Die Menschen glauben mitunter, daß sie die Vergangenheit nicht zum besten nutzen konnten. Sie haben sie verpaßt, und die Zukunft liegt unsicher und fragwürdig vor ihnen. Die aus diesen Gefühlen entspringenden Befürchtungen sind jedoch falsch und illusorisch, da es für den geistigen Menschen — den Menschen, der wir in Wirklichkeit sind — weder Vergangenheit noch Zukunft gibt. Sein Dasein ist das Leben in dem immerwährenden Jetzt.
Jesus, der den Christus in so vollkommener Weise zum Ausdruck brachte und den vollkommenen Menschen und seine Beziehung zu Gott offenbarte, spricht über die stete Gegenwart Gottes mit folgenden Worten: „Mein Vater wirket bis auf diesen Tag, und ich wirke auch.“ Joh. 5:17; Der Christus, die unsterbliche Idee Gottes, ist ewig, hat weder Anfang noch Ende und hat seinen Ursprung in Gott, dem allmächtigen Gemüt.
Mrs. Eddy weist auf die große Wichtigkeit und die bestehende Realität eines immerwährenden Jetzt hin, wenn sie die Feststellung des Paulus aufgreift und sie folgendermaßen weiter ausführt: „,Jetzt‘, rief der Apostel, ,ist die angenehme Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils‘, und meinte damit nicht, daß sich die Menschen jetzt auf das Heil oder die Sicherheit einer zukünftigen Welt vorbereiten müßten, sondern daß jetzt die Zeit sei, dieses müßten, sondern daß jetzt die Zeit sei, dieses Heil im Geist und im Leben zu erfahren.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 39;
Nicht die philosophische Betrachtung eines zukünftigen Idealzustandes des Menschen, sondern das Bestreben, die geistige Wahrheit und das Gute schon jetzt im Alltag auszudrücken, ist die Methode der Christlichen Wissenschaft. Das ständige Bemühen, Gottes Gegenwart zu erfassen und zu erkennen, bereichert unser Leben mit Gedanken froher Erwartung und führt zu inspiriertem Lauschen auf Gottes Weisungen.
Es war mir vergönnt, schon in jungen Jahren zur Christlichen Wissenschaft geführt zu werden. Viele Jahre hindurch war ich ständiger Besucher der Sonntagsschule einer Zweigkirche. Wirtschaftliche und körperliche Schwierigkeiten veranlaßten mich, mich hingebungsvoll den Lehren der Christlichen Wissenschaft zu widmen und das Gelernte in die Praxis umzusetzen.
Ich denke gern an den Ausspruch meiner Mutter, die mit mir sonntags und mittwochs die Gottesdienste der Christlichen Wissenschaft besuchte: „Du mußt zu deinem Leben ja sagen, so wie es wirklich in der Wahrheit ist. Nur auf diese Weise kann sich das Gute, das immergegenwärtige, Jetzt‘, auswirken.“ Und in der Tat, so war es auch! Schritt für Schritt lösten sich große seelische Spannungen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und körperliche Beschwerden verschwanden in ihr ursprüngliches Nichts. Ihre scheinbare Wesenheit lag nicht in den Verhältnissen, sondern im falschen Denken über das eigene Ich. Das wahre Leben, das geistig ist, liegt im Einssein mit Gott, Geist, dem Vater und der Mutter aller Menschen. Das Leben besteht nicht in der Materie oder in einer materiellen Persönlichkeit.
Während meines Studiums an der Universität und auf meinem Weg in das Berufsleben durfte ich die Christliche Wissenschaft als den Leitstern erleben, der mich aus dem Wust der materiellen Begriffe und des mich arg bedrängenden Berufskampfes herausführte. Ich erkannte, daß Begrenzungen nur in meinen Gedanken bestanden und nicht bloß von den menschlichen Begebenheiten abhängig waren.
Eine Zeile aus einem Lied war mir eine beständige Hilfe: „Dies ist der Tag, den Gott gemacht.“ Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 342; Ich legte besondere Betonung auf das Wort „Gott“, und dies gab mir die innere Kraft, an meinem wahren Sein in dem einen alliebenden Vater festzuhalten. Ich sah, daß das Verständnis des geistigen Lebens und die Einheit des Menschen mit dem himmlischen Vater keine in der Zukunft zu suchende Hoffnung ist, sondern eine augenblickliche Möglichkeit. Sie kann schon jetzt in allen Lebenslagen demonstriert werden. Die alles umfassende Liebe schließt alle Menschen ein und steht allen zur Verfügung.
Gewisse Unterhaltungen mit Neulingen in der Christlichen Wissenschaft habe ich gut in Erinnerung. Sie alle sahen den Wert der Lehren der Christlichen Wissenschaft, einige waren aber der Auffassung, daß sie zu alt seien, diese Wahrheiten im täglichen Leben geltend zu machen und zu demonstrieren. Sie beglückwünschten mich, daß ich in so jungen Jahren mit dem Studium der Christlichen Wissenschaft angefangen hatte und daß ich sie in meinen vielen täglichen Aktivitäten beweisen konnte. Ich fand es hilfreich, auf den Bericht über den verlorenen Sohn in der Bibel hinzuweisen, um zu zeigen, wie wichtig es ist, die Wahrheit von Gottes Versöhnlichkeit und helfender Liebe im Auge zu behalten.
In diesem Bericht im Lukasevangelium heißt es schlicht und einfach: „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küßte ihn.“ Luk. 15:20.
Bereits der schlichteste Gedanke, den man über den himmlischen Vater haben kann — ja, schon das vertrauensvolle Sichhinneigen zur göttlichen Liebe —, kann die stete stärkende Macht Gottes ins Bewußtsein bringen. Für das Erfassen des wahren Lebens des Menschen braucht es keine Zeit langsamen Nachholens noch ein „Zuspät“ zu geben. Zeit und Alter sind unbekannte Begriffe in der göttlichen Gegenwart.
Wir brauchen wegen der in früheren Zeiten nicht voll ausgenutzten Fähigkeiten oder Gelegenheiten nicht zu resignieren. Wir brauchen uns vor einer ungewissen Zukunft nicht zu fürchten. Vielmehr sollten wir die vielen menschlichen Bedenken und Befürchtungen vergessen und jeden Tag aus Gottes Hand entgegennehmen. Wir müssen jeden Tag mit einem innigen Gebet beginnen und immer bereit sein, auf Gottes Führung zu lauschen.
Es gibt nur das immerwährende Jetzt!
