Christliche Wissenschafter, die um die Jahrhundertwende lebten, waren es gewohnt, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stehen. Es überraschte sie nicht, in einer Zeitung Schlagzeilen über die Christliche Wissenschaft zu finden. Unzählige Zeitungsberichte und Leitartikel erörterten die Wirksamkeit des christlich-wissenschaftlichen Heilens, griffen Mrs. Eddy an oder diskutierten über den jüngsten Versuch, Gesetze zu schaffen, die die Ausübung der Christlichen Wissenschaft verbieten würden.
Im Jahre 1899 schrieb Mrs. Eddy an die Christlichen Wissenschafter in Concord: „Seid versichert, daß die Ungerechtigkeit, die dieser Religionsgemeinschaft von Christen seitens Presse und Kanzel angetan wird, aufhören wird, sobald sie diese Religionsgemeinschaft nicht länger segnet.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 151.
Seit einigen Jahren konzentrieren die Nachrichtenmedien — vor allem in den USA und in Großbritannien — ihre Aufmerksamkeit wieder sehr auf die Christliche Wissenschaft. Fernsehsendungen, Romane, Filme, von Presseagenturen verbreitete Informationen und Sonderberichte geben die Ansichten der Christlichen Wissenschafter oftmals verzerrt wieder. Nun wird demnächst ein ungewöhnlicher Fall vor Gericht kommen, der die Nachrichtenmedien sehr interessieren mag und von Christlichen Wissenschaftern verlangt, die unerschütterliche Überzeugung zu demonstrieren, daß dies allem gegenteiligen Augenschein zum Trotz uns in Wirklichkeit segnet.
Am 5. Februar 1980 wurde beim Bezirksgericht von Wayne, in Detroit, Michigan, ein Zivilprozeß gegen Die Mutterkirche und zwei im Christian Science Journal eingetragene Ausüber angestrengt.
Die Klage wurde von zwei ehemaligen Mitgliedern Der Mutterkirche erhoben. Nach dem Tode ihres Kindes meinten sie, die Ausüber der Christlichen Wissenschaft sollten dafür verantwortlich gemacht werden. Ja, die Eltern des Kindes behaupteten, sie seien irgendwie dazu gezwungen worden, die Christliche Wissenschaft einer ärztlichen Betreuung vorzuziehen, obwohl sich die Mutter nur neun Monate zuvor einer Operation unterzogen hatte.
Im Mittelpunkt des Prozesses steht eine erstaunliche Behauptung, die impliziert, daß Ausüber ärztliche Behandlung empfehlen müßten, wonach man ja nicht sucht, wenn man sich an einen Ausüber wendet und ihn um geistige Unterstützung durch Gebet bittet. In der Klage versucht man ferner, Die Mutterkirche dafür verantwortlich zu machen, daß sie die Ausüber nicht genügend darin ausbildet, ernste Krankheiten zu erkennen und zu melden.
Die Mutterkirche sowie die Ausüber haben Rechtsanwälte und andere juristische Experten verpflichtet. Die Gerichtsverhandlung soll im Spätsommer stattfinden.
Mehrere Zeugen zweifeln die von den ehemaligen Kirchenmitgliedern geschilderten Ereignisse an und bestreiten sie aufrichtig. Die Ausüber erklärten in Erwiderung auf die Anschuldigungen, sie hätten die Eltern in keiner Weise gezwungen und sie auch nicht daran gehindert, ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen, sondern — wie das in der Christlichen Wissenschaft üblich ist — es ihnen überlassen, ihre eigene Entscheidung zu treffen. Die Mutterkirche wies in ihrer Antwort darauf hin, daß sie selbstverständlich keine Ausüber „ausbilde“ und das auch nicht ihre Aufgabe sei. Die im Journal oder Herold eingetragenen Ausüber haben von einem Lehrer der Christlichen Wissenschaft Klassenunterricht erhalten; sie können jedoch nicht im Beten „ausgebildet“ werden, noch werden sie später von der Kirche in ihren Gebeten beaufsichtigt. Darüber hinaus stehen sie einzig und allein im Dienst des christlichen und geistigen Heilens und haben weder die Verantwortung noch das Recht, medizinische Diagnosen zu stellen oder Empfehlungen zu machen.
Der Kläger wird im wesentlichen zu beweisen suchen, daß die Eltern über Tatsachen falsch informiert und „gezwungen“ worden seien, sich auf etwas anderes als die Medizin (das Gebet und die Behandlung in der Christlichen Wissenschaft) zu verlassen. Es liegt auf der Hand, daß sie versuchen werden, die allgemeine Ansicht der heutigen Gesellschaft, die Medizin sei — besonders für Kinder — die einzig glaubwürdige oder annehmbare Heilmethode, zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sollte diese Ansicht ihren Niederschlag in einem Gesetz finden, dann würde sie natürlich den einzelnen daran zu hindern suchen, sich für das praktische Heilen seiner selbst und seiner Angehörigen auf christliches Gebet zu verlassen. Damit würde die Gesellschaft schließlich entscheiden, daß in diesem Zeitalter die Lehren Christi Jesu vom Heilen nicht länger geduldet werden können.
Die Tatsache, daß gerade jetzt ein solcher Fall zur Sprache kommt, braucht wohl nicht zu überraschen, wenn man die Tendenzen bedenkt, die sich in diesem Jahrhundert abzeichnen. Unter den unerbittlichen Angriffen eines zähen Materialismus wird der christliche Idealismus, von dem unsere Gesellschaft einst durchdrungen war, undeutlich.
