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„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“

[Urtext in deutscher Sprache]

Aus der Juli 1981-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Niemand wird bezweifeln, daß viele aus reiner Liebe zur Menschheit ihrem Nächsten Gutes tun. Sie geben reichlich und selbstlos von ihrer freien Zeit und ihren materiellen Gütern, um anderen zu helfen. Von ihrem Standpunkt aus gesehen, opfern sie sich selbst auf, wenn sie aus dieser Nächstenliebe heraus handeln. Die Aufforderung, auch an sich selbst zu denken, weisen sie als Egoismus zurück.

Wie sehen wir unseren Nächsten? Sehen wir ihn so, wie er sich selbst sieht? Beurteilen wir ihn nach dem, was wir sehen? Oder schließen wir uns dem Urteil anderer über ihn an? Bei solch einer Verschiedenheit der Standpunkte können völlig unterschiedliche Vorstellungen über ein und denselben Menschen ans Licht kommen.

Im Gleichnis vom verlorenen Sohn (s. Luk. 15) zeigt Christus Jesus u. a., wohin unterschiedliche Anschauungen führen können. Der jüngere Sohn glaubt, so tief gesunken zu sein, daß er nichts Besseres verdiene, denn als einer der Tagelöhner seines Vaters zu arbeiten. Er hat, mit anderen Worten, seine Stellung als Sohn aufgegeben. Der ältere Sohn betrachtet ihn zwar als Bruder, aber zugleich auch als Übeltäter und Rivalen, der mit ihm um die Zuneigung des Vaters wetteifert. Die Prüfungen, die der jüngere Sohn durchstehen mußte, haben ihm den Blick für sein wahres Sein getrübt; den älteren hindert Selbstgerechtigkeit daran, das wahre Sein des Bruders zu sehen.

Jesus zeigt uns in diesem Gleichnis aber auch, wie der Vater die beiden Söhne sieht: Er setzt den jüngeren wieder in seine vollen Rechte als Sohn ein und macht dadurch die Erlebnisse ungültig, die dieser „ferne über Land“ gehabt hatte. Dem älteren erklärt er, daß er in seines Vaters Haus bereits alles habe, was er brauche. Der ältere Sohn bedarf keiner Belohnung, denn mehr als alles kann er wirklich nicht haben.

Jesus, der sich seiner Einheit mit dem Vater bewußt war, sagte: „Du sollst deinen lieben Nächsten lieben wie dich selbst.“ Matth. 22:39. Wie in vielen anderen Fällen verweist Jesus auch hier auf ein Gesetz im Alten Testament (s. 3. Mose 19:18) und gibt seine eigene, geistigere Auslegung.

Sich selbst lieben ist also die Voraussetzung für die rechte Nächstenliebe. Sich selbst lieben lernen ist eine große Aufgabe. Sie beginnt mit der Erforschung von Gott und dem Menschen. Wo kommt der Mensch her, was ist er? Ja, es ist wichtig und richtig zu fragen: Wo komme ich her, und wer bin ich? Viele mögen sich diese Frage schon gestellt und keine Antwort erhalten haben.

In Wissenschaft und Gesundheit beantwortet Mrs. Eddy die Frage „Was ist Gott?“ folgendermaßen: „Gott ist unkörperliches, göttliches, allerhabenes, unendliches Gemüt, Geist, Seele, Prinzip, Leben, Wahrheit, Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 465.

Keiner von uns kann Gott sehen. Wir können z. B. Wahrheit oder Gemüt oder Seele nicht mit unseren körperlichen Sinnen wahrnehmen, denn Gott ist Geist, und der von Gott erschaffene Mensch ist immer als der geistige Ausdruck Gottes geistig zu verstehen.

