Vor etlichen Jahren wurde eine kleine Hochzeitsgesellschaft, zu der auch ich gehörte, vom Direktor eines theologischen Seminars durch die riesige Rockefeller-Gedächtniskirche auf dem Gelände der Universität Chikago geführt. Zu unserer Gruppe zählte noch ein Architekt und ein Landwirt aus dem Bundesstaat Iowa, den die junge Braut — meine Freundin — Onkel Billy nannte. Während der Theologe das herrliche Bauwerk als Stätte der Andacht pries, begutachtete der Architekt es als eine architektonische Errungenschaft. Zufällig fiel mein Blick auf Onkel Billy. Er drehte sich auf dem Absatz, den Kopf in den Nacken gelegt, starrte er an das unglaublich hohe Deckengewölbe. „Wieviel Heu ginge in diesen Bau wohl hinein?“ murmelte er vor sich hin.
Jeder betrachtete das Bauwerk vom Standpunkt seines eigenen Wirkens aus. Daran sieht man, wie subjektiv unser Standpunkt ist, wie sehr er unsere eigenen Vorstellungen widerspiegelt.
Ob wir angenehme oder unangenehme Erfahrungen bei der Arbeit machen, hängt weitgehend davon ab, wie wir über die Lage denken. Wir können uns abrackern und dabei bedrückt, gelangweilt, entmutigt sein, oder wir können die Gelegenheit nutzen, um für uns und alle anderen etwas Himmel auf die Erde zu bringen.
Wenn wir in der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) lernen, daß Gott vollkommene Intelligenz oder Gemüt ist, die Quelle allen wahren Seins, dann wird jede konstruktive Beschäftigung zu einer Gelegenheit, die göttlichen Eigenschaften widerzuspiegeln, etwas von der wahren Güte, von dem heilenden Christus, der Wahrheit, zu vermitteln. Unsere Arbeit wird dann weit mehr bedeuten, als nur den Lebensunterhalt zu verdienen oder ein Schauplatz für selbstsüchtige Zwecke und persönlichen Ehrgeiz zu sein.
Wir gehen nicht zu weit, wenn wir die Geschäftswelt als Ausdruck der Menschenliebe betrachten. Warum nicht? Sollte das Geschäftsleben nicht ein Beispiel der Barmherzigkeit sein, das Los der Menschheit erleichtern, Unproduktivität beseitigen, in die Arbeitsmethoden System bringen? Warum sollte nicht auch die Wirtschaft, ebenso wie die wahre Menschenliebe, die Menschen zu höheren, mehr geistigen Einstellungen anregen, die es ihnen ermöglichen, die Grenzen zu durchbrechen, die ihrer Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit willkürlich gesetzt werden?
Mary Baker Eddy, die die Christliche Wissenschaft entdeckte und gründete, schreibt: „Menschenliebe ist liebreich, veredelnd, umwälzend; sie weckt erhabene Wünsche, neue Möglichkeiten, Leistungen und Energien; sie legt die Axt an die Wurzel des Baumes, der nicht gute Früchte bringt; sie richtet das Denken auf geistige Dinge, macht das Handeln planvoll und sichert den Erfolg.. .“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 287;
Welch großartiges Vorbild für unsere Geschäfts- und Arbeitswelt!
Es ist eine Versuchung anzunehmen, daß ein Unternehmen vor allem mehr Mittel, Arbeitskräfte oder organisatorische Veränderungen braucht. Geistig gesehen, benötigt es jedoch grundsätzlich göttliche Ideen. Wenn wir die geistigen Höhen erklimmen, wo uns diese Ideen erwarten, und sie in unsere Lebensführung aufnehmen, werden wir sie in den notwendigen Dingen und Veränderungen ausgedrückt sehen — wo immer, wann immer und unter welchen Umständen wir sie brauchen.
Ein Christlicher Wissenschafter konnte dadurch, daß er sich bemühte, innige Liebe zum Ausdruck zu bringen — so wie sie von Christus Jesus betätigt wurde —, schwere Verschuldung und den Verlust eines großen Vermögens überwinden. Dies erweckte in ihm einen mehr geistigen Begriff von Besitz sowie das Bewußtsein des Wohlstandes, das die göttliche Liebe jedem einzelnen zuerkennt. Dadurch ergaben sich neue Möglichkeiten gewinnbringender Betätigung, und Geldmittel standen zur Verfügung, wann immer sie gebraucht wurden.
