Wer die unberührte Natur liebt, schöpft oftmals neue Kraft, wenn er sich den Rucksack aufschnallt und in die Berge geht. Vielleicht ruht sein Blick auf den schroffen Gipfeln ferner Berge, atmet er den Duft der Tannen und lauscht dem Rauschen eines nahen, kristallklaren Gebirgsbaches.
Oder möglicherweise sieht er die Schönheit nicht, die ihn umgibt. Er konzentriert sich so auf den schweren Aufstieg, daß er die frische, kühle Luft nicht spürt und das Zwitschern der Vögel und das Schönheit seiner Eichhörnchen nicht hört. Erst wenn er seinen Schritt verlangsamt und aufhorcht, wird er sich der reichen Schönheit seiner Umgebung bewußt.
Wir alle, wo wir auch sein mögen, haben eine Umgebung, an der wir uns erfreuen können: unsere geistige Umgebung. Wir befinden uns in ihr, auch wenn wir uns dessen nicht bewußt sind, weil wir einige rauhe mentale Pfade zu erklimmen suchten. Manchmal müssen wir vor allem in unserem geschäftigen Tun innehalten — tatsächlich zur Ruhe kommen und über Gottes Gegenwart nachsinnen. Ein andermal jedoch ist es nicht so wichtig, die körperliche Tätigkeit zum Stillstand zu bringen, als die Triebkraft der materiellen Mentalität zu vermindern.
Selbst ein sehr aktiver Mensch kann die Stille des göttlichen Bewußtseins zum Ausdruck bringen. Wenn aber unser Tun und Treiben vom materiellen statt vom geistigen Gedanken angetrieben wird, sind nicht nur unsere Handlungen von Planlosigkeit gekennzeichnet, sondern es kann auch zu beunruhigender körperlicher Bewegungslosigkeit führen. Wir brauchen den gesunden Einfluß göttlicher Stille, ob wir nun menschlich aktiv oder inaktiv sind.
Wir finden eine gewisse Schönheit und erneuernde Kraft, wenn wir unser Denken besänftigen und beruhigen. Ja, Heilung kann durch einen vergeistigten Begriff von Stillesein erzielt werden. Das menschliche Gemüt mag geistige Stille mit Untätigkeit verwechseln. Doch göttliche Stille hat eine ungeheure geistige Macht und Vitalität. Unsere Führerin, Mrs. Eddy, erklärt das folgendermaßen: „Gemüt demonstriert Allgegenwart und Allmacht, aber Gemüt kreist um eine geistige Achse, und seine Macht wird offenbar und seine Gegenwart fühlbar in ewiger Stille und unwandelbarer Liebe. Bei der Ausübung des Gemüts-Heilens wird über jeden Zweifel hinaus bewiesen, wie göttlich mächtig diese geistige Wirkungsweise des Gemüts ist und welches Hindernis ein materielles Umherziehen für sie darstellt.“ Rückblick und Einblick, S. 88.
Das Umherziehen des materiellen Sinnes behindert die Heilung, während göttliche Stille eine machtvolle heilende Wirkung auf unser seelisches und körperliches Wohlbefinden hat. Eine unruhige Mentalität, erfüllt von Sorge und Angst, Wut und Frustration, muß besänftigt werden. Wenn unsere Handlungen dem Bewußtsein reiner Stille entspringen, werden sie produktiv und gesundheitspendend sein.
Wie wichtig ist es doch, daß wir selbst des öfteren stille werden. Friede gehört naturgemäß zum wahren Bewußtsein — der Mentalität, die das göttliche Gemüt zum Ausdruck bringt. Göttliche Eigenschaften können wir uns nicht dadurch zu eigen machen, daß wir das menschliche Gemüt durch das menschliche Gemüt beruhigen. Wir erhalten sie erst, wenn wir es der „ewigen Stille“ erlauben, dem „materiellen Umherziehen“ Einhalt zu gebieten. Und was hebt uns aus diesem Umherziehen heraus? Die Tätigkeit des erlösenden Christus, der wahren Idee Gottes. Selbst jetzt können wir uns richtig mit Gott identifizieren; wir können erkennen, daß der Mensch der Ausdruck Gottes ist, Seine Offenbarwerdung. Wenn die materiellen Sinne uns mit ihren Ansprüchen bedrängen, geben wir ihnen nicht nach, sondern beugen uns dem göttlichen Gebot: „Seid stille und erkennet, daß ich Gott bin!“ Ps. 46:11.
Wahre Umgebung ist das Himmelreich selbst. Und das göttliche Bewußtsein ist das einzige Bewußtsein, das der Mensch wirklich hat. Wenn wir jedoch diese reine Gegenwart hören, sehen und fühlen wollen, müssen wir die störenden Einflüsse des sterblichen Gemüts dämpfen, ja völlig ausschalten.
Um besser heilen zu können, müssen wir unseren geistigen Frieden vertiefen. Wenn wir uns auf die unerschütterliche Grundlage des Gemüts stellen, erfahren wir in zunehmendem Maße die Einheit zwischen dem wahren Menschen und Gott; und wir geraten weniger in Versuchung, uns den stürmisch aufbrausenden, sterblichen Gedanken hinzugeben.
Heilung erfolgt schneller und natürlicher, wenn wir die Macht des göttlichen Gemüts fühlen, als wenn wir unser Tun durch rein menschliche Motive oder Emotionen bestimmen lassen. „Die beste geistige Art, auf christusgleiche Weise das Denken der Menschen zu heben und ihnen die göttliche Wahrheit zu vermitteln, ist beharrende Kraft, Stillesein und Stärke; und wenn wir uns dieses geistige Ideal zu eigen gemacht haben, wird es zum Vorbild für das menschliche Handeln“ Rückbl., S. 93., schreibt die Entdeckerin der Christlichen Wissenschaft.
Ganz gleich, was wir tun, ob wir einen Preßlufthammer auf einer belebten Straße betätigen, an einer Schreibmaschine in einem Großraumbüro arbeiten oder ganz allein sind und Einsamkeit und Tatenlosigkeit wild in uns dröhnen, wir müssen und können göttliche Stille erfahren.
Selbst wenn das menschliche Gemüt auf der Annahme besteht, wir seien isoliert oder körperlich unfähig, uns normal zu bewegen, so ist das in Wirklichkeit eine Übertätigkeit — die Triebkraft der materiellen Mentalität. Aber mit geistiger Ruhe kommt Heilung.
Disharmonie, ob wir sie nun Angst oder Schmerz, Feindseligkeit oder gar Lähmung nennen, ist im Grunde auf eine erregte oder von Furcht erfüllte Tätigkeit des menschlichen Gemüts zurückzuführen. Ein materiell erzwungenes Stillesein wird uns nicht die vollständige Freiheit bringen. Wir brauchen die göttliche Stille, in der wir den reinen Begriff unserer Gemeinschaft mit Gott finden und die klare Erkenntnis Seines erlösenden Gesetzes erblicken, um das sterbliche Denken zu beruhigen. Diese göttliche Gegenwart bringt die erregten materiellen Sinne zum Schweigen. Sie gibt uns eine erhabene Ruhe, die die Heilung unharmonischer Zustände ermöglicht.
Geistige Ausgeglichenheit ist unerläßlich. Wenn wir uns ein wenig Zeit nehmen und unsere Liebe für Gottes Gegenwart vertiefen, können wir die göttliche Gegenwart schon jetzt fühlen. Wir sind in Seine Harmonie eingeschlossen. Seine „ewige Stille“ ist tätig und bringt Ruhe, Segen und Heilung.
