Gelegentlich hören wir, wie ein Kunstwerk unter einem anderen Gemälde entdeckt wurde. Jemand hat vielleicht bei einer Versteigerung oder in einem Speicher einen Fund gemacht. Ist da ein Bild unter dem Schmutz und Film verborgen? Wenn man ein zweites Bild vermutet, wird die Restaurierung meistens den geübten Händen eines Experten überlassen.
In der Christlichen Wissenschaft arbeiten wir, vom Standpunkt eines vollkommenen Gottes und vollkommenen Menschen aus, mit mentalen Bildern und bemühen uns immer, sie mit dem Original — dem Ebenbild Gottes — in Einklang zu bringen. Ja, Restaurierung ist ein Muß, wenn wir in der Richtung des Geistes vorwärtskommen möchten. Die Bilder, an deren Beseitigung wir arbeiten, sind das, was jeder von uns im Denken festhält und auf das tägliche Leben übertragen sieht: falsche Vorstellungen von uns selbst, unseren Angehörigen, unseren Freunden und Bekannten, von unserem Heim, unserer Kirche, unseren Tätigkeiten und unserem Beruf, von unserer Regierung usw. Eine ganze Bildergalerie!
Höchstwahrscheinlich müssen viele dieser Bilder mindestens gründlich gereinigt, wenn nicht radikal abgekratzt oder restauriert werden. Wenn sich das wie Arbeit anhört, so stimmt das. Arbeit, die sich lohnt, weil das Endresultat wunderbar sein kann! Wenn wir erst einmal unsere mentalen Bilder auf Hochglanz polieren und etwas von dem göttlichen Ebenbild freilegen, bekommen unsere persönlichen Beziehungen und Tätigkeiten erneut Glanz und Vitalität.
Christus Jesus, der Meister der Christen, verstand, daß geistige Restaurierung augenblicklich erfolgen kann. Sein geistiges Verständnis durchdrang die verhärteten Annahmen von Furcht, Krankheit, Verzweiflung und Tod, um das unberührte Originalbild zu enthüllen und in das menschliche Leben zu bringen. Dieses Original ist der wahre Mensch, den ein liebevoller Schöpfer, unser Vater-Mutter Gott, zu Seinem göttlichen Ebenbild geschaffen hat. Jesus sah das Original, nicht einen Aussätzigen, einen Krüppel, einen Epileptiker, einen Blinden, ein lebloses Kind, eine Prostituierte, einen toten Freund, einen Geisteskranken oder eine an Blutungen leidende Frau. Jesus erkannte, daß diese Illusionen des Elends lediglich Schichten hartnäckiger falscher Theorie waren, die wie ein über das Original gemaltes Bild die unsterbliche Darstellung oder den wirklichen Menschen verdecken möchten.
Das Denken des Meisters war rein, nicht durch menschliche Lehren verwirrt. Er entfernte den scheinbaren Belag des Irrtums so wirksam, daß die Heilung fast immer augenblicklich erfolgte. Er ließ sich nicht von dem Zeugnis des physischen Bildes beeindrucken. Er konnte sich von ihm abwenden und die reine geistige Schöpfung wahrnehmen, die vollständig, harmonisch und ewig ist.
Mrs. Eddy, die diese Fähigkeit des Meisters erkannte, schreibt im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 476;
Jesus war der Wegweiser, weil er so beispielhaft lehrte und heilte. Aber seine Heilmethoden waren jahrhundertelang in Vergessenheit geraten. Vor ungefähr hundert Jahren entdeckte Mrs. Eddy die Wissenschaft des Christus, der Wahrheit, und wandte sie praktisch an. Sie heilte in unserem Zeitalter und bediente sich der gleichen Heilmethode, die Jesus seinerzeit so vollkommen veranschaulicht hatte. Jeder ehrliche Sucher kann durch ihre ausführlichen Schriften ein klareres Verständnis von den in der Bibel enthaltenen Lehren gewinnen und lernen, „in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen“ zu sehen. Dieses Sehen schließt auch das Finden des korrekten Bildes von einer jeden Situation oder des „Bildes“ ein, mit dem wir bei unserer täglichen Arbeit konfrontiert werden.
Wenn das Bild zu sagen scheint: „Ich bin krank, und man kann nichts dagegen machen, weil die Krankheit erblich bedingt ist“, müssen wir die Nichtsheit des falschen Glaubens an Vererbung erkennen. Wenn wir daran festhalten, daß Gott der einzige Vater ist, der nichts Ihm Unähnliches erschafft, und dies wissen, entfernen wir die sich an der Oberfläche angesammelten medizinischen Theorien und fördern eine klarere Auffassung vom vollkommenen Sein zutage. Das ist Heilung!
