Ein Chemiker kann einem Gemisch einen chemischen Stoff zusetzen und dadurch eine Reaktion auslösen, die das Ausgangsprodukt so grundlegend verändert, daß daraus etwas Neues und Brauchbares entsteht.
Wenn Hefe unter einen Teig gemischt wird, setzt eine chemische und biologische Reaktion ein, die, unter einem Mikroskop betrachtet, wie ein erbitterter, furchtbarer Kampf aussieht. Aber durch diesen Vorgang wird — zusammen mit der Backofenhitze — der Teig derart verändert, daß daraus ein lockerer, warmer Brotlaib wird.
Auch im menschlichen Charakter gibt es „chemische“ Vorgänge. Grundsätzlich sind diese nicht physischer, sondern mentaler und moralischer Natur, obgleich sie tatsächlich das körperliche Wohlbefinden beeinflussen. Im latenten und bewußten menschlichen Denken liegen Begriffe und Eigenschaften oft im Widerstreit, die Männer und Frauen individuell und kollektiv aufrütteln.
Begriffe, die reine, allumfassende Güte, Gerechtigkeit und Liebe widerspiegeln, reagieren nicht aufeinander und bekämpfen sich nicht, sondern vermischen sich harmonisch miteinander wie Zucker und Sahne und bringen jeweils das Beste im andern hervor. Alle Eigenschaften des Christus, der Gottes göttlichen Charakter widerspiegelt, sind durch und durch gut, und im geistigen Universum des göttlichen Gemüts bewegen sich alle Elemente in völliger Harmonie.
Aber das menschliche Gemüt, das dem Baum der Erkenntnis im Garten Eden gleicht, ist davon überzeugt, daß das Böse und das Gute wirklich sind. Diese gegensätzlichen Elemente stehen in heftigem Widerstreit und können sich nicht vermischen. Sie müssen im menschlichen Denken so lange aufeinander einwirken, bis schließlich die göttliche Macht des Guten jeden Begriff vom Bösen im Bewußtsein der Menschheit auslöscht. Es ist die Aufgabe des Christus, alles Böse zu zerstören. Der Christus verändert das menschliche Leben von Grund auf.
Die Christliche Wissenschaft, die dem Hauptgedanken in der Bibel treu bleibt, lehrt, daß die Nichtsheit des Bösen bewiesen werden kann. Das ist eine radikale Behauptung, da die materiellen Sinne dem Bösen denselben, wenn nicht einen höheren Wert als dem Guten beimessen. Die biblische Geschichte und ihre Lehre betonen die Allerhabenheit des Heiligen Geistes über jede Form des Bösen. Die Wunder, von denen sowohl das Alte wie das Neue Testament berichtet, deuten klar auf die Nichtsheit der Materie und des Bösen hin. Gott, Geist, ist nicht nur gut — das Gute selbst ist Gott, Geist.
Moralische Chemikalisation ist harmlos
Die menschliche Natur glaubt, persönliche Schwächen seien ein wesentlicher Bestandteil des Charakters und ihre Beseitigung gleiche daher einer Amputation. Einem Fehler oder einer Schwäche gegenübertreten zu müssen kann erschreckend sein. Aus diesem Grunde verbergen gute Menschen manchmal ihre Schwächen — oder sie verbergen sich vor ihnen. Aber die menschliche Natur muß sich der göttlichen Chemie unterwerfen.
