Sehkraft ist eine unvergängliche Fähigkeit des unendlichen Gemüts, Gottes. Sie ist weder organisch bedingt noch wechselhaft. Als Idee Gottes hat der Mensch diese Wahrnehmungskraft ― sie ist klar, deutlich und beständig.
Die Sehkraft ist die alles erkennende Tätigkeit des göttlichen Bewußtseins. Diese Fähigkeit gehört zum Allwirken Gottes. Ihr Bereich ist unendlich und bringt die Allgegenwart des Gemüts zum Ausdruck; ihre Klarheit spiegelt die Leuchtkraft der Wahrheit wider; in ihrer Schärfe zeigt sich die unwandelbare Genauigkeit des göttlichen Prinzips; und ihre Unvergänglichkeit beruht auf der Ewigkeit des einen Ego. Daher zeigt wahre Sehkraft den Bereich, die Klarheit, die Schärfe und die Ewigkeit des göttlichen Bewußtseins auf.
Das unsterbliche Gemüt ist die eine Ursache, die durch sich selbst besteht und sich im Menschen und im Universum zum Ausdruck bringt. Die Ideen des Gemüts werden im göttlichen Bewußtsein erhalten, sie können sich niemals außerhalb befinden. Das Wesen jeder Idee, ihre Substanz und Form, wird vom Gemüt erschaffen und erhalten. Der Schöpfer ist sich jeder Idee ewiglich bewußt und kennt sowohl ihre Umrisse als auch jede kleinste Einzelheit ihrer Identität.
Der Mensch ist die höchste Idee des Gemüts. Seine Wahrnehmungskraft ist keine selbständige Fähigkeit, sondern eine Offenbarwerdung des allsehenden Gemüts. Der Mensch nimmt seinen Ursprung, seine eigene Identität und seine Beziehung zu seinem Schöpfer deutlich wahr.
Da das göttliche Gemüt unendlich ist, gibt es keine widerstreitende Macht, die die wahre Sicht trüben könnte, keine Trennung des Gemüts von seinem Ebenbild. In der Unendlichkeit der Wahrheit kann es keine Unklarheit geben. Die Sehkraft kann weder nachlassen noch zerstört werden. Sie bleibt für immer unversehrt.
Der sterbliche Sinn widerspricht diesen Tatsachen. Er schreibt dem Menschen physisches Empfinden zu and besteht darauf, daß das Sehen eine körperliche Funktion, organisch bedingt und zeitlich ist.
Diese Unklarheit, die materielle Vorstellung vom Dasein, ist der eigentliche Irrtum, der Sehstörungen zugrunde liegt. Der Christus durchdringt diese Unklarheit mit dem Licht der Wahrheit. In Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Die Wissenschaft erklärt, daß Gemüt und nicht die Materie sieht, hört, fühlt und spricht.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 485.
Der Prophet sah die Macht des Christus voraus, „die Augen der Blinden zu öffnen und die Gefangenen aus dem Gefängnis zu führen und, die das sitzen in der Finsternis, aus dem Kerker“ Jes. 42:7 [n. der engl. King-James-Ausgabe].. Das heilende Wirken Christi Jesu erfüllte diese Prophezeiung Jesajas. Als Jesus den blindgeborenen Mann heilte, erklärte er: „Es hat weder dieser gesündigt, noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm... Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, auf daß, die da nicht sehen, sehend werden.“ Joh. 9:3, 39.
Dieselbe heilende Kraft des Christus können wir im zwanzigsten Jahrhundert demonstrieren. Werden die Lehren der Christlichen Wissenschaft individuell akzeptiert, durchdringt das Licht der Wahrheit die Unklarheiten des materiellen Sinnes und heilt mangelhafte physische Sehkraft. Das heilige Amt des Christus zeigt uns die Werke Gottes: den unkörperlichen Menschen mit seiner ihm von Gott verliehenen Fähigkeit, Gottes Schöpfung wahrzunehmen.