Hieraus können wir eine wertvolle Lehre ziehen: Wir sollten lernen, berufliche Erfahrungen, wie die vorstehend erwähnte, danach zu beurteilen, was sie uns gegeben, nicht was sie uns angetan haben. Wir sollten unsere Zukunftsaussichten nicht daran messen, was wir unserer Meinung nach auf der menschlichen Ebene nicht besitzen, sondern daran, was wir als Gottes Widerspiegelung als unsere geistigen Besitztümer erkannt haben. Geistige Größe, nicht persönliche Stellung müssen wir in unserer beruflichen Laufbahn anstreben. Wir sollten das lästige, sterbliche, persönliche Selbst beseitigen, denn es ist der Nährboden aller Probleme.
Wenn wir Gott als das einzige „Ich“ oder „Uns" erkannt haben, das wir einfach widerspiegeln, brauchen wir nicht länger zu glauben, daß alles, was recht ist, was im Einklang mit Gottes Willen steht, schwierig sein muß. Wir können nichts von uns selber tun. Wenn wir uns aber auf Ihn verlassen, können wir Berge versetzen!
Selbst wenn wir Stunde um Stunde und Tag für Tag am gleichen Schreibtisch sitzen oder die gleichen Handgriffe ausführen, können wir uns bewußt über die Eintönigkeit zu den grenzenlosen Horizonten erheben, die dem inspirierten Denken immer zugänglich sind. Wir können dazu erwachen, den Menschen in Begriffen der Unsterblichkeit zu sehen, so wie der himmlische Vater, Liebe, ihn erschaffen hat.
Wir müssen uns jedoch vergewissern, daß wir diese unendliche Idee nicht gewaltsam durch einen persönlichen, fleischlichen Begriff vom Menschen zu definieren suchen. Was Sie und ich auf einem Stuhl sitzen oder die Straße hinuntergehen sehen, ist nur ein begrenzter menschlicher Begriff von dem majestätischen göttlichen Geschöpf, das der Mensch in der Ewigkeit der Christlichen Wissenschaft ist. Nicht Materie, sondern geistiges Bewußtsein — das unkörperlich, unbehindert ist — stellt in Wirklichkeit Ihre und meine Substanz dar, unser Leben, unsere Identität, und dieses geistige Bewußtsein wird immerdar bestehen bleiben.
Wenn die wahren und unendlichen Dimensionen des Menschen für unseren geistigen Blick klarer in Erscheinung treten, verschwindet das Persönliche und Kleinliche nach und nach aus unserem Gesichtskreis. Das mentale Streiten und Klagen nimmt ab. Für den sterblichen Sinn wird es immer weniger möglich, uns entweder als Werkzeug oder als Opfer seiner verletzenden Kritik, seiner Temperaments-ausbrüche oder hinterhältigen, hypnotischen Suggestionen von Disharmonie zu benutzen.
Wenn wir uns selbst als das Bild des unsterblichen Gemüts sehen, werden wir unbesorgt sein und uns nicht durch Termine oder viel Arbeit unter Druck gesetzt fühlen. Wir werden gelassen und freundlich sein. Arroganz oder Feindseligkeit ist mit unserer wahren Natur unvereinbar. Gott hat uns geistige Intuition verliehen, die es uns ermöglicht, Situationen richtig zu erfassen, Gedanken richtig wahrzunehmen und vom Standpunkt des Prinzips aus intelligent und mutig zu handeln. Gemüt gibt uns Herrschaft über unsere Angelegenheiten.
Wir müssen die begrenzenden Klassifizierungen des sterblichen Gemüts in bezug auf Alter, Hautfarbe, Geschlecht und Nationalität rundweg leugnen und verurteilen. Geistig gesehen, ist jeder einzelne von uns eine vollständige Darstellung des Gemüts. Der vollkommene Ich Bin ist in Wirklichkeit unser Arbeitgeber, und als Sein Ausdruck werden wir beständig von Ihm gebraucht. Er schätzt und liebt uns!
Nichts — überhaupt nichts — kann eine göttliche Idee aus ihrer Bahn werfen, ihre ihr von Gott bestimmte Aufgabe an sich reißen oder ihren natürlichen Strom der Versorgung hemmen! Das ist ein göttliches Gesetz. „Was nun Gott zusammengefügt hat“ — in Form eines geeigneten Arbeitsplatzes und Angestellten — kann menschliche Furcht oder Unwissenheit nicht „scheiden“. Wir können aber auch nicht an eine Stellung gefesselt sein, zu der uns die göttliche Weisheit nicht geführt hat und hinsichtlich derer sie uns nicht anweist, dort zu bleiben.
Wir befinden uns immer in der Obhut unseres himmlischen Vaters. Wenn wir diese Tatsache völlig anerkennen, Seine Fittiche über uns fühlen und vorbehaltlos darauf vertrauen, daß Er menschlichen Eigenwillen zum Schweigen bringt und uns richtig führt, werden wir bei unserer Stellungsuche und der Ausführung unserer Arbeit viel mehr Erfolg haben. Wir können beweisen, daß jeder Schritt, den wir tun, eine Verbesserung bedeutet und uns mit tiefer Freude erfüllt.