Der Christus, die Wahrheit, die Jesus in seinem Leben zum Ausdruck brachte, verändert den menschlichen Begriff vom Selbst von Grund auf. Die Tatsache, daß das Böse nichts ist, bedeutet buchstäblich, daß etwas Böses in unserer menschlichen Natur letzten Endes kein Teil von uns ist. Nur das, was die reine Güte der göttlichen Liebe widerspiegelt, gehört zu unserer wahren individuellen Veranlagung. Alles andere ist ein Schatten, den die Unwissenheit von der Allheit des Guten wirft. Die Menschen leiden viel, weil sie nicht verstehen, daß jeder von uns tatsächlich das Kind des göttlichen Lebens ist und die Schönheit, Herrlichkeit und Reinheit des Gemüts unverändert widerspiegelt. Sünde, Krankheit, Schwachheit, tierische Natur und organische Form sind nicht die wahren Bestandteile des menschlichen Charakters, sondern durch Unwissenheit hervorgerufene Täuschungen. Eine Berichtigung im christlichen Sinn bedeutet daher keineswegs eine Amputation; sie ist ein Läuterungsprozeß, bei dem alles entfernt wird, was nicht dem wahren Charakter entspricht.
Christus Jesus brachte in seinem Leben unermeßliche Güte und reine Liebe zum Ausdruck. Er lebte, um die ganze Menschheit zu heilen und zu erlösen. Seine Lehre und sein Vorbild sollten „Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ Luk. 2:14; bringen. Und doch sagte er: „Meinet ihr, daß ich hergekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht.“ 12:51; Aber er sagte auch: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.“ Joh. 14:27; Seine Mission bestand nicht darin, die menschliche Natur zu beruhigen, sondern sie zu reinigen. Nur in der Reinheit liegt Frieden. Dadurch, daß er auf geistiger Lauterkeit, selbstloser Liebe und Gehorsam gegenüber dem göttlichen Prinzip beharrte, griff er moralische Feigheit, Heuchelei und jede Art von Selbstsucht und Sinnlichkeit wirksam an. Er brachte jeden Kompromiß mit dem Bösen zum Kentern und stellte halbherzige Aufrichtigkeit bloß.
Durch Heilung werden Denken und Körper umgewandelt
Christlich-wissenschaftliche Behandlung bringt mentale Chemikalisation mit sich. Der Christliche Wissenschafter beschäftigt sich ausschließlich damit, die christlichen Eigenschaften der göttlichen Liebe unverfälscht zum Ausdruck zu bringen, die alles Entgegengesetzte neutralisieren und auslöschen. Diese Tätigkeit erweckt im Denken des Patienten das Bewußtsein von Gottes Gegenwart. Sie befähigt ihn, die machtvolle mentale und geistige Wirkung der Liebe und Wahrheit im Gemüt und im Körper zu verspüren. Solche Eigenschaften Gottes üben einen starken Einfluß aus. Sie versinnbildlichen die Kräfte der göttlichen Güte, die alles wahre Fühlen und alle wahre Substanz ausmachen. Die geistige und moralische Chemie der Christlichen Wissenschaft, die im bewußten und unbewußten Denken tätig ist, wirkt sich unmittelbar auf den Körper aus. In dem Maße, wie wir unsere Liebe und unsere Motive durch die Eigenschaften des Christus läutern, lösen sich die Schmerzen und Belastungen, die auf dem Glauben an den Körper beruhen, und verschwinden.
Der physische Körper selbst ist eine Annahme — ein Gedanke — in seinem Wesen und Aussehen, seiner Form und seinen Eigenschaften. Daher zeigt der Körper die Symptome des Denkens. Wahre Gedanken sind aufrichtig und kommen von Gott. Die Erscheinungsformen des Bösen sind keine wahren Gedanken, da es kein Gemüt außer dem unendlichen, göttlichen Gemüt gibt und von Gott keine bösen Gedanken kommen. Destruktive Einflüsse und Gefühle sind daher nichts anderes als leere Suggestionen, niemals wirkliche Gegebenheiten.
Fügt man dem menschlichen Denken die geistige Hefe des Göttlichen zu, kann dies anscheinend im Bewußtsein und im Körper einen heftigen Kampf entfachen. Doch dieser Prozeß verändert den menschlichen Zustand und bringt Sicherheit, Gesundheit, Moral und Schönheit hervor.
