Der neunjährige Karl hatte ein neues Spielzeug bekommen; mit Gummipfeilen und einer dazugehörigen Schießscheibe. Er befestigte die Scheibe im Hof an einer Wand und begann sich zu üben. Der erste Schuß ging daneben. Aber allmählich ging es besser, und bald traf ein Schuß ins Schwarze.
In diesem Augenblick kam Erhard, der Nachbarsjunge, vorbei. Erhard wurde im allgemeinen von den anderen Kindern gemieden, weil er immer gleich Streit anfing und grob zuschlug. Wenn die anderen Kinder sich wehrten, rannte Erhard zu seiner Mutter und suchte bei ihr Hilfe. Doch heute freute sich Karl, daß Erhard kam. Zu zweien um die Wette zu schießen machte sicher viel mehr Spaß als allein.
Erhard stellte sich aber sehr ungeschickt an und schoß immerfort neben die Scheibe. Das machte ihn so ärgerlich, daß er wieder und wieder schoß. Karl erinnerte ihn daran, daß sie doch abwechselnd schießen sollten, aber Erhard wollte nicht. Als Karl nach dem Bogen griff, schlug Erhard ihn ins Gesicht. Das empörte Karl so, daß er zurückschlug. Da lief Erhard laut weinend nach Hause.
Am liebsten wäre Karl auch nach Hause zu seiner Mutter gerannt, um ihr von Erhard zu erzählen. Er hatte aber zu Hause oft die Seligpreisung gehört, die Christus Jesus uns gegeben hat: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ Matth. 5:9; Bekümmert setzte er sich auf eine Gartenbank. Das Schießen machte ihm nun keinen Spaß mehr, und im Grunde hatte er ein schlechtes Gewissen.
Seine Eltern hatten ihm viel von Mary Baker Eddy erzählt, die die Christliche Wissenschaft entdeckte. Sie war ein Friedenstifter zwischen ihren Brüdern George und Sam gewesen, wenn sie sich rauften. Sie fragte dann jeden von ihnen, ob sie sich liebhätten, und erreichte dadurch, daß sie aufhörten, sich zu raufen. Jewel Spangler Smaus, Mary Baker Eddy: The Golden Days (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1966), S. 39;
Aber Erhard zu lieben erschien Karl sehr schwer. Und doch wußte er, daß Gott alle Seine Kinder gleichermaßen liebt, daher mußte Gott den Erhard ebenso lieben, wie Er Karl liebte. „Liebe muß über den Haß triumphieren“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 43., schreibt Mrs. Eddy in dem Buch Wissenschaft und Gesundheit. Plötzlich war es Karl klar, was er tun mußte. Er stand auf und rannte mutig zu Erhards Haus.
Erhard war inzwischen weinend nach Hause gelaufen und hatte sich bei seiner Mutter über Karl beklagt. Sie wurde sehr böse und wollte gerade zu Karls Mutter gehen, um sich über ihn zu beschweren. Da klopfte es. Karl kam herein und grüßte höflich. Dann streckte er Erhard die Hand hin mit den Worten: „Wollen wir uns nicht wieder vertragen? Wir sind doch Freunde!“
Erhard war verdutzt und verlegen und ergriff Karls Hand. Die beiden Jungen liefen wieder zur Schießscheibe. Sie machten nun weiter, wechselten sich ab, und diesmal vertrugen sie sich gut. Bald lernte auch Erhard, besser zu treffen.