Eine Sehstörung können wir mit Hilfe der spezifischen Wahrheit überwinden, die den spezifischen Irrtum zerstört. Angst kann durch die Erkenntnis beseitigt werden, daß des Menschen Wahrnehmungsvermögen von der unfehlbaren Liebe kommt, denn Gemüt und Liebe sind eins. Die Annahme von kranken Augen können wir widerlegen, indem wir an der unwandelbaren Vollkommenheit des Seins festhalten. Durch solche Schwierigkeiten verneint das sterbliche Gemüt die Wirklichkeit. Aber sie können das wahre Sehvermögen niemals beeinträchtigen.
Der christlich-wissenschaftliche Heiler wendet sich von den materiellen Faktoren ab ― von der optischen Schärfe, dem physischen Licht und der Betrachtung der Materie. Heilung wird erzielt, wenn das Denken entmaterialisiert und die geistige Wirklichkeit klar erkannt wird. Sie demonstriert die wissenschaftliche Tatsache, daß Gemüt ― nicht die Materie ― sieht.
Die Unendlichkeit des Gemüts und die ewige Einheit des Gemüts und seiner Ideen sind die Wahrheiten, die dem wahren Sehen zugrunde liegen. Was auch immer den Gedanken von der geistigen Idee trennen möchte, muß als Täuschung erkannt werden, der wir jede Wirklichkeit absprechen. Wir müssen jeden falschen Augenschein aufdecken und verneinen. Ein solches Berichtigen führt das menschliche Bewußtsein zu einer engeren Gemeinschaft mit dem göttlichen Gemüt und zu der Erkenntnis der Wirklichkeit, der Demonstration wahrer Sehkraft.
Wenn das menschliche Denken die Tatsachen des Daseins erfaßt, wird es nicht mehr von unbestimmten materiellen Theorien umwölkt sein. Das zögernde Tasten eines blinden Glaubens an die Wahrheit wird überwunden und durch einen erleuchteten Glauben und inspirierte Überzeugung ersetzt.
Ein klareres Verständnis von der allumfassenden göttlichen Liebe muß die Undurchsichtigkeit der Selbstsucht beseitigen. Der grenzenlose Ausblick selbstloser Liebe muß den beschränkten Blick eines egozentrischen Denkens auflösen. Die Dunkelheit der Selbstgerechtigkeit muß einer demütigen Erkenntnis des einen Ego und die grobe Blindheit der Sinnlichkeit dem Licht reiner Geistigkeit weichen. Das menschliche Denken muß eine klarere Transparenz für die göttliche Wahrheit und Liebe werden.
Auch die Annahmen vom Altern und von den Auswirkungen des Alterns auf das menschliche Sehvermögen müssen beharrlich abgelehnt werden. Die menschliche Geburt, das menschliche Heranwachsen und Altern zeugen nicht vom wahren Menschen. Da die Sehkraft nicht von physischen Organen abhängig ist, kann sie auch nicht nachlassen. Wir können solche falschen Annahmen zurückweisen. Wir brauchen keine zunehmende Einschränkung unserer Bewegungsfreiheit zuzulassen. Statt dessen können wir immer größere Einblicke in die Wirklichkeit gewinnen und damit alle Annahmen von nachlassender Sehkraft null und nichtig machen. Der Mensch ist der Ausdruck des unveränderlichen Ego. Er bringt die ewige Frische und Kraft des Lebens, das Fortbestehen des göttlichen Seins, zum Ausdruck.
Vererbung ist eine Annahme des sterblichen Gemüts und muß entschieden widerlegt werden. Der Mensch ist kein Sterblicher, der unter einem Fluch steht. Als Gottes Idee ist er ewiglich gesegnet und nicht im geringsten sterblich. Das angebliche Gesetz der Vererbung ist eine Nachahmung des göttlichen Gesetzes, und seine Unwirklichkeit kann bewiesen werden. Leugnen wir eine sterbliche Herkunft und erkennen wir, daß der eine Vater, Gott, der Ursprung des Menschen ist, der Seinem Sprößling Seine eigenen vollkommenen Fähigkeiten gibt, befreien wir uns von sogenannten vererbten Sehfehlern.
