Die meisten von uns können gelegentlich die Qual des Apostels Paulus nachfühlen, der an die ersten Christen in Rom schrieb: „ ... das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Röm. 7:19. Jeder aufrichtige Christ möchte gut sein, Gutes tun und Gutes denken. Und er möchte besser verstehen lernen, daß die Versuchungen des Bösen keine Macht haben.
So kann uns in Augenblicken der Versuchung Paulus' Bericht über sein Ringen (7. und 8. Kapitel seines Briefes an die Römer) führen, belehren und ermutigen.
Paulus bemühte sich mit Erfolg, der Versuchung zu widerstehen, Böses zu tun. Sein Leben nach der Bekehrung bezeugt, daß er imstande war, die bösen Suggestionen des fleischlichen Gemüts zu überwinden, sich mit Gott eng zu verbinden und dadurch sein Denken und sein tägliches Leben zu vergeistigen. Wir können vieles aus seinen Lehren lernen.
Paulus fährt in seinem Brief fort: „Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt... Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen; ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern.“ Röm. 7:20, 22, 23.
Daraus können wir ersehen, daß Paulus die Sünde nicht als Teil seiner selbst betrachtete, sondern als etwas, was von seinem Bewußtsein getrennt war, etwas, was nur beanspruchte, in ihm zu wohnen. Er hatte bis zu einem gewissen Grade erkannt, daß das Böse oder die Sünde nicht zum wahren Wesen des Menschen gehört, und auf dieser Grundlage widerstand er dem Bösen. In seinem Brief an die Kolosser (3:9, 10) bezeichnet er das Böse als „den alten Menschen“, der „ausgezogen“ wird, und das Gute oder die geistige Gesinnung als „den neuen [Menschen]“, der „angezogen“, d. h. täglich durch Taten gelebt wird.
Auch wir müssen verstehen, daß das Böse unpersönlich ist, daß es nicht zu uns gehört, denn dadurch werden wir in unserer Verteidigung gegen sündige Handlungen und Gedanken bedeutend gestärkt. Wir müssen das tatsächliche Wesen des Bösen als nichts, als macht- oder substanzlos verstehen, um über jede Form der Versuchung, die das fleischliche Gemüt ersinnt, Herrschaft zu gewinnen. Das Böse als persönlich zu betrachten ist an sich eine Versuchung, der es zu widerstehen gilt. Und sich gleichgültig zu weigern, den Kampf mit der Sünde aufzunehmen, ist die raffinierteste und aggressivste aller Versuchungen.
Wenn wir uns an Paulus ein Beispiel nehmen, können wir erkennen, daß der Irrtum, die Sünde oder das Böse niemals auch nur einen Augenblick etwas ist, was zu unserem eigenen Bewußtsein gehört. Die Versuchung, das Böse mit einer Person in Verbindung zu bringen, ist, wie die Christliche Wissenschaft erklärt, eine Phase des tierischen Magnetismus, der falschen Annahme, daß Leben und Intelligenz in der Materie seien; und diese Annahme zieht das Denken unablässig zur Materialität und Sinnlichkeit hin. Ja, Paulus erkannte, wie beständig diese Anziehungskraft des tierischen Magnetismus oder der materiellen Gesinnung im Denken der Sterblichen ist, und bezeichnete sie als ein Gesetz. Aber beinahe im selben Atemzug verweist er auf ein weit mächtigeres Gesetz, das geistige Gesetz, das das falsche Gesetz des Bösen außer Kraft setzt. Er schreibt: „... das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht in Christus Jesus, hat mich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des Todes.“ Röm. 8:2.
Mrs. Eddy bezieht sich in einer ihrer kürzeren Schriften auf dieses höhere Gesetz; sie sagt: „Das Gesetz des Lebens und der Wahrheit ist das Gesetz Christi, das jeden Sinn von Sünde und Tod zerstört.“ Und sie fährt fort: „Gottes Gesetz ist in drei Worten enthalten:, Ich bin Alles‘; und dieses vollkommene Gesetz ist stets gegenwärtig, um jeden Anspruch eines anderen Gesetzes zurückzuweisen.“ Nein und Ja, S. 30.
Das Verständnis, daß Gottes Gesetz das einzige Gesetz, allerhaben und unwiderstehlich ist, ermöglicht es jedem von uns, heute den Sieg über das Böse davonzutragen, ganz gleich, wie hartnäckig, dreist oder erschreckend es erscheinen mag. Wir beginnen damit, daß wir demütig und ehrlich unsere Motive, Ziele und Wünsche im Lichte der Lehren Christi Jesu prüfen. Dann arbeiten wir hingebungsvoll, um unser Denken und Tun mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen, indem wir Sein Gesetz als die einzig wirkliche Macht anerkennen, die in unserem und im Leben aller wirkt.
