Wenn ein Architekt ein Haus baut, muß er wissen, daß seine Berechnungen genau sind. Er kann sich nicht nur mit der Hoffnung zufriedengeben, daß die Balken halten werden. Es genügt auch nicht, wenn er es glaubt; er muß mit Bestimmtheit wissen und verstehen, warum seine Methoden zuverlässig sind. Er baut auf seiner Kenntnis von den Regeln der Mathematik, der Physik und anderer Wissenschaften auf.
Sterblichen Hoffnungen fehlt allzuoft ein festes Fundament, eine zuverlässige Regel. Kann jemand, der sich nur auf materielle Hoffnung stützt, eine Maschine sicher bedienen, Zahlen errechnen, Beweise liefern? Wenn die menschliche Hoffnung veränderlich, schwankend oder trügerisch ist, kann sie kein Pfeiler für eine christlich-wissenschaftliche Demonstration sein.
Jesus tröstete die Menschen nicht lediglich mit der Hoffnung, daß es eines Tages besser werde. Er wußte, daß die Vollkommenheit des Menschen eine ewige, greifbare, beweisbare Tatsache ist; und er konnte daher mit der absoluten Sicherheit der Wahrheit sagen: „Sei gereinigt!“ Matth. 8:3., „Sei sehend!“ Luk. 18:42. Alle, die er heilte, hatten wohl mehr oder weniger gehofft, gesund zu werden, waren aber auf diesem Punkt stehengeblieben — oft viele Jahre lang —, ohne einen einsichtsvollen Glauben oder ein rechtes Verständnis zu erlangen. Achtunddreißig Jahre lang war der Mann am Teich von Bethesda ein Krüppel gewesen; viele Male hatte er gehofft, es würde ihm gelingen, in das Wasser zu tauchen, das ihn angeblich von seiner Behinderung befreien sollte. Aber erst als Jesus ihn ansprach, raffte er sich auf, mehr zu tun (siehe Joh. 5:1–10). Und als Jesus zu einer leidenden Frau sagte: „ ... dein Glaube hat dir geholfen“ Matth. 9:22., deutete er damit an, daß die Geheilte schon über die menschliche Hoffnung hinaus zu einem gewissen Maß unbeirrbaren Glaubens herangewachsen war.
Die Menschen haben sich Jahrtausende hindurch bemüht und gehofft, die Wahrheit über Gott und das Sein des Menschen zu erkennen. Oft versuchten sie zu glauben, ohne zu verstehen. Selbst zu Jesu Zeiten wurde seine Offenbarung vom Christus, der Wahrheit, der die ewigen Wahrheiten ans Licht bringt, nur von wenigen verstanden. Viele waren über seine Lehre entsetzt, wie die Bibel berichtet, aber sie begriffen das göttliche Prinzip nicht.
Jesus begnügte sich nicht mit Hoffnung. Er wußte um die Einheit des Menschen mit dem einen Schöpfer. Er kannte den Ursprung allen Seins — das göttliche Gemüt — so gut, daß er Gott, Gemüt, „Vater“ nannte, und damit stellte er für immer die enge Beziehung zwischen Gott und dem Menschen klar. Christus Jesus bewies durch seine Auferstehung, die durch sein Verständnis von der göttlichen Allmacht möglich war, daß das wirkliche Leben unzerstörbar ist. Wahrscheinlichkeiten, bloße Vermutungen oder menschliches Wünschen haben auf das Gesetz des Geistes keinen Einfluß.
Die Christliche Wissenschaft führt von zaghafter menschlicher Hoffnung über Glauben, geistige Erkenntnis und geistiges Verständnis zum Erfassen der göttlichen Tatsachen des Seins. Es ist eine ewige Wahrheit, daß Gott das allmächtige und alleinregierende Prinzip des Universums und des Menschen ist. Nicht gefühlsmäßiges Hoffen, sondern rein wissenschaftliches Denken führt zu brauchbaren Schlüssen. Die göttliche Liebe erfüllt das wahre Verständnis mit unverfälschter Reinheit.
Was kann Hoffnung bewirken, es sei denn, sie ist mit dem Prinzip verbunden? Gleicht sie nicht einem glimmenden Docht? Dieses schwache Glühen kann aber zu einem Lichtstrahl auf dem Weg zur Erlösung entfacht werden, wenn ein winziger Funke des Glaubens hinzukommt. Solch ein Glaube, eingetaucht in geistige Inspiration, kann schließlich zur Erleuchtung führen. Wenn Hoffnung fruchtbar werden soll, muß sich das Denken von persönlichen Wünschen lösen, von den vagen Vorstellungen, die auf Dinge oder Mitmenschen gerichtet sind. Wir müssen unsere Motive und Ziele auf einer höheren Ebene suchen. Irdische Hoffnungen, selbst wenn sie glühend sind, können das hohe Ziel verfehlen, Zufriedenheit und bleibende geistige Freude ausschließlich in Gott, dem unendlichen Guten, zu finden. Mrs. Eddy erklärt in Wissenschaft und Gesundheit: „Der Verlust irdischer Hoffnungen und Freuden erleuchtet manch einem Herzen den aufsteigenden Pfad.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 265.
