Die Christliche Wissenschaft offenbart Sehen als eine Fähigkeit der Seele, die vom Menschen, der die Widerspiegelung der Seele ist, immerdar ausgedrückt wird. Deshalb ist unsere Fähigkeit, zu sehen, in Wirklichkeit rein geistig und nicht von einem materiellen Organismus abhängig. Das dem Menschen von Gott verliehene Sehvermögen ist niemals in der Materie zu finden, noch ist es materiellen Bedingungen unterworfen. Verschwommenes Sehen, Kurzsichtigkeit, Weitsichtigkeit, Farbenblindheit und andere Augenfehler sind nichts als Phasen der sterblichen Annahme, daß es ein sterbliches, von Gott getrenntes Gemüt gebe, das erklärt, auch ein Schöpfer zu sein, Kräfte zu besitzen, mit denen es einen sterblichen Menschen schaffen könne, der in der Materie lebt und von einem materiellen Organismus abhängig ist, um sehen, hören und anderes tun zu können. Wir müssen diese Lüge verwerfen und sie durch den wahren Begriff von der Schöpfung ersetzen.
Um fehlerhaftes Sehen zu heilen, müssen wir die geistige Tatsache im Denken fest begründen, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht. Dieses Zugleich-Bestehen von Gott und Mensch, von Seele und ihrem unsterblichen Ausdruck, ist unzerstörbar. Einer kann den anderen nicht verlassen. Da der Mensch zugleich mit Gott besteht, spiegelt er das allsehende und allhörende Gemüt wider. Geistige Wahrnehmung und geistiges Verständnis sind nicht etwas, was Gottes Ebenbild zu erwerben hat oder was ihm hinzugefügt werden muß. Der Mensch spiegelt immer diese fehlerlosen Fähigkeiten der Seele, des vollkommenen Gemüts, wider. Der Mensch ist kein materieller Körper, sondern die zusammengesetzte Idee Gottes, die immerdar von der Seele erhalten wird. Das Gesetz der Seele erhält den Menschen für immer in der Unsterblichkeit, im Himmelreich. So lehrt die Christliche Wissenschaft die Menschen, Seele und ihren Ausdruck, den Menschen — die Ursache und ihre Wirkung —, als untrennbare Einheit zu verstehen.
Das ist es, was Christus Jesus lehrte und in seinem ganzen Leben beispielhaft veranschaulichte. Er bezog sich auf den Christus, seine wahre Natur, als den Vertreter der Seele, als „das Licht der Welt“. Um richtig sehen zu können, bedürfen wir des Lichts des Christus, der Wahrheit. Dieses Licht vertreibt die dunklen Visionen eines materiellen Begriffs vom Leben und Sein, die Finsternis von Verzweiflung, Furcht und Hoffnungslosigkeit, ebenso wie die Blindheit der Selbstgerechtigkeit und der menschlichen Willenskraft. Der Meister sagte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Joh. 8:12;
Während seines segensreichen Wirkens durch Heilen und Lehren hatte Jesus viel über die mentale Natur des Sehens und Hörens zu sagen. Er warnte seine Nachfolger vor der sündigen Neigung des menschlichen Gemüts, mit Verlangen auf verbotene Dinge zu blicken. Er ermahnte sie, nicht vorschnell aufgrund des Augenscheins der materiellen Sinne zu richten. Statt dessen lehrte er sie, den Schleier der Sterblichkeit, der den Ausblick versperrt — Haß, Neid, Verdammung, Stolz —, mit christusgleicher Liebe und Barmherzigkeit zu durchdringen und so die beständige Gegenwart des Himmelreichs, der göttlichen Wirklichkeit, zu beweisen, wo der Mensch als das vollkommene Kind eines alliebenden Vaters, Gottes, offenbar wird.
Bei einer Gelegenheit sagte Jesus, indem er sich auf die Stumpfheit der geistigen Wahrnehmung und des geistigen Verständnisses seiner Jünger bezog: „Ihr habt Augen, und sehet nicht? habt Ohren, und höret nicht?“ Mark. 8:18; Dieser Unterredung Jesu mit seinen Jüngern, wie sie im 8. Kapitel des Markusevangeliums berichtet wird, folgt ein Bericht seiner Heilung eines Mannes von Blindheit; und kurz davor wird uns von einer Heilung von Taubheit und Stummheit berichtet (s. Kap. 7: 32–35). Er heilte dadurch, daß er durch die Linse der Wissenschaft den von Gott geschaffenen vollkommenen Menschen sah. Seine unübertroffene Wahrnehmung des Christus als der wahren Idee Gottes und des Menschen als Gottes Kind vertrieb die Illusion von einer sterblichen Selbstheit, die von einem sogenannten materiellen Auge und Ohr abhängig ist, um sehen und hören zu können. Jesus bewies, daß geistige Wahrnehmung und geistiges Verständnis Fähigkeiten der Seele sind, die der Mensch in unendlichem Maße für alle Ewigkeit widerspiegelt.