Wenn der tierische Magnetismus keine Macht besitzt und kein Gesetz ist, was ist er dann? Er ist einfach ein Begriff — ein Begriff, der benutzt wird, um das Wesen des Bösen, des Unwirklichen, zu beschreiben. Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, erläutert Mrs. Eddy: „In der Christlichen Wissenschaft ist tierischer Magnetismus oder Hypnotismus die spezielle Bezeichnung für den Irrtum oder das sterbliche Gemüt.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 103. Interessanterweise wird an dieser und an anderen Stellen im Lehrbuch der Begriff „tierischer Magnetismus“ im Zusammenhang mit dem Wort „Hypnotismus“ gebraucht. Dies ist ein anderer zweckmäßiger Ausdruck, der uns das angebliche Gemüt näherbringt, das uns anscheinend unseren höchsten Wünschen und Neigungen zuwider denken und handeln läßt.
Aber die hypnotische Versuchung des fleischlichen Gemüts kann nur in dem Maße wirksam sein, wie wir ihr keinen Widerstand leisten. Wir müssen uns auf das höhere Gesetz berufen — auf die Macht, die im Gemüt, Gott, ihren Ursprung hat. Wir brauchen uns nie durch das Phänomen, tierischer Magnetismus genannt, einschüchtern oder quälen zu lassen. Paulus war mutig. Er hatte einige wertvolle Tatsachen über das wahre Wesen des Menschen gelernt, über „den neuen Menschen“, von dem er geschrieben hatte. Er frohlockte: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi ...“ Röm. 8:16, 17.
Bedenken Sie nur! Wir alle sind die Kinder Gottes! Wir sind sogar Miterben Christi. Wie wirkungsvoll können wir uns doch gegen die sogenannte Anziehungskraft des Bösen verteidigen, wenn wir diese Wahrheit erkennen! Der Mensch ist als Geschöpf Gottes zu Seinem Bild und Gleichnis geschaffen, geistig vollständig, unversehrt, vollkommen. Da Gott das einzige Gemüt des Menschen ist, kann dieser keinen einzigen irrigen Gedanken und keine irrige Neigung hegen. Dies ist die absolute Wahrheit über jeden von uns.
Das Kind Gottes, das den göttlichen Willen widerspiegelt, möchte niemals sündigen. In Wirklichkeit kann es nicht sündigen. Ja, in Gottes Reich gibt es keine Sünde, die auch nur den Anspruch erheben könnte, als ein Gesetz zu wirken, das den Menschen zu dem Gedanken verleitet, aus Übeltun könne Gutes erwachsen. Wenn wir daher versucht sind zu glauben, daß wir (oder ein Familienmitglied, ein Freund oder ein Feind) wirklich fähig seien, Böses zu tun, können wir mit Vollmacht erklären, daß wir und alle anderen tatsächlich Gottes eigene Kinder sind, und wir können diese Wahrheit als Gesetz erkennen.
Nun, wir brauchen nicht überrascht oder erschreckt zu sein, wenn ein solches Gebet Mühe kostet. Manchmal müssen wir ringen, um an der Vision, Verwirklichung und Demonstration der göttlichen Kindschaft des Menschen festzuhalten. Paulus bezeichnete diese Arbeit als ein Widerstreiten. Aber der Kampf braucht uns nicht zu überwältigen. Tatsächlich kann jeder von uns dieses Ringen freudig auf sich nehmen, indem er sich verpflichtet, beim Ausarbeiten seiner eigenen Erlösung dem Bösen jeder Art zu widerstehen.
Wenn wir bereit sind, den Kampf mit der Versuchung aufzunehmen, und dabei das Böse nicht als Teil der Individualität des Menschen sehen; wenn wir dem Bösen als einem beherrschenden Element in unserem Leben jede Macht verweigern; wenn wir beständig Gottes allerhabene Herrschaft und Allheit anerkennen; wenn wir täglich und beharrlich unsere wahre Identität als Gottes eigenes Kind erkennen und uns ernsthaft bemühen, unserem höchsten Verständnis von dieser Beziehung gemäß zu leben, dann werden wir mehr und mehr feststellen: Das Gute, das wir wollen, das tun wir; und das Böse, das wir nicht wollen, das tun wir nicht. Dann werden auch wir schließlich die Worte, die Paulus zugeschrieben werden, sprechen können: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten; hinfort ist mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage geben wird ...“
Und hören Sie nur die darauffolgende liebevolle Ermutigung: „... nicht mir aber allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ 2. Tim. 4:7, 8.
