Kennzeichnend für einen wahren Christen ist, daß er sich durch göttliche Gnade über Ärger zu erheben vermag. Durch Gottes heilende, errettende Gnade meisterte Christus Jesus sogar den bösartigen Zorn, der die falschen Beschuldigungen gegen ihn schürte, wie auch die Versuche, ihn zu töten. Den Tod selbst überwand er durch Auferstehung.
Jesus sagte zu seinen Nachfolgern: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Joh. 14:27. Wir können den Frieden, der durch den Christus zu uns kommt, durch die ewige göttliche Idee, die Jesus lehrte und lebte, niemals wirklich verlieren. Dieser Frieden wohnt uns von Natur aus inne; deshalb ist Ärger nur eine Täuschung, eine Annahme, daß das Böse Macht habe. Wie alle Sünde hat Ärger weder Macht noch Ursache, noch Wirkung — keine Wesenheit, es sei denn, wir geben ihm eine. Gott, das sündlose Gute, ist Allmacht, die einzige Ursache. Und der zu Seinem Ebenbild erschaffene Mensch, unsere wahre Identität, ist Seine fortwährende, harmonische Wirkung.
Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß Gott unendlich ist — das eine und einzige Gemüt, das eine und einzige Ego, die eine und einzige Seele — und daß es daher kein sterbliches Gemüt, kein Temperament und keinen Egotismus geben kann, die provozieren oder provoziert werden können, die ihrem Ärger Luft machen oder Ärger erleben können. Wenn wir unsere Ohren und Zungen dem Zorn hingeben, verbünden wir uns unnötigerweise mit dem Glauben an eine Intelligenz, ein Dasein und ein Bewußtsein, die von Gott getrennt sind. Dadurch verzögert sich unsere Erkenntnis der gnadenreichen Tätigkeit der göttlichen Liebe. Kein Wunder, daß Mrs. Eddy warnend darauf hinweist: „Es ist Irrtum, über Sünde auch nur zu murren oder erzürnt zu sein.“ Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 369.
Je besser wir Gott verstehen und je mehr wir in Einklang mit Ihm leben, indem wir Seine Gebote befolgen, desto seltener räumen wir dem Ärger Platz ein. Wenn Demut und Geduld durch Gebet und geistige Disziplin gepflegt werden, öffnen sich unsere Herzen, und in unserem Leben wird das geistige Verständnis, der Gehorsam, die geistige Gnade und der Frieden offenbar, die unserem wahren Selbst innewohnen. Und obwohl eines Menschen Charakter, seine Beziehungen oder Umstände durch Zorn scheinbar unabänderlichen Schaden genommen haben, können die Auswirkungen dieser falschen Vergangenheit umgekehrt werden, wenn wir geistig Fortschritte machen.
Das Alte Testament erzählt von einer Begebenheit, wo die durch gebeterfüllte Gemeinschaft mit Gott empfangene göttliche Gnade die Auswirkungen des Zorns heilte. Siehe 2. Mose, Kap. 32–34. Nachdem Mose auf den Berg Sinai gegangen war, wo er von Gott die steinernen Tafeln mit den eingravierten Zehn Geboten erhielt, kehrte er zurück, um sie seinem Volk zu bringen. Doch anstatt ihm beizustehen und ehrfürchtig auf seine Rückkehr zu warten, feierte das Volk voller Übermut — und betete ein goldenes Kalb an! Im Zorn brach Mose, sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinne, die Gebote. Die Steintafeln, auf denen sie geschrieben waren, lagen in Scherben auf dem Boden.
Später jedoch vereinte Mose sich im Namen seines Volkes demütig mit Gott und fand Gnade vor Seinem Angesicht. Er bat darum, Gottes Herrlichkeit zu sehen, und wurde auf den Berg zurückgerufen. Dort zeigte sich die unaussprechliche Barmherzigkeit Gottes, als Er ihm wiederum die Gebote gab und sie auf Steintafeln niederschreiben ließ — und Mose kehrte zu einem ehrfurchtsvollen und aufmerksamen Volk zurück.
Sollte uns Ärger, selbst im Namen der Gerechtigkeit, scheinbar veranlaßt haben, Gebote zu brechen — sollten wir andere Götter angebetet haben, indem wir eine Wirklichkeit aus Fehlern, aus Ungerechtigkeit, Treulosigkeit, Sünde in irgendeiner Form machten —, dann können auch wir erlöst und wiederhergestellt werden. Tatsächlich erleben wir nur Gutes, und zwar in dem Verhältnis, wie wir nur einem Gott gehorchen. Dies erfordert von uns nicht nur buchstäblichen Gehorsam gegen die Gebote. Vielmehr müssen wir auch die Tatsache akzeptieren, daß das unendliche Gute schon immer die Wirklichkeit war — und nicht der Zorn. Und wir müssen dementsprechend leben.
Wenn wir es zugelassen haben, daß die materiellen Sinne uns mit einer ärgerlichen Szene beeindrucken, derentwegen wir uns wiederholt Vorwürfe machen oder über die wir uns grämen, so nehmen wir uns doch vor, dieses Götzenbild aus unserem Gedächtnis zu tilgen, indem wir vergeben und vergessen und es durch die Wahrheit ersetzen, daß Gott zu jener Zeit ebenso Alles-in-allem war, wie Er es jetzt ist.
Wir mißbrauchen den Namen Gottes, wenn wir Ihn bitten, das Verhalten anderer uns gegenüber zu berichtigen, obwohl wir selbst keine Anstrengungen machen, unser Verhalten ihnen gegenüber zu verbessern. Doch dieses vergebliche Bitten weicht wahrem Gebet, wenn wir unseren eigenen Irrtümern ehrlich ins Gesicht sehen und von ihnen ablassen, während wir darauf vertrauen, daß Gott die anderen regiert.
Wir gedenken des Sabattages im weitesten Sinne, wenn wir die göttliche Gerechtigkeit wirken lassen, während wir in der Gewißheit verweilen, daß Gottes Wille zu Seiner Zeit und auf Seine Art erfüllt wird. Und wir ehren Gott als den einzigen wahren Vater und die einzige wahre Mutter, wenn wir erkennen, daß alle Seine Kinder gelassen und unerschütterlich sind.
Betrachten wir weiter, wie die Gebote auf Zorn angewandt werden können, so verbietet uns das Gebot „Du sollst nicht töten“, eine Beziehung im Zorn zu zerstören. „Du sollst nicht ehebrechen“ verlangt, daß wir uns nicht mit Groll, der langanhaltenden Form von Ärger, besudeln. „Du sollst nicht stehlen“ Siehe 2. Mose 20:13–15. gebietet uns, ärgerliche Ausbrüche zu heilen und uns nicht unseren Frieden stehlen zu lassen.
Wir reden wahres Zeugnis, wenn wir für ungestörten Frieden zeugen. Wir brauchen den Frieden nicht zu begehren, denn wenn wir das Christentum, zu dem wir uns bekennen, wahrlich praktizieren, bleiben wir im Frieden.
Der unveränderliche Frieden der Seele schließt stürmische Temperamente aus und erwirkt überall Frieden. In dem Maße, wie unser Herz und unser Leben durch das Studium und die Anwendung der Christlichen Wissenschaft geistig erneuert werden, weicht und verschwindet die Täuschung, die sich Zorn nennt. Und des Menschen wahre Identität, die sich immer in Frieden befindet, wird sichtbar.
