„Der Gipfelpunkt des Gebets ist das Wissen und die Erkenntnis, daß der Mensch die Idee Gottes, die Idee des göttlichen Prinzips ist; denn diese Tatsache ist wesenseins mit der Einheit des göttlichen Seins, mit dem Ich bin, und schließt das diesem Sein Unähnliche — das Böse — aus.“ Diesen Ausspruch einer erfahrenen Christlichen Wissenschafterin habe ich nie vergessen, denn er zeigte mir, daß das Gebet des Herrn mit ebendiesem Gipfelpunkt beginnt: „Unser Vater im Himmel!“ Luk. 11:2;
Müssen wir uns langsam zu dem Gipfel emporarbeiten? Gehen wir nicht vielmehr von dem einzigen Punkt aus, wo wir Frieden finden können? Wir beginnen damit, daß wir Gott als Vater, als unser aller Vater, anerkennen; dadurch hat sich der Betende gleich richtig identifiziert, nämlich als Gottes Kind oder Idee. Die richtige Identifizierung gleich zu Beginn des Gebets ist der Schlüsselpunkt zum Erfolg; wir finden den inneren Frieden und die Harmonie, deren wir alle und die Welt so sehr bedürfen. Denn wenn wir uns als sterbliche, sündige oder kranke Menschen sehen, die beten, um bessere Sterbliche zu werden, arbeiten wir von einem falschen Standpunkt aus. Und wenn wir als Sünder oder Sterbliche für andere fehlbare Sterbliche beten, damit die anderen besser werden, haben wir uns ebenfalls geirrt.
Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, schreibt: „Um die Wirklichkeit und Ordnung des Seins in ihrer Wissenschaft zu erfassen, mußt du damit anfangen, Gott als das göttliche Prinzip alles Wirklichen anzusehen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 275; Wenn wir unsere eigene gottverliehene Identität wie auch die der anderen erfassen und uns nicht nur Wachträumen hingeben wollen, ja, dann müssen wir mit Gott als Prinzip, als dem vollkommenen Prinzip allen Seins, beginnen. Nur wenn wir das Prinzip unseres Seins erkennen, können wir uns selbst richtig erkennen. Und nur wenn wir uns selbst richtig erkennen, können wir recht handeln. „Erkenne dich selbst, und Gott wird dir Weisheit und Gelegenheit zu einem Sieg über das Böse geben“ ebd., S. 571;, rät Mrs. Eddy im Lehrbuch der Christlichen WissenschaftChristian Science; sprich: kr´istjən s´aiəns., Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift.
Mit jener ersten Bitte: „Unser Vater im Himmel!“ erkennen wir an, daß Gott, das Gute, das göttliche Prinzip, Liebe, das eine unendliche Gemüt, unser aller gemeinsamer Ursprung ist und bleibt. Das Wissen um diesen gemeinsamen Ursprung kann uns niemals verlorengehen; es steht uns in dem Verhältnis zur Verfügung, wie wir den Wunsch haben, diesen Ursprung zu verstehen und in Übereinstimmung damit zu leben. In Wirklichkeit weilen und bleiben alle im Himmel, in der Harmonie. „Denn in ihm [Gott] leben, weben und sind wir“ Apg. 17:28;, wie Paulus sagt. Wir sollten uns klar darüber sein, daß die Erkenntnis von unserem göttlichen, geistigen Ursprung und die Harmonie zusammengehören. Wenn wir das eine vergessen — den Ursprung —, dann laufen wir Gefahr, zu glauben, daß wir das andere — die Harmonie — verlieren könnten. Mrs. Eddy sagt: „Die Grundlage der sterblichen Disharmonie ist eine falsche Auffassung vom Ursprung des Menschen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 262;
Sind wir uns klar darüber, welch weitreichende Wirkung die Erkenntnis und konsequente Anwendung der ersten Bitte im Gebet des Herrn auf unser Leben hat? Diese Erkenntnis und Anwendung kann in der Tat physikalische, psychologische und sonstige Gesetze aufheben, die auf der unzuverlässigen Wahrnehmung der körperlichen Sinne beruhen. Christus Jesus hat uns durch Beispiele die Wirkung dieses Verständnisses gezeigt, indem er die Kranken und Sünder heilte, die Toten auferweckte und auf dem Wasser wandelte oder durch geschlossene Türen ging. Er erkannte tatsächlich seinen Vater, das göttliche Gemüt, als die einzige Ursache und das einzige Prinzip allen Seins an. Und damit befand er sich ständig auf der Höhe der Erkenntnis, die in der ersten Bitte im Gebet des Herrn mit einbegriffen ist, und half anderen, zu derselben Erkenntnis zu kommen.