Wenn das Bild ein bedrohliches Durcheinander von Disharmonie, Mangel oder Verzweiflung ist, können wir diese Schicht von Unwahrheit beseitigen. Wir können über das wahre Bild des harmonischen Universums beglückt sein: nämlich daß der Mensch sich in liebevoller Eintracht mit Gottes ganzer Schöpfung bewegt, frei und freudig, weil Gott ihn so geschaffen hat und ihn so erhält.
Stellt das Bild Einsamkeit, Unsicherheit oder Leere dar? Auch diese Schicht der Lüge muß entfernt werden. „Gott, der die Einsamen nach Hause bringt“ Ps. 68:7; könnte der Titel des freigelegten ursprünglichen Gemäldes sein — Gottes Kinder, wir alle, erfüllt mit Seiner niemals versagenden Liebe, niemals außerhalb Seiner uns umschließenden Arme, sicher in Seiner Obhut, eine große Brüderschaft.
Ein andermal könnte die Frage aufgeworfen werden, warum wir uns, wenn der wirkliche Mensch ewig und unzerstörbar und sowieso nicht in dieser zeitlichen Behausung, Körper genannt, ist, überhaupt mit ihm abgeben sollen. Warum das Bild nicht so lassen, wie es ist? Diese scheinbar harmlose, aber bösartige Suggestion muß als nur ein weiteres Zerrbild gesehen werden, das auf das wirkliche Bild gekleckst wird und es verdeckt. Mrs. Eddy geht auch darauf ein: „Weder das Alte noch das Neue Testament liefert Gründe oder Beispiele für die Zerstörung des menschlichen Körpers, wohl aber für seine Wiederherstellung zu Leben und Gesundheit als wissenschaftlichen Beweis von ‚Gott mit uns‘.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 218;
Als ich noch neu in der Christlichen Wissenschaft war, stand ich einem Problem an meinem Arbeitsplatz gegenüber. Eine Kundin, die häufig kam, war so unangenehm, daß jeder sich davor fürchtete, sie zu bedienen. Eines Tages, als die Frau wieder kam, wurde sie so rechtzeitig bemerkt, daß alle Angestellten schnell verschwinden konnten, um „Verschiedenes zu erledigen“. Auch ich war versucht, davonzulaufen. Doch an jenem Morgen hatte ich, bevor ich zur Arbeit ging, in der Bibellektion im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. etwas über den wirklichen, geistigen Menschen gelesen. Als ich über die tiefere Bedeutung nachdachte, erhaschte ich einen Schimmer von diesem Menschen, dem ewigen, gottähnlichen Selbst eines jeden von uns, das vollkommen in Christus ist.
Als die Frau in den Laden hereinstolzierte und mit durchdringendem Blick um sich schaute, ließ ich mich nicht einschüchtern. Ich stand ihr direkt gegenüber und sagte zu mir: „Ich kann nur den Christus sehen.“ Die Frau blieb, offensichtlich überrascht, stehen und sah mich dann strahlend an. Sie war freundlich und dankte mir später, daß ich ihr beim Einkaufen behilflich gewesen war. Jedesmal, wenn sie wieder in den Laden kam, verstanden wir uns gut.
Es spielt keine Rolle, was das trügerische Bild zu sein scheint. Heute wie zu Jesu Zeiten bezeichnet der Ausdruck „Legion“ die Vielzahl der menschlichen Leiden und Probleme. Damals wurden sie böse Geister genannt (s. Luk. 8:30). Aber die Christliche Wissenschaft lehrt, daß es nur einen Teufel oder ein Böses gibt — das Gegenteil von Allem oder Gott, nämlich nichts.
Ein Symbol, das dazu verwandt wird, „nichts“ zu bezeichnen, ist eine Null. Wir könnten eine Fläche mit einer Billion Nullen bedecken. Doch ihre Gesamtsumme wäre trotzdem null. Ebenso können wir unseren Krankheiten zahllose Namen geben, doch letzten Endes laufen sie auf Variationen des alten Themas von dem einen Bösen, nichts oder null, hinaus — auf ein falsches Gekritzel, das, wenn als wahr akzeptiert, das wahre Bild entstellen oder verdecken würde.
Das ursprüngliche Ebenbild der Schöpfung Gottes ist in unserem Bewußtsein immer gegenwärtig, wenn wir zuerst das wegwischen, was es zu verunstalten scheint. Wenn wir die Schichten falscher menschlicher Vorstellungen entfernen, das falsche Gemälde abkratzen, sehen wir „in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen“. Und Heilung muß stets das Ergebnis sein, denn wir haben das ursprüngliche Kunstwerk restauriert.
