In unserer Reihe „Bei Licht besehen“ finden Sie auf Seite 7 dieses Heftes einen Auszug aus dem Boston Globe. Hier wird wiedergegeben, was Dr. Robert Coles vor fast 30 Jahren herausfand, als er sich mit dem Fall eines kleinen Mädchens befaßte. Dieses Mädchen war die erste Schwarze, die in ihrem Wohnbezirk die öffentliche Grundschule besuchte. Das war kurz nachdem 1960 die Verordnung gegen die Rassentrennung wirksam geworden war. Auf dem Schulweg begegnete die sechsjährige Ruby Bridges jeden Tag einer wütenden Menschenmenge. Sie wurde angepöbelt, und man drohte, sie umzubringen.
Man würde vermuten, daß solche Erlebnisse bei der Kleinen zu einem Trauma führten, sie ließ sich jedoch nicht erschüttern. Und warum? Ihre Antwort war Gebet. Jeden Tag betete sie für sich selbst und für ihre Verfolger — und zwar dreimal täglich. Dazu hat Dr. Coles gesagt: „Wir sollten immer daran denken, wieviel ein Kind wie Ruby uns lehren kann.“ The Boston Globe, 4. Juni 1985.
Seitdem stieß ich in der Presse auf weitere Artikel über Dr. Coles. Es wird oft berichtet, daß ihm seine Tätigkeit als Lehrer viel Anerkennung eingebracht hat. Außerdem hat er für seine Bücher über „Krisenkinder“ den Pulitzer-Preis erhalten. Aber noch etwas anderes fiel mir kürzlich in einem Zeitschriftenaufsatz über die Arbeit dieses Mannes auf. Dort wurden seine Bemühungen wie folgt geschildert: „Er war viele tausend Kilometer gereist, hatte unzählige Tonbandaufnahmen gemacht, eine Million Wörter geschrieben, und immer wieder war er dabei auf die Bergpredigt zurückgekommen... Er hatte gelernt, daß es nicht auf das Außere ankommt — auf die Lebensumstände —, sondern auf das Inwendige, auf das, was im Herzen eines jeden Mannes, einer jeden Frau und eines jeden Kindes vorgeht.“ Siehe Philip Yancy, „The Crayon Man“, Christianity Today, 6. Februar 1987, S. 19.
Es ist zweifellos ganz wichtig, zu den Grundlagen zurückzukehren — zu den in der Bergpredigt aufgestellten geistigen Verhaltensregeln, die einfach, aber tiefgründig und von entscheidendem Einfluß auf das Leben sind.
Christus Jesus hat uns in der Bergpredigt viele wichtige Belehrungen gegeben, darunter auch die folgenden: „Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen... Liebt eure Feinde, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.“ Mt 5:9, 44 [einschl. Anmerkung], 45.
Wenn ich diese Worte lese, muß ich immer an das Beispiel von Ruby Bridges denken. Ich glaube, mit ihrer außergewöhnlichen Liebe und ihren Gebeten tat sie genau das, was Jesus von seinen Nachfolgern verlangte. Das ist es zweifellos, was ihr die Freude und den inneren Frieden bewahrte und ihre vielleicht sogar das Leben rettete.
Wenn man selber um den Sinn des Lebens ringt und gegen all die Schwierigkeiten und Zwietracht in seiner Umwelt ankämpft, kann man das Gefühl haben, als werde man ständig von einer schweren Last von Unberechenbarkeiten niedergedrückt. Ferner können gesundheitliche Probleme oder sonst eine verzweifelte Lage Verwirrung und Furcht mit sich bringen und dazu die Ungewißheit, wie’s weitergehen soll. Und dann wieder kann es vorkommen, daß Feindseligkeiten, Neid oder Mißverständnisse einem zu schaffen machen und man keine Möglichkeit der Heilung sieht. In all diesen Fällen ist es angebracht, zu den Grundlagen der Bergpredigt zurückzukehren.
