Wie sind einige der größten Fortschritte in Kunst und Wissenschaft zustande gekommen? Dadurch, daß jemand das vorherrschende orthodoxe Denken herausforderte. Fortschritt ist oft darauf zurückzuführen, daß wir allgemein anerkannte Vorstellungen und populäre Annahmen in Frage stellen. Ganz gewiß hat Christus Jesus mit seinen Lehren und Werken die theologischen Theorien und Praktiken seiner Zeit herausgefordert. Sein ganzes Leben, seine Heilungen, seine Aufgabe erschütterten die Orthodoxie, die materiellen Konventionen, in ihren Grundfesten.
Man möchte fast sagen, daß die Pharisäer die Orthodoxie verkörperten. Christi Jesu Jünger verletzten ihre Vorstellung vom Sabbat, als sie auf dem Felde Ähren pflückten, um an dem Tag mit ein paar Körnern ihren Hunger zu stillen. Jesus, der verstand, daß Gott der Gesetzgeber aller Gesetze ist und alles Sein beherrscht und lenkt, erschien den Pharisäern recht unorthodox. Und doch war er es, der diese Situation von einem geistigen Standpunkt aus ins rechte Licht rückte. Er erwiderte ihnen: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ Mark. 2:27;
Die Wissenschaft des Christus erschüttert ebenfalls das allgemeine sterbliche Denken in seinen Grundfesten: Sie stellt die Verläßlichkeit der Sinne in Zweifel; sie bestreitet die Annahme, der Mensch sei fleischlich und sterblich. Sie kehrt dieses sinnliche Erscheinungsbild um und behauptet, der Mensch sei makellos und nicht fleischlich.
Jede christlich-wissenschaftliche Heilung oder Demonstration ist eine erfolgreiche Herausforderung an die Orthodoxie — an die Annahme, die viele Menschen vertreten, daß Gesundheit und Therapie vor allem in den Bereich der Körperlichkeit, der Medikamente, der Chirurgie und dergleichen gehörten. Andererseits werden die grundlegend falschen Annahmen der sterblichen Vernunft nicht durch Glaubensheilungen, auf der Psyche basierende Heilverfahren und andere menschliche Gemütskuren herausgefordert, vielmehr suchen diese Verfahren innerhalb dieser Annahmen zu arbeiten.
Wir brauchen Mut, moralische Energie und geistige Vitalität, um die beinahe universellen Denkweisen mental herauszufordern und bis zu ihrer Heilung durchzuhalten. Und wenn wir die Christliche WissenschaftChristian Science (kr'istjən s'aiəns) studieren und anwenden, gibt sie uns das erforderliche Verständnis von Gott und dem Menschen.
Haben wir es mit einer Krankheit zu tun, die unserer gebeterfüllten Behandlung scheinbar nicht weicht, sollten wir uns vielleicht fragen: Welche allgemeinen, stereotypen Gedanken akzeptiere ich? Mit welchen populären Ansichten über Gott und den Menschen gebe ich mich zufrieden? Derartige ehrliche Fragen können spezifische Annahmen aufdecken, die wir verneinen müssen. Allerdings sollten diese Fragen von der Erkenntnis geleitet werden, daß Gottes Augen zu rein sind, als daß Er Böses ansehen könnte. s. Hab. 1:13; Wenn wir uns diese Betrachtungsweise zu eigen machen, stellen wir fest, daß die Heilung eingetreten ist.