Was hindert uns daran, den Segen zu erlangen, der schon in dieser Bitte eingeschlossen ist? Ist es nicht die falsche Auffassung vom Ursprung des Menschen und damit vom Sein des Menschen überhaupt und von seiner wahren Identität? Ist es nicht der Mesmerismus der materiellen Sinne, der uns glauben machen will, daß die Menschen von Natur aus egoistisch seien, daß sie einen materiellen Ursprung hätten, einer bestimmten Rasse, einem bestimmten Stand angehörten und gewisse nationale Eigenheiten besäßen? Oder wir denken vielleicht, daß manche aus einem zerrütteten Elternhaus kommen. Oder wir mögen glauben, daß, weil eine Mutter während der Schwangerschaft bestimmte Medikamente eingenommen hat, der Sprößling nun leiden müsse.
In der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß die Ursache jeder Krankheit mental ist und daß jeder körperlichen Disharmonie eine Annahme von geistigem Mangel — oder ein geistiges Bedürfnis — zugrunde liegt. Eine werdende Mutter z. B. bedarf der Ruhe und Harmonie, die sich aus dem durch die Christliche Wissenschaft gewonnenen Bewußtsein ergibt, daß Gott nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter des zu erwartenden Kindes ist, daß Er für jede Phase seiner Entwicklung und seiner Geburt verantwortlich ist und sorgt und daß Er auch liebevoll für die Mutter sorgt.
Die Trägheit des sterblichen Gemüts, das beständig den Glauben an die Materie und an unsere Abhängigkeit von ihr nährt, mag uns dazu verführen, zum Medikament zu greifen, anstatt den vielleicht weniger bequemen Weg der Selbstdisziplin zu gehen und für die geistige Kraft zu zeugen, die Gott uns gegeben hat, damit wir uns unserer uneingeschränkten geistigen Vollkommenheit als Kinder Gottes bewußt werden. Wenn wir es versäumen, Gott als Vater und Mutter anzuerkennen, beanspruchen wir nicht unsere Rechte, die wir als Gottes Kinder auf unsere Erbschaft der Vollkommenheit haben.
Es ist Mrs. Eddy, die uns in ihrer Erklärung der ersten Bitte im Gebet des Herrn Gott auch als Mutter dargestellt und nahegebracht hat. Eine werdende Mutter, die bemüht ist, sich dieser Tatsache der Mutterschaft Gottes bewußt zu werden, kann durch dieses Wissen Schwangerschaftsbeschwerden überwinden. Sie kann erkennen, daß sie selbst, ebenso wie das zu erwartende Kind, nur die Widerspiegelung Gottes ist und daß beide, Mutter und Kind, aus der geistigen, göttlichen Substanz bestehen, die sie individuell widerspiegeln, und daß sie als ewige Kundwerdungen des unendlichen Gemüts in Erscheinung treten. Sie kann daran festhalten, daß eine göttliche Idee für ihre Substanz und Kraft nicht von einer anderen göttlichen Idee abhängig ist und daß diese Wahrheit, wenn sie erkannt wird, als ein Gesetz wirkt und alle Mangelerscheinungen vertreibt, die sich menschlich zeigen könnten. Sie kann sich auch darüber klar sein, daß sie keine persönliche oder drückende Verantwortung für das Werden und das spätere Leben und die Entwicklung des Kindes trägt. Und daher braucht sie sich nicht nervlich belastet zu fühlen.
Wenn sie auf diese Weise betet, erkennt sie nicht nur ihre eigene Identität besser, sondern auch die des Kindes. Sie erlangt somit für beide Harmonie — den Segen des einen Vater-Mutter Gottes durch die rechte Anwendung der ersten Bitte im Gebet des Herrn.
Jesus erkannte seine wahre Identität und deren Ursprung, Gott, und nannte Gott darum seinen Vater. Er wußte auch, daß in dieser Anerkennung allein die Garantie für sein Leben und seine Harmonie lag. Deshalb gab er uns das Gebet, das nach ihm benannt ist und das auch uns befähigt, unsere wahre Identität zu erkennen und zu demonstrieren. Immer wieder wies er seine Jünger auf ihre enge Beziehung zum Vater, zu unserem Vater, hin. Vor der Himmelfahrt sagte er zu ihnen: „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“ Joh. 20:17. Damit deutete er auch die unvergängliche Einheit an, die zwischen Gott und Seinen Kindern besteht. Diese Einheit garantiert die ewige Fortdauer der Harmonie. Wie dankbar können wir sein!
