Durch die Christliche Wissenschaft lernen wir eine der wunderbarsten Wahrheiten kennen, die es je gab und geben wird: Der Mensch kann niemals, auch nur für einen Augenblick, von Gott getrennt sein, weil er zugleich mit Ihm besteht. Der wahre Mensch lebt in geistiger Wirklichkeit; er ruht in ihr. Er ist eins mit seinem Vater-Mutter Gott, der ihm bereits alles Gute gegeben hat.
Aber wie können wir die Höhe dieses Verständnisses in einer Welt erreichen, die uns auf Schritt und Tritt das Gegenteil dieser Wahrheit beweisen will, nämlich daß der Irrtum der uns beherrschende Faktor zu sein scheint? Die falsche Annahme hält uns überall Bilder der Not, des Schreckens, der Sünde und Sterblichkeit entgegen — geradeso als gäbe es keine Möglichkeit des Entrinnens und als wäre Gott nur eine weit entfernte Macht.
Wie können wir uns von dieser falschen Vorstellung befreien? Gewiß nicht durch eigene Kraft. Wir brauchen göttliche Hilfe. Mrs. Eddy schreibt: „Die Schritte des Gedankens, die sich über den materiellen Standpunkt erheben, sind langsam und verheißen dem Wanderer eine lange Nacht; aber die Engel Seiner Gegenwart, die geistigen Intuitionen, die uns sagen, wenn, die Nacht ... vorgerückt, der Tag ... nahe herbeigekommen' ist — diese Engel sind unsere Hüter in dem Dunkel.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 174;
In der Bibel finden wir eine lebhafte Schilderung von Jakobs Traum. Er sieht eine Himmelsleiter, auf der die Engel Gottes auf und nieder steigen. Gott gibt Jakob die Zusicherung, daß das Land, auf dem er liegt, ihm und seinen Nachkommen gehören soll. Außerdem segnet Er Jakob und sagt ihm Seinen vollen Schutz zu. Als Jakob erwacht, ruft er aus: „Fürwahr, der Herr ist an dieser Stätte, und ich wußte es nicht!“ 1. Mose 28:16;
„Ich wußte es nicht“ ist oft der Grund, weshalb wir Gottes Gedanken nicht erkennen. Wir sehen nicht, daß Gott auch dort ist, wo wir gerade zu sein scheinen. Warum steigen wir nicht auf der Himmelsleiter mit Hilfe Seiner Engel Sprosse um Sprosse empor und sitzen schließlich nieder im demütig erlangten Wissen um die Einheit des Menschen mit Gott? Weil wir auf dieser Leiter nur dann höher steigen können, wenn wir uns von Seiner Wahrheit und Liebe emportragen lassen.
Wenn wir den Fuß auf die erste Sprosse setzen, schleicht sich vielleicht Furcht bei uns ein, um uns an unserem Aufstieg zu hindern, indem sie uns glauben machen will, er sei beschwerlich und mühsam. Aber die Engel Gottes steigen auf der Himmelsleiter auf und nieder. Und das bedeutet, daß einer von ihnen schon auf der untersten Sprosse steht und liebevoll sagt: „Fürchte dich nicht!“ Wenn wir die Botschaft hören und ihr glauben, können wir ohne Zögern unseren Aufstieg beginnen.
Wollen uns Eigenliebe oder Stolz hindern? Gottes Engel der Demut zeigt uns, daß diese Eigenschaften auf der Himmelsleiter keinen Platz haben. Und wir können unsere Bürde fallen lassen, um weiter emporzusteigen.
Aber hier sitzt breit und behäbig das sterbliche Selbst. Es ist kaum Platz genug, an ihm vorbeizukommen. Doch das Selbst hat nicht mit dem Engel der Selbstlosigkeit und der selbstlosen Liebe gerechnet, der uns zeigt, daß es nur ein Ego, Gott, gibt. Wenn wir das verstehen, gewinnen wir die Fähigkeit, weiterzusteigen. Wir fühlen uns leichter; denn wenn wir den falschen Begriff vom Selbst aufgeben, sind wir eine der schwersten Lasten los, die wir uns auferlegt haben.
Sünde oder sogar Tod mag uns bedrohen. Aber der Engel der Gesundheit ist bei uns. Er strahlt so viel Licht aus, daß wir uns als die Widerspiegelung des göttlichen Lebens erkennen und unseren Aufstieg fröhlich fortsetzen.
Vielleicht denken wir nun, alles sei geschafft, wir könnten unser Ziel mit Leichtigkeit erreichen. Aber es mag anders sein. Der Name des scheinbaren Übels ist Legion. Doch es gibt auch Legionen Seiner Engel, die uns umgeben. Für jede falsche Annahme steht eine richtige Idee für uns bereit.
Eine Illusion, die meinem eigenen Aufstieg auf der Himmelsleiter im Wege stand, war Ungeduld. Lange Zeit war es mir nicht möglich, geduldig auf etwas zu warten oder anderen Menschen Geduld entgegenzubringen. Obwohl ich mich immer von neuem darum bemühte, gelang es mir nicht, diese Annahme zu überwinden.
In der Nachkriegszeit, als wir unser gesamtes materielles Hab und Gut verloren hatten, schenkte mir eine Bekannte eines Tages eine uralte Nähmaschine. Diese Kostbarkeit wurde aber bald zu einem ernsten Problem für mich, da sie selten funktionierte. Doch ich brauchte sie dringend. Wenn die Maschine streikte, mußte ich alle Teile vorsichtig herausnehmen, um festzustellen, was nicht in Ordnung war. Manchmal fand ich es schnell, manchmal dauerte es sehr lange.
Schließlich wurde mir bewußt, daß ich Geduld lernen konnte und mußte. Von da an ging es besser. Es kam so weit, daß ich mit heiterer Gelassenheit nähte oder reparierte, je nachdem was gerade erforderlich war. Meine Maschine und ich befreundeten uns, und mit ihr konnte ich viele Kleidungsstücke nähen; seitdem fällt es mir leichter, durchweg geduldiger zu sein.
Gewiß haben wir alle ähnliche Erlebnisse, in denen wir Gottes Gedanken, Seine Engel — das Wirken des Christus —, spüren, die die Worte erfüllen: „Er wird deinen Fuß nicht gleiten lassen.“ Ps. 121:3. Solange wir um die Erkenntnis ringen, daß der wahre Mensch immer vollkommen und seine Einheit mit Gott eine wissenschaftlich beweisbare Tatsache ist, werden unsere Gedanken höher steigen, bis wir schließlich zur ewigen Wahrheit über uns selbst erwachen und uns als Sein Ebenbild erkennen.