Unfälle haben in der göttlichen Ordnung keinen Platz. Das Wahrnehmungsvermögen liegt nicht in vergänglicher Materie. Es besteht im und kommt vom Geist. Daher ist es unzerstörbar. Der Scharfsinn des Menschen wird von der einen ewigen Ursache aufrechterhalten. Verstehen wir, daß die Sehkraft nie nachläßt oder aufhört, können wir sie demonstrieren.
Wir sollten keinen quälenden Erinnerungen erlauben, unser menschliches Bewußtsein zu verdunkeln. Wir können sie durch die Erkenntnis beseitigen, daß der wirkliche Mensch nur die unwandelbare Harmonie des Seins kennt. Und die Angst vor der Zukunft überwinden wir, wenn wir einsehen, daß sich fortwährend Gutes entfaltet. Das Denken kann nicht ängstlich und düster sein, während es Gott verherrlicht.
Das eine göttliche Bewußtsein nimmt sowohl die Unermeßlichkeit wie die winzigste Einzelheit der unendlichen Schöpfung deutlich wahr. Nur das sterbliche Gemüt meint, Gegenstände seien materiell und bestünden außerhalb des Bewußtseins, und legt sich selbst Begrenzungen der Kurzund Weitsichtigkeit auf.
Farbe ist in Wirklichkeit eine Eigenschaft der Seele und schließt Schönheit und Leuchtkraft ein. Sie gehört zum Charakter und zur Identität. Der Mensch ist geistig empfindsam, niemals blind für die unendliche Farbenpracht der Schöpfung Gottes. Und erkennt das menschliche Wesen diese Wahrheiten, kann es die Annahme von Farbblindheit überwinden.
Keinem Element des wirklichen Seins, auch nicht der Sehkraft, wohnt eine Schwäche inne, noch kann sich in ihm eine Schwäche entwickeln. Jede Identität bringt die nie versagende Kraft des Geistes zum Ausdruck. Die Fähigkeiten des Gemüts können weder von Anstrengung noch von Erschöpfung beeinflußt werden. Echtes Wahrnehmungsvermögen kann weder Müdigkeit noch übermäßige Tätigkeit kennen. Diese Wahrheiten überstrahlen die Annahme von einem schlechten Sehvermögen.
Mrs. Eddy erklärt: „Wenn ein sogenannter materieller Sinn verlorengeht und Wahrheit diesen verlorenen Sinn wiederherstellt ― auf der Grundlage, daß alles Bewußtsein Gemüt ist und ewig ist ―, erweist sich die frühere Auffassung, daß dieser Sinn organisch und materiell sei, als irrig.“ Nein und Ja, S. 10.
Clifford P. Smith schrieb in seinen Historical Sketches (Historische Skizzen): „Im November 1884, als Mrs. Eddy in Boston wohnte, wurde sie von einer Frau besucht, die zu ihr sagte:, Ich bin blind...‘ In ihrer Erwiderung sprach Mrs. Eddy von Güte und Gesundheit, die natürlicher seien als Schlechtigkeit und Krankheit. Sie erwähnte auch die Pflicht eines jeden, Gott zu preisen, und die Notwendigkeit, sich vom materiellen Augenschein abzuwenden und die geistigen Beweise zu akzeptieren. Die Frau sagte:, Ich kann etwas besser sehen‘, und dann ging sie fort. Innerhalb einer Woche schrieb die Frau Mrs. Eddy, daß ihr Augenlicht vollkommen wiederhergestellt sei.“ Historical Sketches (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1941), S. 71.
Mit Fleiß und Demut müssen wir die göttliche Fähigkeit des Sehens ausüben. Je mehr sich unser Denken vergeistigt, desto deutlicher werden wir die geistige Wirklichkeit wahrnehmen. Wir werden die wahre Sehkraft ― all ihre Klarheit, Schärfe und Unvergänglichkeit ― demonstrieren. Wir werden beweisen, daß nicht die Materie, sondern das göttliche Gemüt sieht!