Je mehr wir unsere Vorstellung von Gott und dem Menschen in Übereinstimmung mit der Christlichen Wissenschaft läutern, um so klarer wird uns, daß wir mit Annahmen, deren einziger Gültigkeitsbeweis ihre Popularität ist, keine Kompromisse zu schließen brauchen. Wir können falschen Suggestionen erfolgreich entgegentreten und auf eine für das menschliche Denken ganz unorthodoxe Weise heilen. Vom Standpunkt der offenbarten Wahrheit in der Christlichen Wissenschaft ist allein die sterbliche Annahme unorthodox. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, dreht den Spieß gegen derartige Annahmen um und schreibt: „Die Theorie, daß Geist nicht die einzige Substanz und der einzige Schöpfer ist, ist pantheistischer Irrglaube, der in Sünde, Krankheit und Tod endet; sie ist die Annahme von einer körperlichen Seele und einem materiellen Gemüt, einer vom Körper beherrschten Seele und einem Gemüt in der Materie.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 257;
Offen gesagt, manchmal müssen wir wachsam gegenüber christlich-wissenschaftlichen, „Orthodoxien“ sein — Meinungen über die Wissenschaft und ihre Anwendung —, die, wenn auch teilweise richtig, die radikalen christlichen und metaphysischen Standpunkte der Christlichen Wissenschaft vermissen lassen. Wir mögen uns z. B. der Kirchenarbeit widmen, ruhen uns aber vielleicht auf einer geistigen Ebene bequem aus. Vielleicht arbeiten wir nicht kraftvoll genug daran weiter, größere Höhen des Verständnisses zu erreichen. Wir könnten z. B. in unserer mentalen Arbeit immer noch davon ausgehen, daß wir Sterbliche seien, die versuchen, sich zum Bilde Gottes zu wandeln, anstatt die radikale Wahrheit zu akzeptieren und zu leben, daß Gott uns zum Bilde Gottes erschaffen hat und uns als Sein Gleichnis aufrechterhält.
Wichtig ist, daß wir mit aller Kraft unser individuelles Verständnis entwickeln, indem wir die Wahrheiten akzeptieren, die vom göttlichen Gemüt stammen und in den wissenschaftlichen Gedanken zum Ausdruck kommen, die sich durch die Bibel hindurchziehen und in Mrs. Eddys Schriften erklärt werden. Wenn wir in der Christlichen Wissenschaft beständig Fortschritte machen wollen, können wir es uns nicht leisten, uns mit unklaren Vorstellungen von ihrer Lehre und deren Anwendung zufrieden zu geben.
Unentwegt tritt Mrs. Eddy in ihren Schriften den, wie sie es nennt, „vorherrschenden Theorien“ entgegen. Sie ließ sich nicht durch populäre Hypothesen einschüchtern. Wenn nötig, trat sie ihnen entgegen und bewies durch ihre eigene Heilarbeit, daß diese Hypothesen keine Gültigkeit haben. Sie hatte eine weltumfassende unerschütterliche Vorstellung von Gottes Liebe. Und diese Liebe war für sie etwas Praktisches und Demonstrierbares. Nichts Geringeres erkannte sie an. Sie schreibt: „Die Heilige Schrift lehrt uns: ‚Alle Dinge sind möglich bei Gott‘ — alles Gute ist dem Geist möglich; aber unsere vorherrschenden Theorien leugnen dies tatsächlich und machen das Heilen nur durch die Materie möglich. Diese Theorien müssen unwahr sein, denn die Heilige Schrift ist wahr.“ ebd., S. 232.
Die Wirtschaft ist labil. Man erörtert die Frage, wie größere Stabilität erreicht werden könnte. Wirtschaftstheorien und -philosophien werden heiß diskutiert; einige nehmen die klassische Wirtschaftslehre in Schutz, andere wiederum behaupten, wir brauchten dringend neue, unorthodoxe Lösungen. Die Christliche Wissenschaft geht in dieser Frage von grundsätzlich anderen Voraussetzungen aus; sie schreibt Ursprung und Steuerung von Angebot und Nachfrage, Kreativität, Produktivität und Substanz allein Gott zu. Individuell müssen wir die geistige Tatsache der Substanz mit Hilfe der Christlichen Wissenschaft demonstrieren. So werden wir einen bedeutenden Beitrag leisten, um der orthodoxen Wirtschaftslehre der Sterblichen, die auf der Begrenzung des Guten beruht, durch unsere Herausforderung Heilung zu bringen, gleich welche Form diese Orthodoxie auch annehmen mag.
Jeder von uns, jeder Leser dieser Zeitschrift, kann lernen, wie er den beschränkten, konventionellen und materiellen Erklärungen über Leben, Dasein und den Menschen so entgegentreten kann, daß sie geheilt werden, und sich die Tür zur geistigen Erkenntnis — zum Himmelreich — öffnet.