Die Christen sollten aus der Kreuzigung und Auferstehung Christi Jesu eine bedeutungsvolle Lektion lernen, nämlich daß wir uns eine geistige Schau zu eigen machen müssen.
Jesus besaß eindeutig eine unvergleichliche visionäre Kraft. Während seiner ganzen irdischen Laufbahn schaute er über die an der Oberfläche sichtbaren menschlichen Umstände hinaus. Wo andere Menschen den Kranken, den Sünder, den Armen, den Toten sahen, hatte Christus Jesus die seherische Kraft, das Gute, das Gesunde, das Vollkommene zu erschauen. Seine geistige Schau übertraf die getrübte Betrachtungsweise der anderen. Das Besondere an der Art, mit der er jeder Herausforderung begegnete, war, daß er nicht bei dem Unharmonischen verweilte, sondern den Nebel der sterblichen Annahme durchdrang und geradewegs auf die wahre geistige Tatsache schaute.
Ja, zu derselben Zeit, als er die Kreuzigung voraussah, prophezeite er die Auferstehung. Sagte er doch: „Brechet diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten.“ Joh. 2:19; Seine Fähigkeit, über begrenzende materielle Umstände hinauszuschauen, bewirkte die Auflösung jener falschen einengenden Annahmen. Ebenso wie das Putzen der Fenster die Sicht verbessert, so enthüllt uns das läuternde Wesen einer reinen geistigen Schau, was jenseits des materiellen Sinnes liegt.
Über die scheinbaren Begrenzungen hinauszuschauen ist weit mehr, als lediglich in der Zukunft bessere materielle Verhältnisse zu erwarten. Ja, es hebt jene Begrenzungen auf. Wenn wir über die Beschränkungen der Sterblichkeit hinausschauen, erkennen wir, daß jetzt, in der Ewigkeit des Jetzt, Gottes vollkommener Wille geschieht. Seine Schöpfung ist jetzt und immerdar vollständig und frei. Unser Wissen, unsere inspirierte Gewißheit, zeigt uns, was die sterbliche Annahme verbergen möchte. Die Erleuchtung des Bewußtseins vertreibt die Unwissenheit. Und diese geistige Erkenntnis heilt.
Wenn Christus Jesus nicht über die Kreuzigung hinausgeschaut hätte, hätte er nicht über die Kreuzigung hinausschreiten können. Seine Taten hielten Schritt mit seiner Vision. Und nach der Auferstehung? Er schaute weit über eine angenehme menschliche Tätigkeit hinaus. Er erkannte, daß seine Himmelfahrt — jene Freiheit von allen Schatten der Sterblichkeit — unausweichlich war. Die Himmelfahrt war eine notwendige Folge der zunehmenden Läuterung und Geistigkeit seines Lebens. Seine unerschütterliche Vision jenes vollständigen Ausdrucks der Vollkommenheit ließ ihn bei der Überwindung eines jeden Anspruchs der Sterblichkeit erfolgreich sein.
Diese grundlegende Lektion der geistigen Schau, die für das Leben Christi Jesu so charakteristisch war, insbesondere für seine Kreuzigung, Auferstehung und Himmelfahrt, ist für jeden von uns heute eine Lektion von großer Bedeutung.
Wenn wir feststellen, daß unsere Gedanken um unsere verhältnismäßig unbedeutenden Kreuzigungen, unsere eigenen Bekümmernisse, Verstimmungen oder Befürchtungen kreisen, ist es höchste Zeit, unseren Blick zu heben. Wir müssen über diese falschen Begrenzungen hinausschauen. Es ist wichtig, daß wir über die Sterblichkeit hinausblicken, wenn wir über sie hinausschreiten möchten. Mrs. Eddy schreibt: „Beim Gehen werden wir von den Augen geleitet. Wir schauen vor unsere Füße, und wenn wir weise sind, blicken wir über den einzelnen Schritt hinaus in Richtung des geistigen Fortschritts.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 429;
Die Jünger blickten nicht über die Kreuzigung hinaus. Nachdem Jesus begraben worden war, verließen Petrus und seine Nachfolger das Werk, das ihr Meister sie zu tun gelehrt hatte, und kehrten zu ihren Fischernetzen zurück. Aber ihr Blick wurde wieder gehoben, als Jesus sie vom Ufer des Sees aus ansprach und dazu ermutigte, ihre Netze auf der rechten Seite auszuwerfen. Sie machten nicht nur einen überaus reichlichen Fang, sondern fanden auch ein Mahl vor, das schon für sie bereitet war, als sie an Land gingen.