Es war dieser christliche Idealismus, der zu Beginn dieses Jahrhunderts eine Zeitschrift namens Medical Talk dazu anregte, in einem Leitartikel auszuführen: „Es wird erneut die Frage gestellt: ... Soll man es den Christlichen Wissenschaftern erlauben, sich in Übereinstimmung mit ihrer religiösen Auffassung untereinander zu heilen, und soll man es ihnen gestatten, dafür ein Honorar zu verlangen? ... Es erscheint in der Tat befremdend, daß in einer wahrhaft zivilisierten Gesellschaft eine solche Frage gestellt wird. Wir werden uns hüten, diese Menschen zu belästigen, die wir Christliche Wissenschafter nennen, denn die Art und Weise, in der sie sich zu ihrem Glauben bekennen, ist der des ursprünglichen Christentums außerordentlich ähnlich, das trotz gesetzlicher Verfügungen, trotz persönlicher Angriffe, trotz Verspottung und Verachtung durch die Gelehrten heute noch lebt! Wir werden uns hüten, diese Menschen anzugreifen, damit wir nicht möglicherweise feststellen, daß wir gegen Gott selbst streiten.“
Wie drastisch sich doch die Wertvorstellungen der menschlichen Gesellschaft in den vergangenen fünfundsiebzig Jahren geändert zu haben scheinen! Die Folge davon ist, daß die Menschheit jetzt, am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, an so etwas wie einem moralischen und geistigen Scheideweg steht. Auf dem einen Weg wird der Medizin alle Macht zugeschrieben und der Mensch als eine Kreatur betrachtet, die rein mechanisch funktioniert, chemisch und biologisch ist. Der andere führt zu neuen Hinweisen auf das geistige Wesen des Menschen, zur Wiederbelebung des christlichen Heilens, beseelt die Menschheit mit einem neuen Geist und eröffnet ihr größere Möglichkeiten.
Der spezifische Rechtsfall, der gegenwärtig vorliegt, mag nur eins von vielen Mitteln sein, durch die sich diese Frage im Laufe der nächsten zwei Jahrzehnte immer deutlicher herauskristallisiert. Soll die Gesellschaft ein für allemal bestimmen, daß die ärztliche Behandlung die einzige anerkannte Heilmethode ist? Soll es daher unrechtmäßig oder sogar gesetzlich strafbar sein, sich für Heilung auf das Christentum des Christus zu verlassen? Die Antwort der Christlichen Wissenschafter ist natürlich eindeutig. Doch in solchen Fragen klingen die Worte Mrs. Eddys wider, die sie vor nahezu hundert Jahren mit solcher Weitsicht sprach: „Die entscheidende Frage für die Menschheit ist: Sollen wir ein geistiges Christentum und eine geistige Heilweise oder eine materialistische Religion und eine materielle Medizin haben?“ Vermischte Schriften, S. 246.
Wir leben in einer Zeit der Herausforderungen; unzählige Fragen wollen gelöst werden. Mrs. Eddy machte klar, daß die Antworten auf solche Fragen keineswegs von vornherein feststehen. Vielmehr werden sie von dem geistigen Mut und dem unermüdlichen Gebet eines jeden Christlichen Wissenschafters bestimmt.
Glücklicherweise ist die Religionsfreiheit in der Verfassung der Vereinigten Staaten noch immer tief verankert. Mrs. Eddy schreibt: „Eine Leichenschau, ein Gesundheitsamt oder Klassenjustiz kommt der Verfassung der Vereinigten Staaten nicht gleich und schon gar nicht Gottes segensreicher Herrschaft, die ‚die Person nicht ansieht‘.“ Verschiedenes, S. 128. Diese Tatsache wurde bereits zu einem gewissen Grade anerkannt. Zu Beginn des Prozesses wurden einige spezifische Behauptungen aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Der Richter entschied zu der Zeit, daß die verbleibenden Beschuldigungen später zurückgewiesen werden könnten, sollte sich herausstellen, daß sie Fragen aufwerfen, die im wesentlichen religiöser Art sind — d. h., wenn sie die Geschworenen in den Versuch verwickeln würden, über die Wahrheit oder Unwahrheit religiöser Aussagen zu entscheiden — und die rechtmäßigerweise nicht zum Entscheidungsbereich eines weltlichen Gerichts gehören.
Mrs. Eddy forderte einst die Christlichen Wissenschafter auf: „Wollt ihr eure Lauheit ablegen und wirkliche, hingebungsvolle Streiter werden? Wollt ihr euch ganz und unwiderruflich dem großen Werk widmen, die Wahrheit, das Evangelium und die Wissenschaft aufzurichten, die für die Erlösung der Welt von Irrtum, Sünde, Krankheit und Tod nötig sind? Antwortet sofort und mit der Tat und antwortet recht!“ Verm., S. 177.
Im Jahre 1983 werden ähnliche Antworten verlangt. Tägliches, spezifisches Gebet, das den großen Segen sucht und erkennt, der so greifbar nahe liegt, ist vonnöten. Ein solches Gebet bringt nicht bloß die Hoffnung des menschlichen Gemüts zum Ausdruck; es wird vielmehr durch die Wirklichkeit des unendlichen Gottes veranlaßt und erhält von Ihm seine Macht. Ein bewegendes Lied beschreibt das folgendermaßen: „Steten Fortschritt will das Leben,/Bis sich schließlich jedermann/Zur Gerechtigkeit hinwendet,/Zum erhabnen Gottesplan.“ Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 258. Wir beten nicht lediglich für das gerechte Ergebnis eines Gerichtsverfahrens oder für den besonderen Schutz einer Glaubensgemeinschaft. Wir beten für die geistige Zukunft der Menschheit.
Offensichtlich ist es jetzt für die gesamte Kirche an der Zeit, wirklich aktiv zu beten.
[Auszüge aus der Rubrik „The Church in Action“ aus dem Christian Science Journal.]