Wenn wir diesen von Gott erschaffenen Menschen zu erforschen beginnen, entdecken wir die Eigenschaften, die ihm als Widerspiegelung Gottes angehören. Je mehr wir Gott erkennen, desto mehr wissen wir von dem wirklichen Menschen. Je klarer wir uns selbst als das Kind Gottes erkennen, desto weiter entfernen wir uns von dem rein menschlichen Denken über uns selbst und andere. Je mehr wir uns der Einheit mit Gott bewußt werden, desto mehr lösen wir uns davon, das falsche Selbst zu akzeptieren oder zum Ausdruck zu bringen. Wir wachsen aus dem „Selbstbewußtsein“, das auf sterblichen Vorstellungen beruht, heraus und gelangen zu der Erkenntnis vom wahren Selbst des Menschen, das Gottes Ebenbild ist — zu der Erkenntnis, daß unser wahres Selbst in Gott ruht.

Selbst wenn wir nur einen Schimmer von unserem wahren Sein erlangt haben, erkennen wir, daß wir auch unseren Nächsten als das geliebte Kind Gottes sehen müssen. Wir können weder Krankheit, Leiden, Not noch Armut als die Wahrheit über irgend jemanden akzeptieren, wenn wir wissen, daß Gottes Liebe die ganze Menschheit umfängt.

Hier könnte nun die Frage auftauchen: „Wer ist denn mein Nächster?“ Diese Frage wurde Jesus einmal gestellt; er beantwortete sie mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (s. Luk. 10). Jeder ist mein Nächster: meine Verwandten, die Verkehrsteilnehmer, all die Menschen in Geschäften und Büros — kurzum alle, mit denen ich in Berührung komme. Und in diesem Zeitalter der Massenmedien wird es offensichtlich, daß auch der mein Nächster ist, der weit entfernt in einem fremden Land wohnt.

Wenn Rundfunk und Fernsehen von Katastrophen irgendwo in der Welt berichten, können wir mit großer Bestimmtheit wissen, daß der alliebende, immergegenwärtige Gott auch gerade dort ist, wo die Menschen eine Katastrophe zu erleben scheinen. Das bewußte Festhalten an dieser Wahrheit wird in irgendeiner Weise seine Wirkung haben, selbst wenn wir uns dessen nicht bewußt sind.

Wir können jeden Menschen, mit dem wir in Berührung kommen, als das geliebte Kind Gottes sehen. Das mag zu einem rücksichtsvolleren Verhalten anderen gegenüber führen, zu Hilfsbereitschaft und Wohlwollen. Es mag helfen, Arbeitsbedingungen zu erleichtern, oder einfach in einem liebevollen und mitfühlenden Wort zu einem niedergeschlagenen Menschen zum Ausdruck kommen. Rechtes Denken über den Menschen — das Wissen um sein wahres Wesen — hilft unserem Nächsten immer in irgendeiner Weise.

Ist jemand in materielle Not geraten und bedarf unserer Hilfe, so können wir sie gern gewähren. Wenn wir diesen Menschen nicht als einen hilfsbedürftigen Sterblichen sehen, weil wir die Vollkommenheit des wahren Menschen kennen, wird unsere Hilfe uns nicht zur Last werden. Darüber hinaus wird unser rechtes Denken gewiß dazu beitragen, die Situation schneller zu klären, als es der Fall wäre, wenn wir das Bild von einem notleidenden Nächsten akzeptierten und ihn lediglich bedauerten.

Erwartet man von uns, daß wir einen Kranken versorgen und pflegen, wird das Wissen um den wahren Menschen, der ja nicht leiden kann, dazu beitragen, daß auf der einen Seite der Leidende getröstet und gestärkt wird und auf der anderen Seite uns diese zusätzliche Arbeit nicht als Last erscheint. Liebe wird uns dazu führen, zur rechten Zeit das Rechte zu sagen und zu tun. Unser Verhalten mag den Leidenden etwas von der Liebe Gottes spüren lassen und in ihm den Wunsch erwecken, mehr von dieser Liebe zu erfahren, so daß er sich an die Christliche Wissenschaft zur Lösung seiner Probleme wendet.

Seinen Nächsten zu lieben wie sich selbst erfordert ständige Bereitschaft, ohne Unterlaß zu lauschen, zu gehorchen und zu lieben. Mrs. Eddy sagt: „Allumfassende Liebe ist der göttliche Weg in der Christlichen Wissenschaft.“ Ebd., S. 266.

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