Als meine Geschwister und ich Kinder waren, gab es noch Zugpferde in London. Und keine Verkehrsampeln. Unsere Mutter lehrte uns, Zugpferde stets vorbeizulassen. Sie erklärte uns, daß das Anhalten und Anziehen wegen der schweren Lasten schwierig für sie sei. Es war weniger anstrengend für sie, ihre Last ohne Unterbrechung zu ziehen.
Ich habe oft in Verbindung mit geistigem Fortschritt hieran gedacht. Wer sich vorgenommen hat, sein Leben mehr und mehr mit Gott in Einklang zu bringen, muß ganz gewiß darum beten, daß er den stetigen Rhythmus des sich entfaltenden Guten beibehält. Er kann es sich nicht erlauben, sich durch aggressive Suggestionen von Apathie, Zweifel, entgegengesetzter Anziehung oder Enttäuschung über schwere Arbeit in seinem Fortschritt zurückhalten zu lassen, so daß er wieder von vorn anfangen muß.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr'istjәn s'aiәns., schreibt: „Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß man sich die Regeln der Christlichen Wissenschaft durch stetige und systematische Arbeit weit gründlicher und schneller zu eigen machen kann als durch unstete und sprunghafte Bemühungen.“ Rückblick und Einblick, S. 87; Stetige Entfaltung ist das Ergebnis, wenn man sich bewußt dem Gesetz Gottes unterstellt, der göttliches Prinzip, Wahrheit und Gemüt ist. Wenn wir lernen, auf kein anderes Gemüt als Gott, Prinzip, Anspruch zu erheben, wird sich unser Denken und unser Leben ganz natürlich in Übereinstimmung mit den Offenbarungen der Wahrheit entfalten. Wir werden unfehlbar und stetig Führung, Ausgeglichenheit und Frieden erleben — kein Abgleiten oder Zurückfallen, kein Falschen-Spuren-Nachjagen, keinen Zusammenbruch stetiger Bemühungen.
Wir müssen jedoch vor dem mesmerischen Glauben an ein anderes mutmaßliches Gemüt, sterbliches Gemüt genannt, auf der Hut sein. Dieses Gemüt, das kein Prinzip hat, erhebt den Anspruch, unter größten Schwankungen tätig zu sein. Es behauptet, daß Extreme nicht nur unvermeidlich, sondern erfreulich seien, daß sie die materiellen Sinne einschließlich der inneren Empfindungen anregten. Süß und bitter, heiß und kalt, Lachen und Weinen rufen angeblich manchmal angenehme Reaktionen hervor. Kennen Sie die alte Geschichte von dem Mann, der mit dem Kopf gegen die Wand schlug, weil es, wie er sagte, so ein herrliches Gefühl war, wenn er aufhörte? Ich habe sogar sagen hören, daß es schön sei, sich zu streiten, weil die Versöhnung so süß sei.
Es ist leicht zu ersehen, daß solche verwirrenden Schwankungen von dem Glauben an Dualismus herrühren — von der Annahme, daß Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum gleichermaßen mit dem göttlichen Gesetz in Einklang stünden und gleiche Ansprüche auf uns erheben könnten. Wenn wir uns in solch eine Annahme verstricken lassen, stellen wir fest, daß auf Tage der strahlendsten geistigen Erleuchtung Zeiten von stumpfem Materialismus folgen. Und wie ein Zugpferd, so müssen auch wir große Anstrengungen machen, um wieder in Gang zu kommen. All dies geschieht, wenn unser Wunsch nach Fortschritt gefühlsmäßig anstatt geistig ist.
Es gibt einen besseren Weg. Angenommen, jemand bedarf einer körperlichen Heilung. Er will sich wegen dieser Heilung nur auf die Christliche Wissenschaft verlassen. Er beginnt mit großen Hoffnungen. Er erklärt, daß Gott, die unendliche göttliche Liebe, allmächtig und allgegenwärtig ist. Er behauptet seine Einheit mit Gott als Seine Widerspiegelung. Er bejaht den vollkommenen Gott und vollkommenen Menschen. Er leugnet, daß Furcht oder die Krankheit selbst irgendwelche Wirklichkeit hat oder sich ihm auf irgendeine Weise anheften kann, da sie Gott unähnlich ist. Er nimmt sich besondere Gesichtspunkte seines Falles vor und macht den höheren Augenschein der göttlichen Wahrheit in bezug auf das geltend, was die Sinne behaupten. Er studiert konsequent, um mehr über die Wahrheit zu erfahren, und harrt vertrauensvoll der Resultate.