Die meisten von uns erleben hin und wieder Augenblicke bei ihrer Arbeit, wo sie mehr Freude und mehr von dem Glanz empfinden sollten, der von Seele ausgeht. Eine düstere Stimmung stößt das Gute ab. Sie wirkt hindernd auf den geschäftlichen Erfolg und verzögert Beförderung. Selbstlose Freude wirkt anziehend. Sie fordert nicht heraus, und hat keine Angst, verletzt oder lächerlich gemacht zu werden. Diese Freude entspringt dem Ausdruck der Dankbarkeit für alles, was Gott ist und wozu Er uns erschaffen hat. Die ganze Güte der göttlichen Liebe ist gerade da, wo wir sind. Wir brauchen nur in zuversichtlicher Erwartung nach ihr zu suchen, sie anzuerkennen und beharrlich für uns in Anspruch zu nehmen!
Möglicherweise geben wir unseren Mitarbeitern und Vorgesetzten die Schuld an unseren Schwierigkeiten und unserer Freudlosigkeit — und dem sterblichen Sinn nach zu urteilen, kann es schon sein, daß sie falsch denken. Wenn wir es aber dabei bewenden lassen, wird das Problem nicht geheilt. Den Menschen entweder als Malpraktiker oder als Opfer der Malpraxis zu sehen ist nicht Christliche Wissenschaft. In Wahrheit gibt es nur ein Gemüt, Gott, und in der Unendlichkeit dieses heiligen Gemüts gibt es überhaupt keine Malpraxis. Das ist die heilende Wahrheit; und diesen Standpunkt müssen wir in der göttlichen Metaphysik vertreten.
Der Mensch, das Ebenbild des Gemüts, ist weder ein Schlachtfeld noch eine Müllkippe für falsche materielle Annahmen, seien diese nun unwissender, böswilliger oder bedauernder Art. Die Erkenntnis, daß die göttliche Liebe Alles ist, hilft uns, die Bitterkeit aus jeder Situation zu entfernen und die Angelegenheit zu bereinigen. Wir können nicht immer wissen, was unsere Mitarbeiter durchmachen, welche Ängste und Qualen an ihnen nagen mögen. Ist es dann nicht unsere Aufgabe, uns klarzumachen, daß die vollkommene Liebe den Menschen umgibt und motiviert, so daß keine begrenzende Vorstellung von uns selbst oder anderen übrigbleiben kann?
Die göttliche Vollkommenheit ist unveränderlich. Sie steigt und fällt nicht wie die Flut. Gottes Tätigkeit, Alles-in-allem zu sein, ist stark und entfaltet sich unaufhörlich auf geordnete Weise. Weltliche Annahmen von Inflation, Arbeitslosigkeit, Flaute, zweifelhafter Politik oder zusammenbrechenden Wirtschaftsverhältnissen berühren sie nicht. Die Demonstration der Allgegenwart des göttlichen Gemüts vereint die zusammengehörigen Elemente. Sie bewirkt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, so daß sich alle Komponenten des wahren Ausdrucks in bezug auf Qualität und Quantität und in zeitlicher Hinsicht ergänzen. Universale Zufriedenheit ist des Vaters Wille für alle Seine Kinder.
„Die ... ihren Handel auf großen Wassern [trieben]“, lesen wir in den Psalmen, „die [haben erfahren] des Herrn Werke ... und seine Wunder auf dem Meer ... Er machte das Trockene wieder wasserreich und gab dem dürren Lande Wasserquellen und ließ die Hungrigen dort bleiben, daß sie eine Stadt bauten, in der sie wohnen konnten, und Äcker besäten und Weinberge pflanzten, die jährlich Früchte trugen. ... Das werden die Frommen sehen und sich freuen.“ Ps. 107:23, 24, 35–37, 42.
Geistig gesehen, können wir bei unserer Arbeit — ganz gleich bei welcher — überragenden Erfolg erzielen. Wir können uns gedanklich auf die Höhe erheben, wo wir erkennen, daß die gesamte Wirtschaftswelt einen unendlichen göttlichen Einfluß widerspiegelt, der allen etwas Interessantes und Befriedigendes bietet und sicheren Frieden bringt, der durch nichts genommen werden kann!
Öffne mir die Augen,
daß ich sehe die Wunder an deinem Gesetz.
Führe mich auf dem Steig deiner Gebote;
denn ich habe Gefallen daran.
Psalm 119:18, 35
