Im Spätsommer des Jahres 1962 war ich in Edinburg, Schottland; fünfzehn Monate des Studiums und der Reisen näherten sich dem Ende. Edinburg war von Touristen und Studenten überlaufen. Ich hatte wohl gerade noch die letzte Unterkunft in der Stadt gefunden, und zwar in einem Wohnhaus ohne Fahrstuhl, in dem ausschließlich auswärtige Studenten wohnten, die ich nicht kannte. Wenige Wochen vor meiner geplanten Heimreise mit dem Schiff erkrankte ich plötzlich. Mehrere Tage lang lag ich auf dem Bett, betete und versuchte, die Furcht zurückzuweisen, die zeitweilig überwältigend war. Schließlich rief ich eine ortsansässige Ausüberin der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr’istjən s’aiəns) an und bat sie um Hilfe.
Da ich die Christliche Wissenschaft seit meiner Kindheit studiert habe, war ich nicht geneigt, eine ärztliche Diagnose einzuholen, aber die Symptome glichen denen einer anderen Studentin, mit der ich früher im selben Jahr zusammengewohnt hatte; ihre Erkrankung war als Drüsenfieber diagnostiziert worden. Da das Problem möglicherweise für ansteckend gehalten werden konnte, bestand die Ausüberin darauf, daß ich das Gesundheitsamt benachrichtigte. Dieser Schritt erforderte beträchtlichen Mut. Ich befürchtete, daß ich unter Quarantäne gestellt und das Schiff verpassen würde, auf dem ich meine Heimfahrt gebucht hatte. Doch ich rief das Amt an; und der Beamte, mit dem ich sprach, dankte mir lediglich für die Mitteilung und verlangte nicht, daß ich mich ärztlich untersuchen ließe. Ich war sehr erleichtert.
Am nächsten Tag stieg die Ausüberin all die Stockwerke hinauf, Wohnhaus zuging, schlug sie vor, daß ich in das örtliche Pflegeheim für Christliche Wissenschafter gehe. Zunächst widersetzte sich mein Eigensinn gegen diesen Gedanken. Konnte mich Gott denn nicht heilen, wo immer ich war? Als ich etwas später schließlich doch in dem Heim bequem in einem sauberen Bett lag, von dem aus ich einen herrlichen Ausblick auf einen umfriedeten Garten hatte, sah ich ein, daß die Situation mich zwang, mehr Demut und ein größeres Vertrauen auf Gottes Führung zum Ausdruck zu bringen.
Von dem Pflegepersonal freundlich und geschickt umsorgt, mit regelmäßigen Mahlzeiten und den täglichen Besuchen der Ausüberin fand ich es dann viel leichter, mich von dem sterblichen Augenschein eines kranken Körpers abzuwenden und über die Wahrheiten meines unsterblichen Seins als Gottes Widerspiegelung ruhig nachzudenken. Mein Studium der Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft am frühen Morgen gewann mehr Bedeutung, und ich wurde mit Mary Baker Eddys Schriften besser vertraut.
Eines Tages sagte mir die Ausüberin, ich solle mit allem Nachdruck anerkennen, daß ich auf die gebetvolle Behandlung, die mir zuteil wurde, anspreche. Gewissenhaft versuchte ich, diese Aufforderung zu befolgen. Früh am nächsten Morgen, während ich studierte und betete, erhaschte ich plötzlich einen lebhaften Schimmer von einer geistigen Tatsache, die mir logisch war und Zuversicht gab. Für einen kurzen Augenblick erkannte ich deutlich, daß alle Ideen Gottes, des göttlichen Gemüts, von Gemüt, Gott, stets vollständig beherrscht werden und Ihm gehorsam sind — und keinem anderen. Und ich wußte, daß ich eine jener Ideen war. Dieser Gedanke kam mir nicht mit Worten in den Sinn. Ich hatte ähnliche Erklärungen seit Jahren gelesen. Doch die Tatsache, die diese Worte darlegten, wurde auf einmal Wirklichkeit für mich, und ich akzeptierte sie als etwas, was schon immer wahr gewesen ist.