Haben wir jemals das Gefühl gehabt, daß alles verloren sei, und haben unserer Kirche den Rücken gekehrt und uns niederen Heilmethoden zugewandt oder sind wieder der Sünde verfallen? Der Christus, die wahre Idee Gottes, spricht noch heute zu uns und ermutigt uns, die verschwommenen materiellen Auffassungen geradewegs zu durchschauen und das Gute, das Gott getan hat, zu erkennen — ebendort, wo wir dachten, es gebe keine Hoffnung mehr. Ebendort ist die überreiche Fürsorge der Liebe imstande, unsere Demonstration von Kirche zu stützen, unsere Bemühungen, zu heilen, zu fördern und uns über das Böse zu erheben.
Maria schaute in das Grab, um ihren Meister zu finden, aber sie wurde aufgefordert, sich von dem Grabe abzuwenden, damit sie einen Blick von dem auferstandenen Christus erhaschen könne. Dadurch, daß sie diesem Ruf folgte, erkannte sie weit mehr, als sie je in einem leeren Grab gesehen hätte. Bisweilen richten auch wir unseren Blick so rigoros auf den Tod, einen kranken Körper oder eine sündige Einstellung, daß wir die Gegenwart des Christus nicht erkennen können, bis wir für seinen Ruf empfänglicher geworden sind. Mrs. Eddy gibt uns den weisen Rat: „Die Sterblichen müssen über die vergänglichen, endlichen Formen hinausblicken, wenn sie den wahren Sinn der Dinge erlangen wollen.“ ebd., S. 264;
Einer der frühen Christen lernte, wie man über die Grenzen der menschlichen Erfahrung hinausblicken kann. Der treue Johannes sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Er schaute durch den Nebel hindurch und sah die Wahrheit des Seins.
Mrs. Eddy bemerkt zu diesem Ereignis: „Der Offenbarer war noch auf unserer Daseinsebene und erschaute dennoch das, was das Auge nicht sehen kann — was für den uninspirierten Gedanken unsichtbar ist. Dieses Zeugnis der Heiligen Schrift unterstützt die Tatsache in der Wissenschaft, daß Himmel und Erde für das eine menschliche Bewußtsein, nämlich für das Bewußtsein, das Gott verleiht, geistig sind, während für das andere, für das unerleuchtete menschliche Gemüt, die Vision materiell ist.“ ebd., S. 573.
Durch sein Beispiel zeigte Christus Jesus einem jeden von uns, wie wir uns eine inspirierte geistige Schau zu eigen machen können. Sein Leben ist uns ein Vorbild; es zeigt uns, wie wichtig es ist, durch die Prüfungen zum Sieg — zur reinen Wirklichkeit — hindurchzuschauen. Er blickte über jedes Grab des materiellen Sinnes hinaus. Wenn wir die Vollkommenheit tatsächlich sehen und uns ihrer bewußt sind, wird jedes Problem seiner angeblichen Lebenskraft und Substanz beraubt.
Die Christliche Wissenschaft erinnert uns alle zur Osterzeit daran, unsere Betrachtungsweise von Tag zu Tag auf eine höhere Stufe zu heben und durch das Materielle hindurchzuschauen, damit unser Blick auf dem Wirklichen ruhen möge. Wir müssen über die begrenzenden materiellen Annahmen hinaus auf den weiten Horizont der geistigen Wahrheit blicken. Die Kraft und Beständigkeit unserer geistigen Schau führt uns durch jene abstumpfenden materiellen Erfahrungen hindurch und bringt uns für immer zu dem Licht des Lebens.