Ich kenne eine Frau, die genau das tat. Aber nachdem viele Wochen vergangen waren, war sie noch immer nicht geheilt. Es ging ihr tatsächlich schlechter.
Dann kam die Versuchung nachzugeben. Sie hatte ihr Bestes getan, und manchmal unter großen Anstrengungen. Im Gegensatz dazu mußte es fast friedlich erscheinen, nachzugeben, alles fahrenzulassen und zurückzufallen. Als sie aber eines Montagmorgens ihre Bücher öffnete, die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy, um die neue Lektionspredigt Die Bibellektionen im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft; zu lesen, fand sie folgende Botschaft im Neuen Testament: „Denn wir sind Christi teilhaftig geworden, wenn anders wir die Zuversicht vom Anfang bis ans Ende fest behalten.“ Hebr. 3:14; Es war ihr, als ob diese Worte mit viel Liebe direkt zu ihr gesprochen würden.
„Bis an mein Ende?“ fragte sie sich. „Nein, ich habe kein Ende. Ich bin als Mensch so ewig wie mein Schöpfer, das unendliche Leben. Das stimmt. Dann muß es bedeuten, bis zum Ende des Irrtums. Gut, das will ich tun. Ich dulde es nicht, daß das sterbliche Gemüt mich hypnotisiert, dieses wundervolle Vertrauen aufzugeben, mit dem ich angefangen habe. Was immer die materiellen Sinne andeuten, sie können nicht meine Freude auslöschen, daß ich Gottes geliebtes Kind bin. Ich weigere mich, von Vertrauen in Hoffnungslosigkeit zurückzufallen. Ich will die Annahme von Dualismus zurückweisen.“
Es lag damals noch eine lange Strecke Wegs vor ihr, viele Lektionen mußten geduldig, aber freudig mit Hilfe der göttlichen Liebe gelernt werden. Es wurde für sie offensichtlich, daß, wenn die Wahrheit wahr ist, man nicht von ihr abweichen kann, wie sehr das Zeugnis der Sinne ihr auch widersprechen mag. Wenn man zögert, ist es dann um so schwerer, wieder in Gang zu kommen.
Und so wurde ihr die Wahrheit jeden Tag etwas klarer, sie forschte mehr in der Christlichen Wissenschaft, verstand und verarbeitete mehr und machte mehr Gebrauch davon. Gottes Liebe erschien ihr immer klarer, näher und wirklicher. Schließlich und ohne großes Aufsehen war sie wiederhergestellt.
Gott — die höchste und absolute Wahrheit — zu verstehen ist eine Aufgabe, die uns unser ganzes Leben in Anspruch nimmt. Es ist ein unaufhörliches Abenteuer sich entfaltender Inspiration und belebenden Strebens. Es ist eine schwere, aber wundervolle Arbeit. Sie bringt reichen Lohn, hauptsächlich auf geistigem, beiläufig auf menschlichem Gebiet. Sie ist in höchstem Maße der Mühe wert. Die vereinzelten Freuden gefühlsmäßiger Reaktionen sind keineswegs ein Ersatz für die stetige Entwicklung in direkter geistiger Richtung.
Auf die Frage: „Wie kann ich am schnellsten im Verständnis der Christlichen Wissenschaft vorwärtskommen?“ schreibt Mrs. Eddy: „Studiere den Buchstaben gründlich und nimm den Geist in dich auf. Hange dem göttlichen Prinzip der Christlichen Wissenschaft an und folge dem Geheiß Gottes, indem du unentwegt in der Weisheit, Wahrheit und Liebe beharrst.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 495.
Ob wir uns wie Rennpferde vorkommen, die wie der Wind davonjagen, oder wie Zugpferde, die stetig dahintrotten, wir wollen daran denken, daß das sterbliche Gemüt keine Macht hat, die stete Entfaltung zu unterbrechen oder uns davon abzuhalten, „unentwegt in der Weisheit, Wahrheit und Liebe“ zu beharren.
Lasset uns halten
an dem Bekenntnis der Hoffnung
und nicht wanken.
Hebräer 10:23