Diese Botschaft Jesu an seine Jünger umfaßt — so wie sie im Matthäusevangelium erscheint — die bekannten Seligpreisungen, das Gebet des Herrn und einige wichtige Gleichnisse wie das von dem Klugen, der sein Haus auf den Felsen baut, und dem Törichten, der auf Sand baut. Und diesen Lehren des Meisters liegt ein umfassendes Verständnis von der Beziehung des Menschen zu Gott zugrunde. Jesus brachte die Einheit von Vater und Sohn durch sein Leben zum Ausdruck, und er bewies, daß die ideale Geistigkeit und Reinheit, die die wahre Identität eines jeden Menschen als Gottes Widerspiegelung darstellen, eine gegenwärtige Tatsache sind. Er heilte die Kranken, wandelte die Sünder um und weckte Tote auf.
Die Christliche Wissenschaft erklärt die Werke des Meisters vom Standpunkt der göttlichen Wirklichkeit aus. Sie offenbart das geistige Wesen des Menschen. Sie demonstriert die unbefleckte Vollständigkeit des Menschen, seine Intelligenz und Güte als Ausdruck Gottes, der göttliche Liebe, reiner Geist und unendliches Gemüt ist. Und unser geistiges Verständnis dieser gegenwärtigen göttlichen Wirklichkeit treibt unsere Bemühungen, die einzelnen in Christi Predigt aufgestellten grundlegenden Forderungen zu befolgen, voran, gibt ihnen einen Sinn und eine unmittelbare praktische Bedeutung.
Wir kehren zu den wichtigsten Grundlagen zurück, wenn wir unser Licht in der Welt leuchten lassen oder unsere Feinde lieben, wenn wir beten: „Dein Wille geschehe“, oder Gott und nicht dem Materialismus dienen. Dabei merken wir dann, daß die Last der Unberechenbarkeiten von uns genommen wird, sich auflöst. Wir werden von Verwirrung und Ungewißheit befreit. Gesundheitliche, eheliche und berufliche Probleme werden gelöst. Und eine neugewonnene Liebe beseitigt jede durch Feindseligkeit oder Neid hervorgerufene Kränkung.
Es gibt heute so viele Philosophien, Theorien und Verfahren, die uns alles mögliche vermitteln, nur eines nicht, wie man sein tägliches Leben lebt. Und die vielen klugen Worte enthalten meistens recht wenig darüber, wie man Heilung und Erlösung findet. Was wir brauchen, ist und bleibt jedoch etwas sehr Einfaches und Unkompliziertes. So schrieb Mrs. Eddy beispielsweise Anfang des Jahrhunderts in einer Botschaft an ihre Kirche: „Meiner Ansicht nach wäre die Bergpredigt, wenn sie jeden Sonntag ohne Erläuterung gelesen und die Woche hindurch befolgt würde, ausreichend für christliche Betätigung.“ Botschaft an Die Mutterkirche für 1901, S. 11. Sie nennt diese Predigt Jesu auch „jene göttliche Zusammenfassung der Wissenschaft“ Grundzüge der Göttlichen Wissenschaft, S. 3..
Ganz sicher liegt in dem, was die Bergpredigt verkündet, der Kern christlicher Betätigung und die inspirierte Zusammenfassung der Wissenschaft des Christentums. Sie zeigt, was man als Nachfolger Jesu tun und wie und warum man ihm täglich nachfolgen soll.
Aber vielleicht braucht man doch ein kindliches Herz, um die einfache Wahrheit und die Macht dieser Grundlagen zu begreifen. Und vielleicht hat der weltkluge Materialist nicht das Verlangen nach dieser Art christlicher Liebe und nach selbstlosem, heilendem Gebet. Ich glaube, daß jemand wie unsere kleine Ruby Bridges trotz allem weiterbeten würde.
Die geistigen Prinzipien der Bergpredigt sind ihre Macht, und sie werden auch weiterhin die Herzen der Menschen gefangennehmen, ihr Denken aufrühren und ihr Leben verändern. Jedes demütige Bemühen, die Botschaft zu hören und die Lektionen zu lernen — zu den Grundlagen des wissenschaftlichen Christentums zurückzukehren — kann die Welt nur zu einem besseren Ort machen.
