Schon immer haben die Menschen den Himmel abgesucht und auf das Meer hinausgeschaut — doch oft falsch gedeutet, was sie sahen. Die Sonne schien sich um die Erde zu drehen, und die Erde hielten sie für eine Scheibe. Obwohl schon im fünften und dritten Jahrhundert vor Christus scharfsichtige Denker diesen falschen Vermutungen entgegentraten, mußte doch eine umfassendere Anerkennung der richtigen Tatsachen erreicht werden, ehe die Menschheit sich von diesen selbstauferlegten Begrenzungen befreien konnte. Es bedurfte mutiger Menschen, die als erste den Weg bahnten, wenn neue Möglichkeiten sich ergaben. Überall, wo menschlicher Fortschritt vonnöten war, erging der Ruf nach Führung an diejenigen, die Initiative zeigten und wirklich bereit waren, ihr eigenes Denken und Handeln zu verantworten; er erging an Menschen mit Weitsicht und Entdeckergeist — wie Leonardo da Vinci, Galilei, Kolumbus, Magellan.
Heute zeigt die Wissenschaft des Christentums die Wirklichkeit aus einer neuen Perspektive, die sich in Umfang und Zielsetzung grundlegend von den traditionellen, materiellen Ansichten unterscheidet. Die göttliche Wissenschaft versichert, daß Leben wirklich geistig und die Materie nicht eine Begleiterscheinung des wahren Daseins des Menschen ist. Und heute sind ebenfalls Entdecker mit klarer geistiger Schau erforderlich, damit diese Wissenschaft zum Segen der Menschheit demonstriert werde. Ein Aufruf, die geistige Initiative zu ergreifen, ergeht an Männer und Frauen, die einen Schimmer von der Großartigkeit der göttlichen Allmacht erhalten und die erlösende Berührung des Christus, der Wahrheit, empfunden haben.
Christliche Wissenschafter stellen die jahrhundertealten falschen Vorstellungen vom Wesen der Wirklichkeit und des Daseins in Frage. Bei ihrer Arbeit, dem Heilen von Krankheit und Sünde durch Gebet — durch das wissenschaftliche Anerkennen der Einheit des Menschen mit Gott —, treten sie den verschiedenen Annahmen der körperlichen Endlichkeit und Sterblichkeit direkt entgegen. Und während dieser geistige Fortschritt sich vollzieht, empfängt die ganze Menschheit den Segen.
Eine fundamentale Lektion ist einem ganz klar, wenn man beim Studium und bei der Anwendung der Christlichen Wissenschaft voranschreitet: Jeder einzelne ist für sein eigenes Denken und Handeln verantwortlich — indem er sich an Gott wendet, um die Führung zu bekommen, die er braucht. Der Apostel Paulus sprach die gleiche Forderung aus, als er an die Christen in Philippi schrieb: „... schaffet, daß ihr selig werdet ...“ Phil. 2:12. Paulus muß erkannt haben, daß niemand einem andern das geistige Wachstum geben kann, das dieser selbst erreichen muß, und daß niemand von der Notwendigkeit individueller Wiedergeburt und Selbstaufopferung befreit werden kann, die wir erleben, wenn wir unsere Beziehung zu Gott verstehen.
Jedoch mit der Lehre von der stellvertretenden Versöhnung wurde unrichtigerweise versucht, das rechtmäßige Mandat zur individuellen Verantwortlichkeit abzuschaffen — oder ihm zumindest den Vorrang streitig zu machen. Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft legt Mrs. Eddy die Mission des Erlösers Christus Jesus unmißverständlich dar: „Er erfüllte sein Lebenswerk in der rechten Weise, nicht nur, um sich selbst gerecht zu werden, sondern auch aus Erbarmen mit den Sterblichen — um ihnen zu zeigen, wie sie ihr Lebenswerk zu erfüllen hätten, nicht aber, um es für sie zu tun oder sie einer einzigen Verantwortung zu entheben.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 18.
