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DIE BIBEL ALS ZUSAMMENHÄNGENDES GANZES: PAULUS, DER MISSIONIERENDE APOSTEL

[Diese Artikelserie zeigt die stetige Entfaltung des Christus, der Wahrheit, die ganze Heilige Schrift hindurch.]

Paulus' hebräische Herkunft

Aus der September 1975-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die dritte und bei weitem bedeutendste Kraft, die die frühen Vorstellungen des Paulus formte und sein Lehren bis zum Ende beeinflußte, war seine jüdische Abstammung und Erziehung. Seine römische Staatsangehörigkeit war eine große Ehre, und die damit verbundenen Vorrechte kamen ihm gut zustatten. Der Umstand, daß er in Tarsus mit griechischen Sitten und Gebräuchen und griechischer Gelehrsamkeit in Berührung kam, trug zweifellos zur Vorbereitung auf seine große Missionsarbeit bei. Doch die Tatsache, daß Paulus nicht nur Jude, sondern auch ein Pharisäer war, bleibt im Vordergrund.

Wir sind es gewöhnt, den Apostel bei seinem römischen Namen Paulus zu nennen, der von „paulus“, dem lateinischen Wort für „klein“, herstammt und hauptsächlich in seinem Umgang mit den Heiden gebraucht wurde; doch es ist von Bedeutung, daß er auch den jüdischen Namen Saulus trug. Daß er zwei Namen hatte, war nichts Ungewöhnliches. Aus der Apostelgeschichte (12:12) erfahren wir z. B., daß Johannes der hebräische Name für den aus dem Lateinischen kommenden Namen Markus war, den Namen des Verfassers des zweiten Evangeliums.

Der hebräische Name Saulus bedeutet buchstäblich „der Erbetene“; und da die Juden der Herkunft ihrer Namen große Bedeutung beimaßen, wird vermutet, daß die Geburt des Kindes, wie bei Samuel, erhörtes Gebet war (s. 1. Sam. 1:11, 20). Wie Samuel, so mag auch Paulus schon vor seiner Geburt dazu bestimmt worden sein, Gott zu dienen, denn wir lesen in dem Brief an die Galater, wo Paulus das einzige Mal auf seine Mutter Bezug nimmt: „Gott [hat] mich von meiner Mutter Leibe an ... ausgesondert und berufen durch seine Gnade ...“ (1:15). Oder es könnte sein, daß seine Eltern, da sie dem Stamme Benjamin angehörten, ihren Sohn nach dem König Saul nannten, der selbst ein Benjaminiter war.

Noch lange nach seiner Bekehrung zum Christentum war sich Paulus der Würde seiner hebräischen Abstammung bewußt. An die Kirche zu Philippi schrieb er: „Ich [bin] am achten Tag beschnitten ..., einer aus dem Volk Israel, vom Stamme Benjamin, ein Hebräer von Hebräern“ (Phil. 3:5), während er die Römer (11:1) daran erinnert, daß er „ein Israelit, von dem Geschlecht Abrahams, aus dem Stamme Benjamin“ ist. Es sollte hier erwähnt werden, daß die ihm zugeschriebenen bekannten Worte in der Apostelgeschichte (23:6): „Ich bin ein Pharisäer und eines Pharisäers Sohn“ eigentlich folgendermaßen zu übersetzen sind: „Ich bin ein Pharisäer und der Sohn von Pharisäern“, was bedeutet, daß sowohl sein Vater als auch sein Großvater „der allerstrengsten Sekte unsers Glaubens“ angehörten (26:5), wie er sich in einer anderen Rede ausdrückte.

Jemand von solcher Herkunft muß von Kindheit an sorgfältig nach der jüdischen Sitte erzogen worden sein. Wenn diese Vermutung richtig ist und wenn wir uns auf Beweismaterial aus einer etwas späteren Zeit stützen, können wir einen kurzen Überblick über Saulus’ Schulzeit geben. Anscheinend lernte jedes jüdische Kind auf dem Schoße seiner Mutter zuerst das Schma, so genannt nach dem ersten Wort der hebräischen Fassung der Stelle 5. Mose 6:4–9, „Schma Jisrael“: „Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein“; und was sie sonst noch sehr früh auswendig lernen mußten, war das Hallel (wörtlich „preist“), das aus den Psalmen 113 bis 118 bestand. Im „reifen“ Alter von fünf Jahren studierte der Junge dann zu Hause mit seinem Vater und seiner Mutter die Bibel.