Worauf hoffen die Sterblichen? Sie hoffen auf etwas, was sie erlangen möchten, aber oft nicht auf die Dauer in ihrem Besitz sehen — Gesundheit, Erfolg, Reichtum, Freiheit, Frieden. Im Gegensatz dazu schreibt der Apostel Paulus über die Hoffnung eines Christen, die zum Glauben wird: „Denn wir sind wohl gerettet, doch auf Hoffnung. Die Hoffnung aber, die man sieht, ist nicht Hoffnung; denn wie kann man des hoffen, das man sieht? Wenn wir aber des hoffen, das wir nicht sehen, so warten wir sein in Geduld.“ Röm. 8:24, 25.
In Wissenschaft und Gesundheit heißt es: „Wenn unsere Hoffnungen und Neigungen geistig sind, kommen sie von oben und nicht von unten und tragen, wie vor alters, die Früchte des Geistes.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 451. Die Hoffnungen, die von oben kommen — von dem göttlichen Bewußtsein —, sind bereits in der geistigen Tatsache verankert; sie sind aktiv und wachsen ihrer Erfüllung entgegen. Geistige Ideale können uns nicht wirklich entgleiten. Die Früchte des Geistes sind die Dinge, die wir nicht sehen, solange unsere Hoffnung noch auf das Erreichen materieller Dinge ausgerichtet ist. „Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit“ Gal. 5:22, 23., schreibt Paulus.
Geistige Hoffnung, göttlich inspiriert, vertieft unseren Glauben, daß die hohen Dinge des Geistes erreichbar sind. Geht nicht eine von Gott veranlaßte Erwartung des heraufziehenden Tages in ihrer Bestimmtheit weit über bloße menschliche Hoffnung hinaus?
Gottes Schöpfung ist vollkommen; sie funktioniert gemäß einem göttlichen Gesetz. Im geistigen Reich gibt es keine Störungen, Enttäuschungen oder Ungenauigkeiten; und alles ist gut. Die Einheit des Prinzips und seiner Idee, Gottes und des Menschen, ist eine geistige Tatsache, die in alle Ewigkeit besteht. Ein klares Verständnis hiervon überstrahlt selbst die stärkste Hoffnung. Die Unversehrtheit des wahren Menschen, der der Ausdruck von Leben, Wahrheit und Liebe ist, kann nicht bloß erhofft werden; sie ist unwiderlegbare Wirklichkeit und muß als solche verstanden und gelebt werden. Das unwandelbare Gemüt mit allen seinen Funktionen und Attributen ist stets intakt. Der wahre Mensch spiegelt diese Funktionen wider; er kann sie niemals unterbrechen.
Eine Zeitlang können wir einen Leidenden wohl durch menschliches Hoffen aufrichten. Aber er braucht mehr; er muß so weit vordringen, daß er die göttliche Quelle — die Wahrheit — akzeptieren und aus ihr schöpfen kann, um das falsche Bild aus seinem Bewußtsein zu verbannen. Hoffnung ist nicht das endgültige Ziel. In Wissenschaft und Gesundheit wird uns der Rat gegeben: „Es ist gut, in Krankheit gelassen zu sein; hoffnungsvoll zu sein ist noch besser; aber zu verstehen, daß Krankheit nicht wirklich ist und daß Wahrheit deren scheinbare Wirklichkeit zerstören kann, ist das Beste von allem, denn dieses Verständnis ist das allgemeine und vollkommene Heilmittel.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 393.
Wenn wir eine Brücke zum anderen Ufer überqueren müssen, können wir nicht auf der Brücke stehenbleiben. Wir müssen vorwärtsgehen, sonst werden wir niemals die andere Seite erreichen. Mögen auch die Schritte langsam und beschwerlich erscheinen, so wissen wir doch, daß das andere Ufer da ist. Gleicherweise helfen uns die Erwartung und der Glaube voran, und allmählich erkennen wir die Dinge, die uns verborgen schienen. Sie werden in unserem Bewußtsein immer greifbarer, wenn wir der Erkenntnis von der Fülle des Seins näherkommen.
Die Christliche Wissenschaft hilft uns zu verstehen, daß Gott Alles-in-allem und der Mensch eine zusammengesetzte Idee ist, die — unbegrenzt und vollständig — alles dem Original getreu zum Ausdruck bringt. Im Bewußtsein der ewigen Harmonie — der unerschütterlichen Wahrheit — verschwindet das Bild einer zitternden menschlichen Hoffnung. Kein Mangel, keine Begrenzung kann sich jemals zwischen Gott und Seine Idee, den Menschen, stellen.
Mit diesem Verständnis können wir die Basis des sterblichen Denkens verlassen, die unsichtbaren Dinge wahrnehmen, ihre geistige Identität verstehen und sie bewußt als ein sicheres Fundament nutzen. Wenn die höhere Hoffnung ihre Stadien des Glaubens, der Erkenntnis und des Verständnisses durchlaufen und vollendet hat, wird für Zweifel kein Raum mehr sein. Durch die Christliche Wissenschaft haben wir die Fähigkeit, die volle Wahrheit des Seins zu verstehen und die Christusbotschaft, die von dieser Wissenschaft verkündet wird, zu akzeptieren und richtig auszulegen. Was diese Botschaft mitteilt, führt zur Erfüllung der höheren Hoffnung, die von oben kommt. In ihrem Licht erkennen wir, daß die Dinge des Geistes niemals abwesend sind. Wir können erkennen und wissen, daß wir sie in unserem wahren Sein schon jetzt besitzen und sie immer besitzen werden.
