Wer hätte nicht jemals das Verlangen nach einem größeren Maß an Selbstbeherrschung gehabt? Leichtfertiges Prahlen, daß doch jeder, wenn er es wolle, das Rauchen aufgeben, bestimmte Eß- oder Schlafgewohnheiten ablegen oder aufhören könne, zu trinken oder Drogen zu nehmen, endet nur allzuoft in der nüchternen Feststellung, daß man selber süchtig geworden ist.
„Hätte ich nur nicht erst damit angefangen“ ist eine Klage, der man abhelfen kann. Wenn auch eine Versuchung, der man einmal nachgegeben hat, sich zu einer langjährigen Gewohnheit vertieft haben mag, so kann doch dem trägen Dulden dieser Gewohnheit und sogar dem eigensinnigen Festhalten daran ein Ende gemacht werden. Aber weder Selbsthypnotismus durch die Anwendung eigener Willenskraft noch Hypnotismus durch andere kann einem die Freiheit echter Selbstbeherrschung geben.
Vor Hunderten von Jahren schrieb ein inspirierter Mann an einen seiner jungen Anhänger: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht.“ 2. Tim. 1:7; Eine moderne Übersetzung gibt „Zucht“ als „Selbstbeherrschung“ wieder. Ob man nun diese Gabe als Zucht oder als Selbstbeherrschung bezeichnet, die Botschaft ist eindeutig: Gott gibt uns die Fähigkeit, unserem höchsten Sinn von Recht entsprechend zu denken und zu handeln. „Der Mensch, der Gottes Regierung widerspiegelt, regiert sich selbst“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 125;, sagt Mrs. Eddy. Diese geistige Tatsache bietet uns die Hilfe, die wir benötigen, um mehr Herrschaft in unserem Leben auszudrücken.
Durch die Christliche Wissenschaft wurde ich von der Gewohnheit des Rauchens frei, und diese Heilung erfüllt mich immer noch mit Ehrfurcht. Ich hatte etwa fünfzehn Jahre lang geraucht, und während der meisten dieser Jahre hatte ich mit dieser Gewohnheit brechen wollen. Schuldgefühle — denn Rauchen entsprach nicht der Norm, die meine Eltern für mich gesetzt hatten — gaben mir nicht die Kraft, mich von diesem Laster zu befreien.
Zu diesem Zeitpunkt begann ich, mich mit der Christlichen Wissenschaft zu befassen. Bald hatte ich den Wunsch, einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, beizutreten. Ich erfuhr, daß man vom Gebrauch von Drogen, einschließlich des Genusses von Tabak und Alkohol, frei sein mußte, um beitreten zu können. Ich folgerte: die Kirche müsse den Menschen zu solcher Freiheit verhelfen können, wenn sie sie von ihnen verlangte.
Ich war sehr empfindlich gegen Selbstgerechtigkeit im Zusammenhang mit diesem Thema und überrascht, keine derartige Haltung unter den Kirchenmitgliedern, die ich nun kennenlernte, zu finden. Sie taten nicht so, als wären sie besser als ich, weil sie nicht rauchten oder tranken. Sie waren einfach dankbar, daß sie es nicht taten.
Ich wußte, daß Mrs. Eddy, als sie ihre Kirche organisierte, Ausüber vorsah, die den Leuten helfen konnten. Als ich meinen Fortschritt im Verständnis der Christlichen Wissenschaft mit einer solchen Ausüberin in deren Büro besprach, sagte ich, daß ich das Rauchen aufgeben wolle. Die Ausüberin war bereit, mich im Sinne der Christlichen Wissenschaft zu behandeln.
Dies war an einem Freitag. Beinahe das ganze Wochenende kämpfte ich gegen den Wunsch zu rauchen an und vergoß dabei viele Tränen. Die folgende Woche erwies sich als ein wenig leichter, weil ich wieder an meinem Arbeitsplatz war. Am darauffolgenden Wochenende jedoch, bei einem Besuch bei alten Kommilitonen, rauchte ich den ganzen Sonnabend, bis in die Nacht hinein. Nie zuvor hatte ich eine solche Verzweiflung gekannt, wie ich sie auf dem Heimweg erlebte. All das Leiden der vergangenen sieben Tage war umsonst gewesen. Nun war ich wieder in Knechtschaft geraten. Jahre zuvor war ich einmal in ein Zugnetz geraten, das ein Boot durch das Wasser zog, wo wir schwammen. Ich wußte, daß ich mich nicht dagegen wehren durfte, sondern das Netz von mir abfallen lassen mußte; dadurch wurde mein Leben gerettet.