In jener Nacht erwachte ich mit dem unbehaglichen Gefühl, völlig durchnäßt zu sein. Etwas beunruhigt klingelte ich der diensttuenden Pflegerin, die mir saubere, trockene Bettwäsche und Decken brachte. In der nächsten Nacht wiederholte sich das, aber es war weniger heftig. Rückblickend erkenne ich, daß dieser Vorgang das natürliche Resultat einer mentalen Chemikalisation war. In Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift stellt Mrs. Eddy fest (S. 401): „Das, was ich Chemikalisation nenne, ist die Umwälzung, die entsteht, wenn die unsterbliche Wahrheit die irrige sterbliche Annahme zerstört. Die mentale Chemikalisation bringt Sünde und Krankheit an die Oberfläche und zwingt die Unreinheiten zu vergehen, geradeso wie es bei einer gärenden Flüssigkeit der Fall ist.“ Ein paar Tage danach glaubte ich, das Pflegeheim verlassen zu können, denn ich war sicher, nun geheilt zu sein. Zwar fühlte ich mich noch ein wenig schwach, und die Schwellungen waren noch nicht ganz zurückgegangen, aber das Fieber war vollständig verschwunden.
Kurz darauf hatte ich die Vorbereitungen für meine Heimreise abgeschlossen; ich erfreute mich einer erholsamen Seereise; und binnen einer Woche nach meiner Rückkehr begann ich mit einem anstrengenden Semester, in dem ich meine Studienarbeiten fortsetzte und Unterricht erteilte. Die Universität, an der ich mich immatrikuliert hatte, verlangte eine ärztliche Untersuchung; aber der Arzt bemerkte nur eine leichte Schwellung auf der einen Seite meines Halses. Voller Ehrfurcht erkannte ich den Beweis der heilenden Kraft Gottes und die Wirksamkeit christlich-wissenschaftlicher Behandlung, zumal diese Krankheit an der Universität, an der ich zuvor studiert hatte, beträchtliches Aufsehen erregt und man dort geglaubt hatte, sie erfordere eine längere Rekonvaleszenz. Die Schwellung und das Schwächegefühl verschwanden bald.
Nach Abschluß meines Studiums war es mir möglich, am Klassenunterricht in der Christlichen Wissenschaft teilzunehmen — ein wunderbares Privileg, das meine Wertschätzung für Gottes heilende Macht erhöhte und mir eine solide Grundlage für weiteres geistiges Wachstum gab. Auch die jährlichen christlich-wissenschaftlichen Schülerversammlungen halfen mir außerordentlich.
Wenn ich jetzt zurückblicke, kann ich den vielfältigen Segen erkennen, den die Christliche Wissenschaft in mein Leben brachte. Als ich allein lebte, stellte ich fest, daß mir das Studium dieser Wissenschaft half, in meiner akademischen Arbeit voranzukommen, mit Arbeitnehmerproblemen und finanziellen Schwierigkeiten fertig zu werden, angemessene Unterkunft zu finden und wahre Freundschaften zu schließen. Seit unserer Eheschließung halten mein Mann und ich es für unbedingt notwendig, alle wichtigen Entscheidungen in jenem Geiste zu treffen, der in den Sprüchen Salomos empfohlen wird (3:5, 6): „Verlaß dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlaß dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen.“ Die Aufgabe, unser Haus zu verkaufen und ein geeigneteres zu erwerben, wurde mit erstaunlicher Präzision gemeistert, als wir uns beharrlich auf den allmächtigen Gott, das Gute, verließen.
Ich bin außerordentlich dankbar für Christus Jesus, den Meister der Christen, für all die inspirierten Denker, von deren Werken die Bibel berichtet, und für Mrs. Eddy, deren Buch Wissenschaft und Gesundheit uns den Weg zeigt, die biblischen Lehren praktisch anzuwenden.
Barrington, Illinois, USA