Mrs. Eddy erklärt dies folgendermaßen: „Ebenso wie eine Säure und ein Alkali, die zusammenkommen, einen dritten Stoff hervorbringen, so verwandelt die mentale und moralische Chemie die materielle Grundlage des Denkens, verleiht dem Bewußtsein mehr Geistigkeit und veranlaßt es, sich weniger auf den materiellen Augenschein zu verlassen. Diese Veränderungen, die im sterblichen Gemüt vor sich gehen, dienen dazu, den Körper zu rekonstruieren. Auf diese Weise zerstört die Christliche Wissenschaft durch die Alchimie des Geistes Sünde und Tod.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 422;
Die vollkommene Wahrheit räumt unbarmherzig die moralischen Schlacken aus, die kein Teil der menschlichen Natur sind. Aber gegen die Menschen selbst ist sie nicht unbarmherzig. Wenn wir Schmuck kaufen, achten wir darauf, daß das Gold rein und die Brillanten makellos sind. Wenn wir lieben und selbst geliebt werden wollen, sollten wir in Wirklichkeit zu keinem Kompromiß der Selbstsucht bereit sein. Wir suchen reine Liebe, die nie versagt, nie lügt und uns nie verläßt. Wenn wir Heilung suchen, suchen wir nicht lediglich Erleichterung von Symptomen. Wir wünschen uns echte Gesundheit — mentale Unversehrtheit.
Wahrheit mag uns manchmal etwas aufrütteln. Doch welch ein Lohn, von allem Irrtum frei zu sein! Solange wir uns scheinbar mit dem Bösen und dem Guten identifizieren, spüren wir den Aufruhr, den Wahrheit verursacht, damit alle unwirklichen Annahmen ihren Halt verlieren und sich auflösen.
Wir werden am besten mit dem durch die moralische Chemikalisation verursachten Aufruhr fertig, wenn wir uns von den unwirklichen Eigenschaften, die an die Oberfläche kommen, trennen. Wird Gold geläutert, verändert es sich nicht; es wird nur offenbar. Bei der geistigen Läuterung verändert sich der wahre Mensch nicht; er wird offenbar. Er leidet auch nicht durch die Umwälzung. Schmerz, Verwirrung und Leid sind Schlacken, und im Licht der Christlichen Wissenschaft gesehen, ist die Umwälzung so unwirklich und schmerzlos wie der ursprüngliche Irrtum. Wenn wir im Garten Löwenzahn ausreißen, ist das für die Pfingstrosen nicht schmerzhaft.
Das Wesen der Sünde ist ein falscher Begriff vom Selbst. Das Wesen des wahren Selbst ist der Christus, die Widerspiegelung des göttlichen Geistes. Daher finden wir unser wahres Selbst nicht durch schmerzhafte, belastende Psychoanalyse unserer verstörten Gefühle und Persönlichkeit, sondern durch die freudige Entdeckung der wunderbaren gottverliehenen Eigenschaften und herrlichen schöpferischen Kräfte, die das Wesen unserer Reinheit und Vollständigkeit ausmachen. Die Schätze unserer wahren Güte sind wie Lichter, die augenblicklich die Schatten auflösen, auf die sie fallen. So werden Haß, Furcht, Begierde und Falschheit zerstört.
Die Verabreichung medizinischer Präparate hat nichts mit der Heilmethode des geistigen Christus zu tun; noch wurden sie von Christus Jesus angewandt. Nur wenn göttlich gute mentale und moralische Elemente dem menschlichen Gemüt verabreicht werden, ist Harmonie möglich. Die Begriffe und Eigenschaften des Christus — verstanden und widergespiegelt — sind Gottes Rezept zur Heilung einer Welt, die moralisch und physisch aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Christus rüttelt die Jahrhunderte auf
Die Wirkung, die das Beispiel Christi Jesu hatte, glich einer fühlbaren geistigen und moralischen Kraft, die im Bewußtsein der Welt am Werk war — mit der erschütternden Gewalt eines Erdbebens. In den darauffolgenden Jahrhunderten wurde eine Vielzahl von Theorien — auf dem Gebiet der Religion, der menschlichen Gesellschaft und Medizin — erschüttert, wie Jesus es vorausgesagt hatte. Doch mit der Umwälzung, die sich im Denken vollzog, dämmerte hier in Wirklichkeit der Respekt für Individualität, Freiheit, Ehrlichkeit, universale Gerechtigkeit, Liebe auf — mit anderen Worten, christliche Elemente. Das göttliche Licht fällt in die mentale Dunkelkammer des verborgenen Bösen ein, und alle seine Negative werden ruiniert — als unwirklich aufgedeckt.
