Von vielen Seiten wird heute die sogenannte Dekadenz der westlichen Welt verurteilt — ihr völliges Aufgehen in der Materialität, insbesondere der Sinnlichkeit, und ihre Mißachtung des Moralischen und Geistigen. Dieser Niedergang wird zum großen Teil der „sexuellen Revolution“ angelastet.
Wenn auf der einen Seite die sexuelle Revolution dazu führt, daß die Frauen und Männer von Rollenklischees frei werden — die Frau mehr Gerechtigkeit im Beruf erfährt und der Mann seine mütterlichen Eigenschaften in der Familie und zu Hause in größerem Umfang betätigen kann —, so ist das ein gesellschaftlicher Fortschritt. Wenn aber andererseits die sexuelle Revolution mit sich bringt, daß die moralischen Werte ihre Gültigkeit verlieren — etwas, was für viele der Erlaubnis gleichkommt, zu tun, was sie wollen, statt das tun zu wollen, was gut ist —, dann stehen wir vor einem moralischen Dilemma.
Man hört manchmal sagen: „Sie heißen wahrscheinlich meine Lebensweise nicht gut“ oder: „Ich billige den Lebensstil meines Sohnes oder meiner Tochter nicht.“ Die meisten Menschen würden sich nicht bewußt dazu entscheiden, außerhalb der Normen zu leben, die uns im Alten und Neuen Testament gegeben wurden, wenn sie die geistigen Gründe für diese Normen wirklich verstünden. Aber der weitverbreitete Glaube an psychologische und biologische Zwänge hat dazu beigetragen, daß man versucht, außereheliche sexuelle Beziehungen zu rechtfertigen.
Dadurch, daß die westliche Welt tief in der Bibel verwurzelt ist, war sie Jahrhunderte hindurch beschützt. Die in der Heiligen Schrift aufgestellten moralischen und christlichen Forderungen waren zumindest die allgemein gültige Norm, wenn man ihnen auch noch so wenig gerecht wurde. Obgleich die Erfüllung dieser Forderungen in einigen Bereichen beträchtlich nachgelassen haben mag, so bleibt ihre Grundlage doch unberührt. Sie bildet das Fundament für individuelle geistige Disziplin und als Folge dieser Disziplin für eine reinere Gesellschaft. Für viele hat die Bibel nie aufgehört, ein geliebter und geachteter Wegweiser zu sein. Wenn die von der Bibel gelehrte Wahrheit heute praktiziert wird, öffnet sie den Weg für einen modernen Exodus — einen Exodus aus dem Aufgehen in der Sinnlichkeit. Die Bibel verheißt denen, die ihren Lehren gehorchen, reichen Segen und Schutz. Der Psalmist schreibt: „Stärke mich, daß ich gerettet werde, so will ich stets Freude haben an deinen Geboten.“ Ps 119:117.
Viele Menschen, die außereheliche sexuelle Beziehungen pflegen oder homosexuell sind, möchten diese Beziehungen aufgeben, stellen aber fest, daß sie Sklaven der Sinnlichkeit geworden sind. Um diesen Einfluß zu brechen, muß derjenige, der Freiheit von sexueller Unmoral sucht, sich ununterbrochen gegen diese Form des Irrtums wehren — nicht aus Angst, sondern weil es der gesunde Menschenverstand gebietet. Ein Lied fordert uns auf:
Leg des Himmels Rüstung an,
Denn der Böse stellt dir nach.
Trag die Rüstung Tag und Nacht —
Bet und wach! Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 67.
Wenn alte Versuchungen andauern, kann sich der um moralische und geistige Freiheit Ringende die Erfahrung der Israeliten ins Gedächtnis rufen. Sie wurden nach der Flucht aus dem Land, in dem sie Sklaven waren, von ihren früheren Herren verfolgt. Die folgenden Worte Moses — wenn man sie zu Herzen nimmt — machen Mut: „Fürchtet euch nicht, stehet fest und sehet zu, was für ein Heil der Herr heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Der Herr wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.“ 2. Mose 14:13, 14.