Die Christliche Wissenschaft erklärt die Neigung und den Wunsch der Menschen, ihrer Verantwortung enthoben zu werden. Viele glauben z. B., daß ungelöste persönliche Probleme und finanzielle Schwierigkeiten sogenannten äußeren Ursachen zugeschrieben werden sollten. Die Behandlung körperlicher Gebrechen und mentaler Störungen wird einer auf alle Bereiche ausgedehnten technokratischen, medizinischen Industrie überlassen. Die Lösung moralischer Probleme und theologischer Verwirrung wird oft einem menschlichen Vermittler anvertraut — von dem man glaubt, er sei besser in der Lage, bei Gott Gehör zu finden und Sünden zu tilgen.
Doch, wie die Christliche Wissenschaft lehrt, hängt unsere Erfahrung — sei sie nun erfüllt und befriedigend oder leer und sinnlos — tatsächlich von der Qualität unseres Denkens ab. Was geht im Bewußtsein vor sich? Dies bestimmt, was wir erleben, und beantwortet die Frage, wer oder was verantwortlich sei.
Kein anderer ist — oder könnte je — vor Gott für das verantwortlich sein, was wir in unserem Bewußtsein hegen und dann im Leben demonstrieren. Wir müssen unsere Motive und Bestrebungen prüfen. Tatkraft und Bemühen sollten konsequent von Gott ausgehen. Jeder einzelne muß gegenüber dem göttlichen Prinzip ehrlich sein. Vom Prinzip geführt, übernimmt dann jeder bereitwillig die Verantwortung für die Demonstration seines Christus-Erbes an Gesundheit, Substanz und moralischer Freiheit — für den Beweis der Tätigkeit des göttlichen Gesetzes und seiner Wirkung im menschlichen Leben. Mrs. Eddy rückt dieses Thema in das rechte Licht, wenn sie von der „großen Wahrheit“ spricht, die die Menschheit, wie sie sagt, ständig verkennt. „Diese Wahrheit besteht darin“, schreibt unsere Führerin, „daß wir unsere Erlösung selbst ausarbeiten und die Verantwortung für unser eigenes Denken und Handeln auf uns nehmen sollen; dabei sollen wir uns nicht auf die Person Gottes oder die Person des Menschen verlassen, daß sie die Arbeit für uns tun, sondern auf den Grundsatz des Apostels: ‚Ich will dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.‘ “ Christliches Heilen, S. 5.
Christus Jesus unterließ es nie, seinen Glauben aus seinen Werken zu zeigen. Immer bereit, für sein Denken, seine Worte und Werken einzustehen, heilte Jesus die körperlich und geistig Schwachen; er speiste und tröstete die Menge; er inspirierte die Sünder zu neuem Leben und erlöste sie; er sprach die Wahrheit dort, wo sie freudig aufgenommen wurde, und zu Zeiten auch dort, wo man sie ins Lächerliche zog. Der Meister war unermüdlich in seiner Hingabe zu Gott, in seiner Treue gegenüber dem göttlichen Gesetz, in seiner Liebe zur Menschheit.
Hingabe, Treue, selbstlose Liebe — solche Charaktereigenschaften bilden, wenn mit Demut und bereitwilligem Gehorsam gepaart, die Grundlage für eine christliche Norm der individuellen Verantwortung. Und die Demut ist wichtig, denn wenn wir für die Wahrheit eintreten und uns selbst verpflichten, die heilende Wissenschaft des Christus mit der Welt zu teilen, muß schließlich jeder von uns die Tatsache voll würdigen, die Jesus verkündete: „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern nur was er sieht den Vater tun; und was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn.“ Joh. 5:19.
Dieser entscheidende Grundgedanke über das Wissen um die rechte Beziehung zwischen dem Menschen und dem himmlischen Vater gibt unserer Initiative den wirklich heilenden Antrieb. Ohne dieses Anerkennen der allerhabenen Macht und Regierung des Gemüts erreichen unsere individuellen Bemühungen nicht das endgültige Ziel geistiger Wiedergeburt und Erlösung. Unsere Arbeit würde sonst auf der Ebene rein persönlicher Leistungen bleiben, statt göttliche Errungenschaften und universalen Segen zu verwirklichen.
Jetzt ist die Zeit, um neue Siege zu erringen, die uns über die Illusionen von einer „flachen Erde“, einem begrenzten materiellen Dasein, erheben, hinauf zum uneingeschränkten Hoffen und Streben der göttlichen Güte — dem Himmelreich, das hier gegenwärtig ist. Wir tragen die Verantwortung, und Gott krönt unsere Bemühungen mit Segnungen für die ganze Menschheit.
