Vor einiger Zeit stellte ich plötzlich fest, daß ich nicht mehr richtig sehen konnte. Bei einer späteren Augenuntersuchung wurde festgestellt, daß ein Muskel des rechten Auges gelähmt war (ich konnte nur noch mit dem linken Auge lesen). Der Augenarzt, den ich wegen meiner Fahrerlaubnis aufgesucht hatte, diagnostizierte einen Schlaganfall und empfahl viel Ruhe und Geduld — ich sollte mich also in das Leiden ergeben.
Nach einigen Wochen geduldigen Wartens, in denen ich natürlich versucht hatte, das Problem durch christlich-wissenschaftliches Denken zu lösen, war der Zustand unverändert. Jetzt nahm ich die Bibel sowie Wissenschaft und Gesundheit und alle anderen Schriften Mrs. Eddys und zog mich an einen stillen Urlaubsort zurück. Dort befaßte ich mich besonders mit Wörtern wie sehen, geistiges Erkennen und Auge, um die Furcht aus meinem Denken zu vertreiben. Der winterliche, einsame Ort wurde für mich das „Kämmerlein“, von dem Christus Jesus sprach und in dem ich im Verborgenen zum Vater beten konnte (siehe Matth. 6:6).
Jetzt verstand ich auch Mrs. Eddys Worte in Wissenschaft und Gesundheit besser (S. 486): „Wenn die fünf körperlichen Sinne das Mittel wären, durch das der Mensch Gott versteht, dann würden Lähmung, Blindheit und Taubheit ihn in eine schreckliche Lage versetzen, in der er wie die sein würde, die, keine Hoffnung‘ haben und, ohne Gott in der Welt‘ sind; tatsächlich aber treibt solches Elend die Sterblichen oft dazu, einen höheren Begriff von Glück und Dasein zu suchen und zu finden.“
Ich wies die aggressive Annahme zurück, daß eine Lähmung wirklich sei, und beanspruchte meine wahre Vollkommenheit als Gottes Ebenbild. Innerhalb weniger Tage war mein Sehvermögen wieder normal. Der erwähnte Augenarzt hatte offenbar mit einer viel länger dauernden Lähmung gerechnet. Er nannte die Heilung ein „Wunder“.
Die Frage blieb jedoch offen, warum mein metaphysisches Gebet unmittelbar nach Auftreten der Lähmung erfolglos war. Zweifellos mußte das auf die Unsicherheit in meinem Denken zurückgeführt werden — auf mein Schwanken zwischen Zweifel und Vertrauen auf Gott. Erst die sichere Erkenntnis, daß der Irrtum keine Macht hat und die Allgegenwart Gottes eine wahrnehmbare Kraft ist, wirkte befreiend und brachte die Heilung. Die Verheißung unseres Meisters hatte sich erfüllt (Matth. 7:7): „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“
Etwa zur selben Zeit wurde ein Rechtsstreit gegen mich geführt. Nachdem ich erfahren hatte, daß neue Vorschriften und Kontrollen, die auf das wachsende Bewußtsein für den Umweltschutz zurückzuführen waren, das von mir gepachtete Grundstück entwerteten, hatte ich mich veranlaßt gesehen, einen langen Mietvertrag vorzeitig zu kündigen. Die Rechtslage war eindeutig gegen mich, und ein Versuch, mit dem Gegner ins Gespräch zu kommen, stieß auf Ablehnung. Ich fand große Kraft in den folgenden Worten Mrs. Eddys (Wissenschaft und Gesundheit, S. 276): „Wenn die göttlichen Weisungen verstanden werden, dann enthüllen sie die Grundlage der Brüderschaft, in der ein Gemüt nicht mit dem anderen im Streit liegt, sondern alle einen Geist, Gott, eine intelligente Quelle haben, in Übereinstimmung mit dem Befehl der Schrift:, Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.‘ “ Selbstbedauern und Groll mußten überwunden werden. Nützliche Hinweise gab mir die Bibellektion im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft zu dem Thema „Liebe“. Als ich mehr von Gottes allumfassendem Gesetz der Ordnung und Gerechtigkeit erkannte, gelang es mir schließlich, meinen menschlichen Willen zurückzudrängen, und ich war bereit, die Lösung Gott anheimzustellen. Nach zwölfmonatigem Ringen änderte der Gegner plötzlich seine Meinung, setzte sich mit mir zusammen, und wir vereinbarten einen Vergleich, der für beide Teile günstig war. Jeder hatte seine Selbstgerechtigkeit überwunden, und das Gute konnte sich natürlich entfalten.
Köln, Bundesrepublik Deutschland