Wie wir durch die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft lernen, nahm der Meister das Zeugnis der materiellen Sinne, die den Menschen als krank und sündig klassifizieren, nicht als wirklich an. Sein geistig klarer Blick durchdrang den Schleier der Materialität und Sünde und gewahrte in der Wissenschaft den Menschen — den reinen und sündlosen Ausdruck Gottes, der Seele. Durch sein Verständnis der wahren Natur des Menschen, die die göttlichen Eigenschaften bekundet, gab er den Blinden das Gesicht, den Tauben das Gehör und den Stummen die Sprache wieder. Heute sehen wir, wie die von Jesus verstandene und demonstrierte Wahrheit erneut in der Christlichen Wissenschaft als unfehlbares Gesetz wirkt, indem sie die Sinne der Seele als die einzigen Sinne, immer vollkommen und im Frieden, offenbart.
Wie befreiend ist es, durch die Christliche Wissenschaft zu lernen, daß die wirklichen Sinne des Menschen geistig und unzerstörbar sind! Weil der wirkliche Mensch der ewig fortdauernde Ausdruck der Seele ist, sind sein Gesicht und Gehör Fähigkeiten der Seele, die nicht verlorengehen noch erschöpft werden können, sondern immer gegenwärtig und für alle Ewigkeit unversehrt sind. Die gottverliehene Identität des Menschen bekundet den allwirkenden Geist. Seine geistigen Sinne legen Zeugnis von Gottes Weisheit und Intelligenz ab. Seine Unsterblichkeit drückt die bleibende Stärke und nie vergehende Herrlichkeit der Seele aus. Seele erhält immerdar die wirkliche Identität. Nur in der unwirklichen Welt des materiellen Sinnes scheinen die Menschen Sterbliche zu sein, die von Gott getrennt sind. Dort glaubt man, daß das Leben von der Materie und Wahrnehmung von den Bedingungen der physischen Struktur abhänge, daß Intelligenz im Gehirn sei und Fähigkeiten eine Sache des Zufalls seien.
In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Geischt, Gehör, alle geistigen Sinne des Menschen sind ewig. Sie können nicht verlorengehen. Ihre Wirklichkeit und Unsterblichkeit beruhen im Geist und im Verständnis, nicht in der Materie — daher ihre Fortdauer.“ Und auf der folgenden Seite fügt sie hinzu: „Es liegt mehr Christentum in geistigem als in materiellem Sehen und Hören. Es liegt mehr Wissenschaft in dem beständigen Gebrauch der Gemüts-Fähigkeiten als in deren Verlust. Solange Gemüt besteht, können sie nicht verlorengehen. Das Erfassen dieser Tatsache verlieh vor Jahrhunderten den Blinden das Gesicht, den Tauben das Gehör, und es wird das Wunder wiederholen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 486, 487;
Die Christliche Wissenschaft zerstört die beunruhigende Auffassung, daß unser Leben, unser Sein und unsere Fähigkeiten von Gott getrennt seien. Sie erhebt uns über die Täuschung, daß man sozusagen „auf eigenen Füßen“ stehe, was unser Leben, unsere Gesundheit und unsere Fähigkeiten betrifft. Sie befähigt uns, mit dem Meister zu sagen: ich kann „nichts von mir selber“ Joh. 8:28; tun, und weiter: „Ich und der Vater sind eins.“ 10:30; In unserem wahren Sein sind wir Gottes Ideen, die dem Geist entspringen und die Schönheit und Klarheit der Seele kundtun.
Seele sieht. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit wird immerdar im Menschen individualisiert, ist immerdar untrennbar vom Menschen und wird immerdar durch den Menschen bekundet. Der Mensch als Gottes Bild und Gleichnis spiegelt all die Eigenschaften und ewigen Fähigkeiten der Seele wider und verkörpert sie. Der Mensch hat keine eigene Sehkraft. Er weilt immer in der Seele und empfängt nur die Eindrücke des Geistes. Als die Idee des Gemüts drückt er das Sehvermögen aus, das dem göttlichen Ego innewohnt, dem immerwährenden Ich bin. Daraus folgt, daß unsere Fähigkeit, das Gute zu sehen, ihren Ursprung nicht in einem menschlichen Begriff vom Selbst, ja nicht einmal in dem wirklichen geistigen Selbst, sondern in Gott, dem göttlichen Gemüt, hat. Sie ist sicher und geborgen in der Substanz der Seele.
Der Mensch als Gottes Widerspiegelung besitzt all die Fähigkeiten des allwissenden, allsehenden und allhörenden Gemüts. Mrs. Eddy erklärt: „Das Verständnis, daß Gemüt unendlich und nicht durch Körperlichkeit begrenzt ist, daß es zum Zweck des Hörens oder Sehens nicht von Ohr und Auge, noch zum Zweck der Bewegung von Muskeln und Knochen abhängig ist, dieses Verständnis ist ein Schritt zur Gemüts-Wissenschaft hin, durch die wir die Natur und das Dasein des Menschen erkennen lernen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 84.