Geistiges Heilen erfordert Geistigkeit. Diese Erklärung ist einleuchtend, und ihre Bedeutung wird überall in den Lehren der Christlichen Wissenschaft betont. Wenn wir zu ergründen suchen, was Mary Baker Eddy darüber geschrieben hat, wie wir unsere Fähigkeit, zu heilen, verbessern können, werden wir durchweg daran erinnert, daß zwischen erfolgreichem Heilen und Geistigkeit eine unmittelbare Beziehung besteht. Sie faßt dies in Wissenschaft und Gesundheit folgendermaßen zusammen: „Wir nähern uns Gott, oder Leben, im Verhältnis zu unserer Geistigkeit, zu unserer Treue gegen Wahrheit und Liebe; und in demselben Verhältnis erkennen wir alle menschliche Not und sind imstande, die Gedanken der Kranken und Sündigen zu unterscheiden, um sie zu heilen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 95;
Unser Anteil an der Erfüllung des langfristigen Heilungsziels unserer Kirche besteht darin, unsere Fähigkeit, zu heilen, zu stärken. Welche praktischen Schritte können wir für die Erreichung dieses Zieles unternehmen, wenn individuelle geistige Entwicklung hierfür notwendig ist?
Geistigkeit ist ein Bewußtseinszustand. Sind wir uns mehr des Geistes als der Materie bewußt? Begegnen wir Menschen, Umständen und Geschehnissen mit geistiger Gesinnung? Lassen wir uns immer weniger von den Anforderungen, Zerstreuungen, Freuden und Schmerzen des Materialismus beeindrucken? Mrs. Eddy erklärt ganz offen, was not tut: „Was den Fortschritt der Schüler hemmt, ist ihre Materialität, und ‚diese Art fährt nur aus durch Beten und Fasten‘.“ Vermischte Schriften, S. 156;
Wenn wir den Materialismus hinter uns lassen und uns Geistigkeit zum Ziel setzen, sollten wir den Rat Mrs. Eddys befolgen und den Weg des geistigen Fortschritts durch Gebet beschleunigen. Das bedeutet: Unser Verlangen nach Geistigkeit sollte so groß sein, daß wir dafür arbeiten und Zeit in Gemeinschaft mit Gott darauf verwenden und uns mit jenem Hunger danach sehnen, der nicht nachläßt, bis er befriedigt ist.
Der Apostel Paulus ermahnte seine Nachfolger, ohne Unterlaß zu beten s. 1. Thess. 5:17; — wohl kaum gebeugten Knies, wohl kaum durch ständiges Wachen im „Kämmerlein“ oder in der Kirche. Aber sicherlich ohne Unterlaß im Beweggrund, in der Einstellung und im Bewußtsein, durch ständige Vergegenwärtigung der Gegenwart und Macht Gottes, Seiner Güte und Gnade, Seiner Weisheit und Liebe. Beten ohne Unterlaß schließt viele Elemente in sich. Hier seien einige von ihnen genannt.
Demut. In unserem Leben stehen wir ständig den Anforderungen des sterblichen Selbst gegenüber. Selbstsucht, Ichbezogenheit und Eigenwille versuchen immer wieder, die künstlich erzeugten Bedürfnisse der körperlichen Sinne zu befriedigen. Wenn wir geistig wachsen wollen, sollten wir um Demut bitten, um jene Bereitschaft, Gottes Willen zu erkennen und auszuführen anstatt unseren eigenen. Demut führt zu Gottbezogenheit, zu Selbstlosigkeit, zu einer wachsenden Liebe zu Gott, Geist. Sie führt schließlich zu besserem Heilen, wenn wir erkennen, daß Gottes Wille für uns nur völlige Geistigkeit sein kann.
Bittgebet. Wenn wir wirklich das Bedürfnis nach mehr geistigen Wünschen und Beweggründen verspüren, sollten wir um sie bitten. Gott versorgt uns immer mit allem, was wir benötigen. Im Gebet können wir uns dessen bewußt werden, womit Er uns versorgt; und unsere Wünsche, unser Sehnen und unsere Interessen werden geläutert werden. Bitten sollte mehr als Wunschdenken sein. Dann wird es näherer Prüfung standhalten, und unsere Wünsche werden sich als aufrichtig erweisen. Durch Bittgebete können wir unsere Wünsche läutern und uns vergewissern, daß sie ein echtes Bedürfnis kundtun.
Anerkennen. Ein Bewußtsein, das mit Materialität übersättigt ist, mag der Existenz des Geistes keine Beachtung schenken und dadurch dem Bedürfnis nach Geistigkeit Hohn sprechen. Der Augenschein der körperlichen Sinne trägt dazu bei. Aber dieser Widerstand gegenüber geistigen Dingen kann im Gebet dadurch neutralisiert werden, daß wir das anerkennen, was der materielle Sinn nicht wahrnehmen kann — das Universum des Geistes. Wir sollten anerkennen, daß Geistigkeit erreichbar, gottverliehen, Teil unseres geistigen Erbes und allen zugänglich ist.
Bejahen. Durch die Heilige Schrift haben wir verstehen gelernt, daß Gott Geist ist. Mrs. Eddys Schriften haben uns gezeigt, „warum“. Gott könnte nicht unkörperlich und unendlich sein, wenn Er nicht Geist wäre. Aber im menschlichen Leben muß diese Tatsache immer wieder bejaht werden. Gebet befähigt uns, die Bedeutung solcher Bejahung zu verstehen. Wir sollten die Grundlagen unseres Charakters als Gottes Sprößling beanspruchen — daß Geistigkeit, geistige Substanz das Wesen des zu Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen ausmachen.
