Als Robert auf dem Heimweg von der Schule durch den Fenway-park ging, merkte er kaum die frische, klare Luft Neuenglands, die ihm mit eisiger Kälte entgegenschlug. Er machte sich Sorgen wegen der bevorstehenden Prüfungen. Sie würden viel länger sein als die Examen, die er gewohnt war. Einige sollten den Stoff eines halben, andere den des ganzen Jahres umfassen.
Robert war im zehnten Schuljahr, und bisher hatte es ihm auf der höheren Schule gefallen. Er war zum Schriftführer des Französischklubs gewählt worden; er hatte Freude am Sport und spielte besonders gern Volleyball; und Hausaufgaben — nun, er paukte jeden Abend. Aber in letzter Zeit konnte er sich nicht recht konzentrieren. Er mußte immer an die Ermahnungen seines Lehrers denken: Eure ganze Zukunft hängt von diesen Prüfungen ab.
Robert besuchte die Sonntagsschule der Christlichen Wissenschaft. Doch aus irgendeinem Grund wandte er das, was er über Gott gelernt hatte, bei seiner Vorbereitung auf die Prüfungen nicht an. Am Morgen vor der ersten Prüfung war ihm ganz elend zumute, und man sah es ihm auch an. Er wollte kein Frühstück. Es war ihm unbegreiflich, wie seine Eltern so fröhlich sein konnten. Sie sagten ganz ruhig zu ihm, daß er zur Schule gehen und die Prüfung machen solle und sie ihn durch Gebet unterstützen würden.
Am Abend unterhielten sich die Eltern mit Robert. „Diese Prüfungen“, sagte der Vater, „gehören zum Erwachsenwerden — zu deiner Entwicklung zum Bürger. Vielleicht solltest du jetzt einmal ernsthafter über deine Zukunftspläne nachdenken und das göttliche Gemüt um Führung bitten.“ Und die Mutter schaltete sich ein: „Du kannst nicht von der Intelligenz getrennt werden, Robert, weil du niemals, auch nur für einen einzigen Augenblick, von Gott getrennt werden kannst, der die Quelle der Intelligenz ist. Daran haben dein Vater und ich heute morgen festgehalten.“
„Habt ihr das gemeint, als ihr sagtet, ihr würdet mich durch Gebet unterstützen?“ fragte Robert. „Ja“, erwiderte die Mutter. „Wenn du betest, lauschst du auf das Gemüt — was Gemüt über sein Kind weiß.“ Roberts älterer Bruder Henry hatte einige Jahre zuvor die höhere Schule absolviert. Der Vater und Robert blätterten durch Henrys Jahrbuch, und der Vater wies auf einen Satz hin, den der Direktor in seiner Ansprache an die Abschlußklasse gesprochen hatte: „Die größte Gabe, die wir der Welt geben können, ist, unser Bestes zu leisten.“
„Das hört sich edel an“, dachte Robert später, „aber ich muß trotzdem noch diese Prüfungen hinter mich bringen.“ Am folgenden Sonntag konnte er gar nicht schnell genug zur Sonntagsschule kommen. Sein Lehrer hatte Physik studiert. Robert war überzeugt, daß Herr Hall sich bei Examen auf das göttliche Gemüt verlassen hatte, und so kam er gleich zur Sache und fragte: „Wie kann ich mich an das göttliche Gemüt um Führung wenden? Kann ich Gott bitten, mir die Antworten für meinen Test in Geschichte zu geben?“ „Nun Robert“, sagte Herr Hall nachdenklich, „das göttliche Gemüt ist sich keiner menschlichen Geschichte bewußt. Wir können Gott also nicht fragen, wann Kolumbus Amerika entdeckt hat. Wir können aber wissen, daß wir unbegrenzte Intelligenz widerspiegeln, weil wir in unserer wahren Identität der geistige Sprößling des Gemüts sind.“
Barbara fiel etwas dazu ein: „Ich habe in der vergangenen Woche darüber nachgedacht, was es für mich bedeutet, daß der Mensch unendliches Gemüt und unfehlbares Prinzip und unwandelbare Wahrheit widerspiegelt.“ „Danke, daß du das erwähnt hast“, sagte Herr Hall. „Wollen wir uns doch alle vornehmen, in den kommenden Wochen das gleiche zu tun. Ich muß euch ehrlich sagen, daß es im Leben unzählige Fälle gibt, wo alles von einer Prüfung, einer Vorstellung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, einem Probesingen — oder irgendeiner Entscheidung — abzuhängen scheint. Vielleicht müssen wir von Angst oder einem erdrückenden Gefühl der Belastung geheilt werden. In einem solchen Fall können wir daran denken, daß Gott Liebe ist und wir die göttliche Liebe widerspiegeln. In der Bibel heißt es:, Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus.‘ 1. Joh. 4:18. Wir brauchen uns von keinem Problem hypnotisieren zu lassen.“
Herr Hall las dann aus dem Buch Wissenschaft und Gesundheit von Mary Baker Eddy eine Stelle vor, die gerade in der Bibellektion Im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft. vorkam: „Eine Kenntnis von der Wissenschaft des Seins entwickelt die latenten Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschen. Sie erweitert die Atmosphäre des Denkens, indem sie den Sterblichen weitere und höhere Gebiete erschließt. Sie erhebt den Denker in seine ureigene Sphäre der Einsicht und Scharfsichtigkeit.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 128.
Während der nächsten Wochen studierte Robert Stellen in Mrs. Eddys Schriften, die sich auf die Begriffe Gemüt, Intelligenz, Bewußtsein und Gebet bezogen. (Es war das erste Mal, daß er von der Konkordanz richtig Gebrauch gemacht hatte.) Er gewann viele hilfreiche Erkenntnisse über seine Fähigkeiten und sah, wie er seine persönlichen Probleme meistern konnte. Ihm wurde klarer, daß das Gemüt tatsächlich allwissend und allmächtig ist und seiner Widerspiegelung, dem Menschen, Herrschaft verliehen hat. Robert schrieb sich eine bestimmte Stelle aus Mrs. Eddys Buch Die Einheit des Guten ab und legte den Zettel zu Hause auf seinen Schreibtisch. Sie lautet: „Alles Bewußtsein ist Gemüt; und Gemüt ist Gott — ein unendliches, nicht ein endliches Bewußtsein. Dieses Bewußtsein wird im individuellen Bewußtsein, oder dem Menschen, widergespiegelt, dessen Urquell das unendliche Gemüt ist. Es gibt kein wirklich endliches Gemüt, kein endliches Bewußtsein... Der Mensch als der Sprößling Gottes muß geistig, vollkommen, ewig sein.“ Einh., S. 24.
Robert stellte fest, daß er bei den Prüfungen, die auf ihn zukamen, immer besser abschnitt. Von geistigen Ideen inspiriert, blieb er wachsam und zuversichtlich. Ein Schulkamerad dankte ihm sogar dafür, daß er ruhig blieb, als einige der anderen Schüler ganz aufgeregt waren. Nach seiner letzten Prüfung hüpfte Robert den Bürgersteig entlang und sprang dabei über die Ritzen, so wie er es als kleiner Knirps immer getan hatte.