Wenn wir uns den weiteren Verlauf des Auszugs der Israeliten in Erinnerung rufen, stoßen wir auf die „Wolkensäule“, die Gott zwischen die Hebräer und ihre früheren Herren stellte, so daß „die Heere die ganze Nacht einander nicht näher [kamen]“; und natürlich auf den dramatischen Sieg der Kinder Israel, als sie trockenen Fußes durch das Rote Meer gingen, dessen Wasser sich teilten und so ihre Erlösung endgültig machten. Siehe 2. Mose 14:19–29.
Für denjenigen, der darum ringt, von außerehelichen oder homosexuellen Beziehungen frei zu werden, wird sich das, was wie ein Rotes Meer zu sein scheint, teilen, wenn er die wahre Natur des Menschen zu verstehen beginnt. Wie das Alte Testament das Gesetz gibt und die Lehren Christi Jesu das Verlangen wecken, ihm zu gehorchen, so hilft ihm die Christliche Wissenschaft zu verstehen, wie er dieses Gesetz befolgen kann.
Die Achtung vor dem biblischen Gesetz und die Demut, die wir empfinden, wenn wir etwas von dem Geist des Christentums erfassen, öffnen den Weg zum Verständnis der Lehren der Christlichen Wissenschaft: daß alle richtigen Ideen von Gott, dem göttlichen Gemüt, kommen und deshalb rein sein müssen; daß Liebe eine Eigenschaft ist, die die göttliche Liebe im Menschen widerspiegelt; daß diese Eigenschaft sündlos sein muß; daß Geistigkeit — in Wirklichkeit der ursprüngliche Status des Menschen, des Ausdrucks Gottes, des Geistes — Begierde ausschließt; daß wirkliche Befriedigung nicht in flüchtigem sinnlichem Vergnügen liegt, sondern darin, gut zu sein und richtig zu handeln; daß echte menschliche Zuneigung selbstlos ist.
In der Bibel und in den Schriften Mrs. Eddys wird uns immer wieder nahegelegt, sinnliche Freuden aufzugeben und wahre Freude und Befriedigung zu finden, indem wir uns die Wahrheit über Gott und den Menschen zu eigen machen und versuchen, diesem Verständnis gemäß zu leben. In Wissenschaft und Gesundheit finden wir die folgende Verheißung: „Wahrheit schafft eine neue Kreatur, in der das Alte vergeht und ‚alles neu geworden’ ist. Leidenschaften, Selbstsucht, falsche Begierden‚ Haß, Furcht, alle Sinnlichkeit weichen der Geistigkeit, und die Überfülle des Seins ist auf seiten Gottes, des Guten.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 201.
In dem Fall der Ehebrecherin, von dem das Johannesevangelium berichtet, muß Christus Jesus ohne jeden Zweifel die wahre Identität der Frau gesehen haben: rein und vollkommen, so wie Gott sie erschaffen hat, und nicht eine Sünderin, der wegen ihrer Verfehlung die Steinigung bevorstand. Jesus brachte so viel Christusliebe zu der Frau zum Ausdruck, daß er sie vom Ehebruch trennen konnte. Und die gleiche zutiefst geistige Liebe trennte ihre Ankläger von der falschen Selbstgerechtigkeit, die statt der Sünde den einzelnen bloßstellen und verurteilen möchte.
Der Meister sagte zu ihren Anklägern: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“ Daraufhin gingen die Ankläger hinaus, „einer nach dem andern, die Ältesten zuerst.“ Die Geschichte endet mit Jesu mitfühlender Versicherung an die Frau: „So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr.“ Siehe Joh 8:1–11.
Die Wahrheit ist, daß der Mensch kein sinnlicher Sterblicher ist. Sein wahres Sein als Mensch, als Gottes sündlose Idee, ist geistig und vollkommen. Wer kämpft, um von sexueller Unmoral frei zu werden — indem er täglich betet, sein Denken mit der durch das Studium der Bibel und der Schriften Mrs. Eddys gewonnenen Wahrheit erfüllt und mutig darum ringt, in Übereinstimmung mit seiner wahren geistigen Natur zu leben —, dem wird die göttliche Liebe zweifellos den Weg öffnen. Sein Exodus wird kommen!