Verneinen. Gleichzeitig sollten wir im Gebet die gegenteiligen Annahmen zurückweisen, daß alles Materie sei, daß der Mensch materiell sei und daß er von materiellen Gesetzen regiert werde. Anstatt die körperlichen Sinne zu befriedigen, sollten wir lernen, sie nicht anzuerkennen, das „Fasten“ zu üben, auf das Jesus sich bezog, als er die Frage der Jünger beantwortete, warum sie den Mondsüchtigen nicht heilen konnten: „Diese Art fährt nur aus durch Beten und Fasten.“ Matth. 17:21; Im Gebet können wir gedanklich mit der Versuchung, den Argumenten und Täuschungen der Sinnlichkeit und des Materialismus ringen, bis wir ihre Nichtsheit erkannt haben. Gebet hilft uns zu sehen, daß sie uns weder beeinflussen noch befriedigen können.
Lauschen. Gebet ohne Lauschen ist wie Brot ohne Backen. Die Zutaten sind da, aber ihnen fehlt das wesentliche Element, das unser Gebet vervollständigt. Das Sehnen, mehr geistig gesinnt zu sein, wird weniger dadurch befriedigt, daß wir immer wieder unsere Absichten kundtun und über unsere Verarmung reden, als dadurch, daß wir geduldig auf die reinigenden, erhebenden, inspirierenden Ideen lauschen, mit denen Geist den Menschen ständig versorgt. Erwartung macht das Lauschen produktiv. Beten ohne Unterlaß wird durch Lauschen erfüllt. Der beste Ort zum Lauschen ist das „Kämmerlein“, der Bewußtseinszustand, der gern in stillen Augenblicken, mitten im dichten Straßenverkehr, in dem Getöse eines Sturmes lauscht — ein Lauschen, das den Lärm um uns her ausschaltet und vernimmt, was Gott sagt. Das „Kämmerlein“ solcher Gemeinschaft steht uns überall zur Verfügung. Wir wachsen geistig durch Lauschen. Unsere Intuition wird verfeinert. Wenn wir aufrichtig sind, hören wir, was wir beachten müssen.
Dankbarkeit. Jesus dankte Gott, bevor eine Heilung vollbracht war. Wir sollten Ihm für die Geistigkeit danken, die wir zu erreichen hoffen, für das geistige Wachstum, das schon stattgefunden hat, für die geistigen Eigenschaften, die wir in anderen sehen. Wenn wir das geistig Gute überall um uns her aufrichtig anerkennen, ist unser Denken bereit, mehr zu empfangen. Der geistige Blick wird klarer. Die Wahrnehmungs- und Erkenntnisfähigkeit werden geschärft. Wir sollten täglich viele Male unserer Dankbarkeit durch ein stilles „Danke, Vater“ Ausdruck verleihen.
Ausführung. Der Prüfstein eines jeden Gebets ist, ihm gemäß zu leben. Wenn wir uns ungeliebt, unerwünscht oder überflüssig vorkommen, mögen wir zu der Überzeugung gelangen, daß es Liebe ist, was uns am meisten not tut. Aber Gott ist Liebe, und in Seiner Allheit schließt Er keinen aus. Um Liebe zu bitten, wo doch Liebe unendlich und immer gegenwärtig ist, wird dazu beitragen, unseren Begriff von dem, was wahre Liebe ist, zu läutern. Aber uns wird dadurch nicht mehr von der Liebe der Liebe zuteil werden, als schon zur Hand ist. Daß wir Liebe ausdrücken, tatsächlich die Eigenschaften der Liebe andern gegenüber bekunden, unser Gebet um Liebe leben, indem wir lieben — das ist es, was vonnöten ist. Das gleiche trifft auf Geistigkeit zu. Dadurch, daß wir unsere Gebete leben, werden wir mehr geistig gesinnt — dadurch, daß wir das, worum wir bitten, zum Ausdruck bringen, nämlich Reinheit, Heiligkeit, Güte; daß wir Mitgefühl, Vergebung, Zuneigung zeigen; daß wir immer weniger auf den Aufruhr des Materialismus, die Nichtigkeit der Sinnlichkeit, den Widerstand des tierischen Wesens und die trügerischen und illusorischen Freuden der körperlichen Sinne reagieren.
Jeder, der mit dem Herzen dabei ist, kann an Geistigkeit zunehmen. Der Buchstabe sollte studiert werden, wie er in der Heiligen Schrift und den Werken Mrs. Eddys reichlich vorhanden ist. Wir sollten mit dem Text so vertraut werden, daß er uns nicht mehr fremd ist. Wir sollten uns die erforderliche Zeit nehmen, um etwas über die Dinge des Geistes zu lernen. Dann sollten wir uns das, was wir gelernt haben, zu eigen machen, danach hungern und dürsten und es ernstlich, beständig und eifrig wünschen — es aufnehmen, es verarbeiten, es assimilieren. Mrs. Eddy schreibt: „Verlangen ist Gebet; und kein Verlust kann uns daraus erwachsen, daß wir Gott unsere Wünsche anheimstellen, damit sie gemodelt und geläutert werden möchten, ehe sie in Worten und Taten Gestalt annehmen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 1. Ein lebendiges Gebet um geistiges Wachstum ist Beten ohne Unterlaß. Es erweitert ständig unsere Fähigkeit, zu heilen.