Die meisten von uns geben sich viel Mühe und beten ernstlich darüber, welche Stellen sie für eine Lesung nehmen sollen, wenn ihnen die Entscheidung überlassen bleibt. Doch ehe Sie nicht die Stellen laut gelesen haben, wissen Sie nicht, wie sie sich anhören. Bedenken Sie: Mündliche Kommunikation unterscheidet sich anhören. Bedenken Sie: Mündliche Kommunikation unterscheidet sich wesentlich von schriftlicher Kommunikation. Ihre Zuhörer haben das geschriebene Wort nicht vor Augen — schön in Absätze aufgeteilt und mit Interpunktionszeichen versehen. Aber Sie haben es. Ihre Zuhörer hören nur den Klang Ihrer Stimme. Wenn Sie den Text vorlesen, übersetzen Sie geschriebene Gedanken in gesprochene Gedanken. Um gut „zu übersetzen“, d. h., um die volle Bedeutung zu vermitteln und um die Lesung im Konversationsstil zu halten, interessant und natürlich anstatt eintönig und gekünstelt, müssen Sie laut üben.
Üben Sie zunächst allein, denn Sie können viel mehr das Für und Wider abwägen, wenn niemand anders zuhört. Wenn Sie dann glauben, daß Sie den Text beherrschen — daß Ihre Stimme und Sprechweise die Ideen zum Ausdruck bringen, die Sie lesen —, ist der Zeitpunkt gekommen, ihn jemandem vorzulesen, sofern Sie das überhaupt wollen. Wenn Sie Leser einer Zweigkirche sind, ist es unerläßlich, mit dem anderen Leser laut zu üben. Wenigstens einmal sollte in der Kirche zur Probe gelesen werden. Aber es ist am besten, wenn Sie erst allein üben und danach als Team die Lektion wie aus einem Guß gestalten.
In vielerlei Hinsicht ist es wichtig, laut zu üben.
1. Nichts kann einem sonst guten Lesestil mehr schaden, als daß unmotiviert Pausen gemacht werden, nur weil man nicht genug Atem hat. Haben Sie mit normaler Stimme laut geübt, dann wissen Sie, wo lange Sätze sind und wie sie gelesen werden müssen, ohne mitten im Satz Atem zu holen.
2. Das Lautlesen bietet die beste Möglichkeit, die eigene Aussprache zu prüfen. Bereitet Ihnen ein Wort oder eine Wortgruppe Schwierigkeiten, dann sollte dieser Teil so lange mit wechselndem Sprechtempo oder unterschiedlicher Betonung für sich geübt werden, bis Sie ihn mit Leichtigkeit sprechen können.
3. Durch Üben erkennen Sie, wie Sie den Sinn einer Stelle herausarbeiten können. Versuchen Sie es auf verschiedenerlei Weise: Variieren Sie die Länge Ihrer Pausen, ändern Sie die Betonung oder die Modulation, lesen Sie mal lauter, mal leiser — natürlich immer so, wie es der Gedanke erfordert, den Sie zum Ausdruck bringen wollen, niemals rein mechanisch. Mrs. Eddys Schriften und die Bibel können verschieden gelesen werden, so daß viele Aspekte deutlich werden. Es gibt keine „richtige Leseart“, denn wie eine Stelle gelesen wird, hängt immer vom Zusammenhang ab — von dem, was vorausgeht, und dem, was folgt —, und das ändert sich oft.
4. Wenn Sie meinen, daß in Ihrer Lesung die Gedanken so zum Ausdruck kommen, wie Sie sich das vorgestellt haben, nehmen Sie sie auf Band auf. Warten Sie aber einige Stunden, vielleicht auch bis zum nächsten Tag, damit Sie ein wenig Abstand gewinnen; hören Sie erst dann die Aufnahme ab. Prüfen Sie, wie sie auf Sie wirkt. Haben Sie die Bedeutung der Ideen deutlich zum Ausdruck gebracht? Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten oder zögerten Sie irgendwo bei der Aussprache? Wenn die Lesung nicht so ausdrucksstark ist, wie Sie es beabsichtigt haben, befassen Sie sich noch einmal mit jenen Stellen — lesen Sie sie wiederholt laut, um herauszufinden, was Sie verbessern könnten. Manchmal werden Leser dadurch bestärkt, bei einem guten Sprachpädagogen Sprechunterricht zu nehmen.
Laut zu üben kann Spaß machen, aber auch eine Herausforderung bedeuten. Ein weiterer Pluspunkt liegt in folgendem: Sie werden staunen, wieviel besser Sie das verstehen, was Sie lesen, und Sie werden die Inspiration empfinden, die das mit sich bringt.
„Die Geduld aber soll ihr Werk tun bis ans Ende, auf daß ihr seid vollkommen und ohne Tadel und kein Mangel an euch sei.“ Jak. 1:4.
[Aus dem Christian Science Journal vom Oktober 1977]
