigeführten Gefangenschaft zu entscheiden. Weder unser eigener geistiger Sinn noch der eines anderen kann uns jemals zum Sklaven machen.
Wenn wir die Tatsache verkennen, daß Freiheit ein anderer Name für das Reich der Liebe inwendig in uns ist, lassen wir zu, daß wir uns selbst versklaven, auch wenn es so aussieht, als sei uns unsere Knechtschaft von außen her auferlegt, von Leuten oder Umständen, über die wir wenig oder keine Kontrolle zu haben scheinen. Das ist in Wirklichkeit nicht der Fall.
Wo fand Jesus seine Freiheit? Wo fand sie sein Jünger Petrus? Am Kreuz und im Grab; angekettet im Gefängnis! Waren sie tatsächlich Opfer einer von außen aufgezwungenen Gefangenschaft? Es sah so aus; aber sie bewiesen, daß das nicht der Fall war. Genau da, wo sie körperlich zu sein schienen, fanden sie ihre Freiheit — in ihrer geistigen Erkenntnis der Tatsache: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“ 3
In bezug auf diese Freiheitserklärung des größten aller Befreier, Christi Jesu, sagt Mrs. Eddy: „Wisset denn, daß ihr unumschränkte Macht besitzt, richtig zu denken und zu handeln, und daß nichts euch dieses Erbes berauben und gegen die Liebe verstoßen kann.“ Pulpit and Press, S. 3.