An einem Mittwochabend kam ich von der Zeugnisversammlung unserer Zweigkirche heim; im Haus brannte nirgends Licht. Als ich den Flur betrat, griff mich jemand von hinten an und zwang mich auf den Boden. Meine erste Reaktion war, mich mit aller körperlicher Kraft zu wehren. Doch ich wurde schnell von einem Mann, der mir versicherte, er wolle mir nichts Böses antun, überwältigt. Er sagte, daß er eine Pistole habe und es daher besser für mich sei, mich ihm zu ergeben.
Einige Jahre zuvor befand ich mich in einer ähnlichen Situation. Damals war ich vor Furcht wie gelähmt und konnte keinen gebeterfüllten Gedanken fassen. Ich war wirklich das „Opfer“. Obwohl ich nicht vergewaltigt wurde, brauchte ich Monate, um die Angst zu überwinden, abends allein zu sein. Ich betrachtete den Vorfall schließlich als einen unverhohlenen, aggressiven Angriff auf mich als Frau. Ich war gerade in ein neues Haus gezogen und freudig damit beschäftigt, es zu verschönern. Doch ich war versucht zu glauben, daß es als Frau gefährlich sei, in einem Haus allein zu wohnen. Ich mußte wirklich beten, um diese verzerrte Vorstellung in meinem Denken umzukehren. Ich wußte, daß es keinen Zweck hatte, davonzulaufen, wenn ich meine Freiheit demonstrieren wollte, sondern daß ich mich mit den Ängsten auseinandersetzen mußte. In den darauffolgenden Monaten betete ich um das Verständnis, daß Gott mich beschützt und ich mich einfach auf Gott völlig verlassen mußte. Er ist stets bei uns und stillt jederzeit unsere Bedürfnisse.
An jenem Mittwochabend nun wurde ich herausgefordert, diese Wahrheiten zu leben. Ich lehnte den Gedanken ab, daß ich eine zarte Frau sei und keine andere Wahl hätte, als mich zu ergeben. Der starke Impuls, mich gegen den Angriff zu wehren, gab mir die Gewißheit, daß meine Gebete nicht wirkungslos gewesen waren. Ich wußte jedoch auch, daß ich diesen Kampf nicht bloß durch physischen Widerstand gewinnen konnte. Ich mußte mich an eine Macht wenden, die weit stärker ist als physische Kraft — die immergegenwärtige Macht der göttlichen Liebe; und das tat ich auch. Ich begann laut zu beten. Wenn ich jetzt daran zurückdenke, sehe ich, daß ich dazu geführt wurde, nicht für mich, sondern für den jungen Mann zu beten. Ich sagte laut: „Sie sind Gottes Bild und Gleichnis. Er liebt und versorgt Sie. Sie brauchen sich nicht so zu benehmen.“ Ich spürte, daß er sofort darauf reagierte. Offensichtlich war er für die Wahrheit empfänglich, denn er sagte, ich solle weitersprechen. Während er auf und ab ging, lag ich auf dem Fußboden im Dunkeln und sprach über Christus Jesus und die Bibel, von der Barmherzigkeit, die Jesus Maria Magdalena gegenüber erwies. Ich hatte keine Angst; Mitleid erfüllte mein Denken, und ich hatte nur den einen Wunsch, diesem jungen Mann zu helfen.
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