Man kann die sterbliche Geschichte als schrecklichen Aufruhr betrachen, oder aber als den Kreuzzug des Christus, der Wahrheit, die alles ihr Unähnliche aufrührt und zerstört und darauf besteht, daß Reinheit, Weisheit und Liebe das universale menschliche Bewußtsein gefangennehmen und es beherrschen. Die Macht geistiger Liebe bezwingt den Goliath des Materialismus und kehrt die Fluten der Sünde um.
In der Bibel lesen wir: „So spricht Gott, der Herr: ... Zu Trümmern, zu Trümmern, zu Trümmern will ich sie machen — aber auch dies wird nicht bleiben —, bis der kommt, der das Recht hat; dem will ich es geben.“ Hesek. 21:31, 32;
Christus Jesus wurde gekreuzigt, weil seine Ankläger von ihm sagten: „Er wiegelt das Volk auf.“ Luk. 23:5. Und das tat er auch. Er rüttelte die Jahrhunderte auf. Und in natürlicher Folge erschüttert heute die Christliche Wissenschaft unentwegt die noch bestehenden falschen Anschauungen der Menschheit.
Das zwanzigste Jahrhundert ist von dieser Chemikalisation gezeichnet. Die endgültige Chemikalisation begann, als Mrs. Eddy die Christliche Wissenschaft der gesamten Mischung des weltlichen Denkens hinzufügte. Das furchterregende Böse und der großartige geistige Mut, die in diesen Jahrzehnten an die Oberfläche kommen, sind die Vorläufer des absoluten Sieges, den die Wahrheit über den Irrtum davontragen wird.
Gewiß können wir die Unruhen, die unsere Zeit ergriffen haben, verstehen und uns in der Tatsache geborgen fühlen, daß nichts Wirkliches erschüttert wird. Kriege, Verbrechen, Hungersnot, wirtschaftliches Chaos, Stürme und Erdbeben können das Fundament unseres geistigen Lebens und unsere Individualität nicht zerstören. Welch böse Eigenschaften es auch sind, die weggeschwemmt werden, welch begrenzende Elemente sich auflösen, zwei entscheidende, grundlegende Eigenschaften des Menschen halten stand: seine Individualität und sein Bewußtsein. Niemand wird diese Eigenschaften verlieren, während das Böse sich selbst zerstört. Jeder wird schließlich die Majestät seines ewigen, individuellen, bewußten Seins im Gemüt klar erkennen. Die Illusion des arroganten, unwissenden Bösen wird — zusammen mit dem unangenehmen Aufrütteln — für immer vergessen sein.
Freiheit von allem Bösen ist die endgültige Zukunft der Menschheit. Welchen Aufruhr die Sinne auch wahrnehmen, wie heftig der Kampf auch sein mag, die Tatsache bleibt bestehen, daß jeder von uns im Himmel der göttlichen Wirklichkeit sicher geborgen ist. Durch den Christus, der dem Gemisch aus sterblichen Theorien immer mehr reine Wahrheit und unverfälschte Liebe zusetzt, werden die illusorischen Nöte menschlicher Unwissenheit aufgelöst und völlig verschwinden. Die Menschheit wird zu ihrer Freude der Tatsache gewahr, daß alles Leiden Illusion ist, und sie wird die unvergängliche Harmonie des guten und einzigen Lebens preisen.