Während jener morgendlichen Heimfahrt hörte ich auf zu kämpfen. Ich gewahrte einen Schimmer von der Allheit, der Unendlichkeit Gottes, des Guten, und von meinem wahren Sein als Widerspiegelung der Tätigkeit dieses völlig guten Gottes. Die Furcht, weiterhin dem Laster zu frönen, ließ nach. Und die Gewohnheit des Rauchens fiel wortwörtlich von mir ab wie das Zugnetz. Ich habe nie wieder das Verlangen nach einer Zigarette gehabt.
Meine Freude war groß. Ich hatte es selbst gesehen, daß das System christlich-wissenschaftlichen Heilens erfolgreich ist. Die Gebete der Ausüberin der Christlichen Wissenschaft hatten mich von der Gewohnheit des Rauchens befreit — etwas, was weder menschlicher Wille noch aufrichtiger Wunsch hatte vollbringen können. Ich hatte die Macht und Liebe, die Gott allen reichlich gibt, auf praktische Weise kennengelernt.
Jede Heilung in der Christlichen Wissenschaft ist individuell und einzigartig. Jemand anders mag länger darum ringen, den Punkt zu erreichen, wo er mit einer unliebsamen Gewohnheit bricht, oder der Kampf mag schwerer werden, anstatt aufzuhören. Jedoch die grundlegende metaphysische Wahrheit, die geistige Tatsache, die durch die Christliche Wissenschaft auf die Situation einwirkt, ist immer dieselbe. Das göttliche Gemüt, Gott, ist die Quelle aller wahren Triebe und Impulse, allen wahren Wollens, Denkens und Handelns. Christus Jesus, der mehr Herrschaft als jeder andere in seinem Leben zum Ausdruck brachte, sagte: „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern nur was er sieht den Vater tun“ Joh. 5:19; und: „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut seine Werke.“ 14:10;
Jeder, der von der Grundlage seines geistigen Selbst als Kind Gottes ausgeht, wird in gewissem Grade dieselbe Herrschaft ausdrücken. Er wird feststellen, daß sein Festhalten an der metaphysischen Wahrheit die moralische Eigenschaft der Enthaltsamkeit in seinem ganzen Denken und Handeln fördert. Er wird nicht nur erleben, daß er von unerwünschten Handlungen frei wird, sondern darüber hinaus werden starre Ansichten und Vorurteile einem spontaneren Ausdruck der Weisheit und Liebe weichen. Sein ganzes Handeln wird weniger auf Materie ausgerichtet sein.
Das unendliche, ewige Leben — das Leben, das Gott ist — entfaltet sich unendlich; es kann nicht umkehren und sich wiederholen. Was eine gute Gewohnheit zu sein scheint, ist tatsächlich eine neue Kundwerdung rechter Tätigkeit, und nicht nur eine Wiederholung.
Die Gabe der Selbstbeherrschung deutet auf die Herrschaft eines allweisen, alliebenden Gottes hin. In Gottes Reich — auf Erden wie im Himmel — ist niemand dazu verdammt, den Impulsen eines geheimnisvollen Bösen oder einer weniger geheimnisvollen physiologischen oder psychologischen Sucht zu folgen.
Selbstbeherrschung ist unser Erbe, ein gottgegebenes Geschenk. Wenn es uns auch nicht immer leichtfällt, ein Geschenk anzunehmen — manchmal müssen wir die Gabe erst zu schätzen lernen, manchmal arroganten Stolz ablegen —, Tatsache bleibt, die Gabe ist gegeben. Wahre Selbstbeherrschung, so könnte man sagen, kann nur erlangt werden, wenn wir sie als eine Gabe Gottes annehmen; dann können wir mit Erfolg auf ihre Demonstration hinarbeiten. Auf Jesu Worte: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch“ Luk. 17:21 [Fußnote]; Bezug nehmend, schreibt Mrs. Eddy: „Wisset denn, daß ihr unumschränkte Macht besitzt, recht zu denken und zu handeln, und daß nichts euch dieses Erbes berauben und gegen die Liebe verstoßen kann.“ Pulpit and Press, S. 3.