Mit sechs oder sieben Jahren kam für ihn der nächste Schritt — er besuchte die Grundschule, die der Synagoge am Ort, dem Beth hassepher oder „Haus des Buches“, angegliedert war. Das „Buch“ war natürlich, was wir heute das Alte Testament nennen, das einzige Lehrbuch, das benutzt wurde. Da alle Bücher mühsam mit der Hand abgeschrieben werden mußten, war es selbstverständlich unmöglich, daß die Kinder ihre eigenen Exemplare haben konnten. Sie sagten jeden Vers dem Lehrer nach, bis sie ihn auswendig konnten. Daß sie so früh mit der Heiligen Schrift vertraut gemacht wurden, erklärt, warum Paulus später so oft Stellen aus ihr zitieren konnte.

Das Studium griechischer Literatur war für einen strenggläubigen Juden verpönt. Man erzählt sich, daß ein berühmter Rabbi einmal gefragt wurde, wann ein junger Hebräer in diesem Fach unterrichtet werden solle, und daß er antwortete: „In der Stunde, die weder dem Tag noch der Nacht angehört.“ — Er bezog sich dabei auf Psalm 1:2: „[Er] sinnt über seinem [Gottes] Gesetz Tag und Nacht!“ Er hatte für nichts anderes Zeit! Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, daß in dieser Weltstadt Tarsus solch eine extreme Regel strikt befolgt wurde.

Die Vollendung des 13. Lebensjahres war im Leben eines jüdischen Jungen ein sehr wichtiger Zeitpunkt, denn er wurde nun als Mann betrachtet. Um uns der Worte des Paulus zu bedienen: Er hatte abgetan, „was kindlich war“ (1. Kor. 13:11). Er verließ dann die Grundschule, und wenn er, wie es bei Saulus der Fall war, zum Rabbi ausgebildet werden sollte, unternahm er bestimmte Schritte, um sich auf diese heilige Mission vorzubereiten.

Jeder Rabbi lehrte seine Schüler unentgeltlich — zumindest theoretisch —; es ist also klar, daß diejenigen, die dieser Berufung folgten, ein Handwerk treiben mußten, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. Ja, es war unter den Juden üblich, daß jeder junge Mann, ungeachtet dessen, wie reich er war oder was er vorhatte, ein Handwerk erlernen mußte. Jesus war Zimmermann, Petrus Fischer usw. Ein altes jüdisches Sprichwort besagte, daß, wenn man seinen Sohn nicht ein Handwerk lehrte, man ihm das Stehlen beibrächte.

Daher wurde zweifellos auch Saulus in früher Jugend in die Lehre gegeben, um ein Handwerk zu erlernen, das er in seinem späteren Leben ausübte — das eines Zelttuchwebers. Dies war eines der bekanntesten Gewerbe in Tarsus. Auf den Abhängen des Taurusgebirges, nur wenige Kilometer von der Stadt entfernt, grasten Herden schwarzer, langhaariger Ziegen. Aus dem Ziegenhaar webten Paulus und viele seiner Mitbürger einen kräftigen, aber groben Stoff, der für Zelte, Schutzdächer und andere Zwecke verwendet wurde. Ja, diese Stoffart wurde so bekannt, daß bis auf den heutigen Tag das französische Wort für Haartuch cilice ist, was „aus Cilicien“ bedeutet, der Provinz, wo Paulus vor so vielen Jahrhunderten seine Zelte machte. Das Handwerk des Apostels war nicht gut bezahlt; und Paulus gewährt uns einen lebhaften Einblick in die Mühsal seiner Arbeit, wenn er in einem seiner Briefe schreibt: „Mit Arbeit und Mühe haben wir Tag und Nacht gewirkt, auf daß wir nicht jemand unter euch beschwerlich wären“ (2. Thess. 3:8).

Wir können nicht sagen, wie alt Saulus war, als er von Tarsus wegging, um in Jerusalem zu studieren, doch wir haben allen Grund anzunehmen, daß er zwischen zehn und fünfzehn war. In der Apostelgeschichte lesen wir, wie er zu einer Zuhörerschaft in Jerusalem sagte, er sei „in dieser Stadt“ erzogen worden (22:3). Es muß für diesen ernsten jungen Pharisäer ein ereignisreicher Augenblick gewesen sein, als er der heidnischen Kultur und dem geschäftigen Handel in Tarsus den Rücken kehrte und sich in die heilige Stadt des jüdischen Volkes begab, die fruchtbare Ebene Ciliciens hinter sich ließ und statt dessen in das karge Hochland und die zerklüfteten Berge Judäas zog. Ein Wunsch, den er und seine Eltern offenbar schon lange gehegt hatten, sollte nun in Erfüllung gehen — er sollte die Hochschule für Rabbiner oder Schriftgelehrte in Jerusalem besuchen, bekannt als Beth hammidrash — „das Haus des Studiums“ oder „der Erklärung“ —, wo er der berühmteste Schüler eines der berühmtesten Rabbiner jener Zeit werden sollte, eines Pharisäers namens Gamaliel.

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