Frühmorgens bemerkte ich einmal einen Sperling auf dem Fensterbrett zwischen dem innen angebrachten Fensterladen und der Scheibe. Ein Fensterflügel, der sich ungefähr dreißig Zentimeter über dem Frensterbrett befand, stand offen, und der Vogel war wohl hereingehüpft und hatte sich auf dem Fensterbrett niedergelassen. Nun versuchte er verzweifelt, durch die untere Glasscheibe ins Freie zu gelangen. Wäre er nur etwas in die Höhe geflogen, hätte er durch das offene Fenster entkommen können. Ich sah, daß der Sperling Hilfe brauchte, und konnte ihn freisetzen.
Wie gleicht doch das menschliche Bewußtsein jenem Sperling! Mit Problemen beladen kämpft es verzweifelt, die Freiheit zu erlangen, aber oft gelingt es ihm nicht aufgrund seiner Unkenntnis über die Wissenschaft des Seins und der Furcht, die diese Unkenntnis mit sich bringt.
Dennoch ist Hilfe jederzeit zur Hand. Gottes Macht, zu helfen und zu heilen, die von der Christlichen Wissenschaft als der immer gegenwärtige Christus offenbart wird, versagt nie. Der Prophet erkannte diese Hilfe und erklärte mit Gottes eigenen Worten: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir, weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Jes. 41:10;
Einmal wollte ein hartnäckiges körperliches Problem trotz meiner Gebete nicht weichen, und ich fühlte mich gefangen und entmutigt. Doch im Gegensatz zu dem Sperling weigerte ich mich, der Furcht nachzugeben und mich verzweifelt abzumühen. Ich fuhr fort, zu beten und auf die geistigen Ideen und die Inspiration zu lauschen, die mich heilen würden. Das Studium der Christlichen Wissenschaft hatte mich gelehrt, daß die Lösung darin lag, ein besseres Verständnis vom Menschen als Gottes Ebenbild zu erlangen. So betete ich weiter; ich hielt an der Allheit und Güte Gottes fest und wies den Anspruch zurück, daß das Böse Macht oder Wirklichkeit habe. Ich machte mir klar, daß Gottes Ebenbild geistig ist, nicht materiell, und daher weder der Krankheit noch der Disharmonie unterworfen ist.
Schließlich kamen mir folgende Gedanken: Wenn Gott Alles ist, wie die Christliche Wissenschaft lehrt, dann existiert in Wirklichkeit nichts außerhalb Seiner vollkommenen Schöpfung. Wenn Gott Geist ist, wie die Bibel erklärt, dann gibt es keine Materie, mit der man zu kämpfen hätte. Du brauchst dich nicht mit diesem Problem abzuquälen. Du mußt dich von ihm abwenden und in dem Bewußtsein der Allheit und Güte Gottes verweilen und für Seine Fürsorge dankbar sein.
Ich erinnerte mich an folgende Stelle in Mrs. Eddys Buch Vermischte Schriften: „Gott gibt euch Seine geistigen Ideen, und sie wiederum geben euch, was ihr täglich braucht. Bittet niemals für morgen; es ist genug, daß die göttliche Liebe eine immergegenwärtige Hilfe ist, und wenn ihr wartet und niemals zweifelt, werdet ihr jeden Augenblick alles haben, was euch not tut. Welch herrliches Erbe wurde uns durch das Verständnis von der allgegenwärtigen Liebe zuteil! Mehr können wir nicht erbitten, mehr brauchen wir nicht, mehr können wir nicht haben. Diese holde Gewißheit ist das, Schweig und verstumme‘ gegen alle menschlichen Ängste, gegen Leiden jeder Art.“ Verm., S. 307;
Diese Worte inspirierten und trösteten mich, und ich sah in ihnen eine Antwort auf mein Gebet. Kurze Zeit danach — ich wußte kaum wann — verschwand das körperliche Problem. Ich war gesund. Diese befreienden Gedanken waren von dem Christus, der Wahrheit, gekommen, der Hilfe, die immer zur Hand ist. In Wirklichkeit war ich niemals gefangen, niemals in Gefahr gewesen. Der Weg zur Freiheit stand mir offen, und mein Denken war durch den immer gegenwärtigen Christus so weit erhoben worden, daß ich frei wurde.
Die christlich-wissenschaftliche Behandlung, oder das Gebet, hebt das Bewußtsein über unharmonische materielle Zustände empor und löst sie auf. Diese Behandlung enthüllt den Menschen in seinem wahren Wesen als das Kind Gottes, das Ebenbild des Geistes. Sie widerlegt das trügerische Zeugnis des materiellen Sinnes mit der geistigen Wahrheit und offenbart die Liebe Gottes, die heilt und befreit. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Der materielle Sinn entfaltet die Tatsachen des Daseins nicht; der geistige Sinn dagegen hebt das menschliche Bewußtsein zur ewigen Wahrheit empor.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 95;
Wenn der Christliche Wissenschafter Fortschritte macht, gewinnt er ein größeres Verständnis von der Macht Gottes. Sein Gefühl der Furcht und Begrenzung wird mit jedem durch die Wissenschaft gelösten Problem schwächer. Er spürt Gottes Liebe immer mehr, und, was am besten ist, er versteht, daß der heilende Christus hier und jetzt allen Menschen zur Verfügung steht.
Mit solch einer Gewißheit der Fürsorge Gottes können alle Menschen ohne Furcht leben. Der Sperling auf dem Fensterbrett wurde dadurch frei, daß ich Liebe zum Ausdruck brachte und um sein Wohlergehen besorgt war. Wieviel größer ist Gottes Liebe, die das Universum umfängt und alle Identitäten erhält! In diesem Reich der Liebe werden alle Lebewesen beschützt, und der Mensch, das Kind Gottes, erfreut sich unsterblicher Vollkommenheit.
Jeder kann lernen, sich auf Gott, die göttliche Liebe, zu verlassen, um vom Bösen erlöst zu werden, denn niemand ist von der allumfassenden Fürsorge der Liebe ausgeschlossen. Der wahre Wert jedes einzelnen beruht auf seiner grundlegenden Beziehung zu Gott als dem Kind der Liebe. Dadurch, daß wir unsere Beziehung zu Gott erkennen und lernen, sie im täglichen Leben zu beweisen, wird uns die Fürsorge und der Schutz der Liebe zuteil. Christus Jesus sagte: „Kauft man nicht zwei Sperlinge um einen Pfennig? Dennoch fällt deren keiner auf die Erde ohne euren Vater. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupte alle gezählt. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser als viele Sperlinge.“ Matth. 10:29–31.
