Gerade als der Abendgottesdienst begann, betrat eine Frau die Kirche Christi, Wissenschafter, in einer Stadt, in die sie erst kürzlich umgezogen war. Sie hörte, wie die Worte eines vertrauten Liedes verlesen wurden:
Wo Gottes Liebe führet,
Da bleibe ich im Licht.
Da Gott sich nicht verändert,
Fürcht' ich den Wechsel nicht.Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 148.
Es schien ihr so, als wären diese Worte direkt zu ihr gesprochen worden, und sie empfand sehr stark, daß Gottes Liebe sie umgab. Sie hatte dies schon des öfteren erlebt, aber diesmal berührte sie der Gedanke, daß Gottes Liebe von Natur aus beständig und unwandelbar ist, und das ließ sie in ihrer neuen Umgebung sofort heimisch werden.
Der Psalmist spricht von der beständigen Wohnstatt des Menschen, nämlich Gott, mit folgenden tröstlichen Worten: „Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit." Ps 90:1, 2.
Welche wunderbare Gewißheit gibt uns die Erkenntnis, daß Gott bereits „unsere Zuflucht" war, noch ehe die Welt Gestalt annahm, und daß Er es ewiglich sein wird!
Heutzutage, wo wir mit Düsenflugzeugen in nur wenigen Stunden Tausende Kilometer zurücklegen können, tut man gut daran, sich vor Augen zu halten, daß unser Denken in Gott und in der Allgegenwart Seiner allumfassenden Liebe ruhen kann, wenn sich auch unsere Anschrift und unsere äußeren Umstände oft ändern mögen.
Wir wissen nicht, ob Christus Jesus einen festen Wohnsitz hatte, als er in Galiläa und Judäa lehrte und heilte. Er sagte einmal: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege." Mt 8:20. Offensichtlich übernachtete er im Hause des Petrus und war auch bei seinen Freunden Marta, Maria und Lazarus ein willkommener Gast. Doch ein Zuhause verband sich für ihn nicht mit einer bestimmten, festen Anschrift. Er muß viele Stunden allein im Gebet mit seinem himmlischen Vater zugebracht haben.
Der Meister sah seine bleibende Beziehung zu Gott als eine Beziehung zwischen Sohn und Vater. Er bezeichnete sich oft als Sohn Gottes. Er sagte: „Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater." Joh 16:28. Ein Name für den „Christus", den er verkörperte, ist Immanuel, was „Gott mit uns" bedeutet. Jesus kam in die Welt, um die frohe Botschaft zu verkünden, daß Gott immer als fürsorglicher, liebender Vater mit seinem Volke ist.
Im Markusevangelium finden wir dafür ein bewegendes Beispiel. Siehe Mk 5:1–20. Ein Mann war von einem „unreinen Geist" aus seiner rechtmäßigen Wohnung vertrieben worden, und als Jesus ihm begegnete, wohnte er zwischen den Gräbern im Bergland der Gerasener. Als dieser Mann Jesus erblickte, lief er zu ihm hin und fiel flehend vor ihm nieder. Der Heiland hatte Erbarmen mit ihm und gebot dem unreinen Geist, von ihm auszufahren. Später wird geschildert, daß eine wahre „Legion" Teufel von ihm ausfuhr und daß der Mann wieder völlig hergestellt war. Uns bietet sich ein friedliches Bild, „wie er dasaß, bekleidet und vernünftig". Dann fragte der Mann Jesus, ob er mit ihm ziehen dürfe, aber der Heiland sagte ihm, er solle nach Hause zu seinen Freunden gehen und ihnen seine wunderbare Heilung schildern. Man kann sich die Freude in jenem Dorf vorstellen, als seine Freunde sahen, wie dieser Mann geheilt und frei nach Hause zurückkehrte! Durch Christus, Wahrheit, wurde er sich auf praktische Weise seines rechtmäßigen Erbes als Sohn Gottes bewußt.
Wir glauben vielleicht, daß zwar Jesus hierzu imstande gewesen sei, aber wir es nicht sind. Doch zweifellos lehrte Jesus, daß wir alle die Söhne Gottes sind. Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy, finden wir folgende Erkenntnis: „Da der wirkliche Mensch durch die Wissenschaft mit seinem Schöpfer verknüpft ist, brauchen sich die Sterblichen nur von der Sünde abzuwenden und die sterbliche Selbstheit aus den Augen zu verlieren, um Christus, den wirklichen Menschen und seine Beziehung zu Gott, zu finden und die göttliche Sohnschaft zu erkennen." Wissenschaft und Gesundheit, S. 316.
Wie können wir uns von der „sterblichen Selbstheit" abwenden und Christus finden? Wenn wir inbrünstig und demütig beten, sehen wir uns nicht mehr als verwundbare Sterbliche in einer materiellen Welt mit ihrem Auf und Ab und ihren Ungewißheiten, sondern als geliebte Kinder Gottes, immer eins mit Ihm, und empfinden die Wärme, Beständigkeit und Gewißheit Seiner Gegenwart. Gott liebt Seine Kinder, und diese Liebe verändert sich nie, noch unterliegt sie Schwankungen. Wenden wir uns jedoch von den Forderungen der Liebe ab oder gehen nicht auf sie ein, so können wir diese Liebe zuweilen aus den Augen verlieren.
Es beunruhigt uns nicht, wenn Wolken die Sonne eine Zeitlang verdecken, da wir ja wissen, daß die Sonne immer scheint. Sie tut das von Natur aus. Genauso ist Gottes Liebe unveränderlich. Gott verändert sich niemals. Wenn wir jene göttlichen Eigenschaften zum Ausdruck bringen, die Jesus veranschaulichte — Barmherzigkeit, Reinheit, Rechtschaffenheit, Intelligenz und Güte —, erkennen wir, daß uns diese Eigenschaften für immer mit Gott verbinden, und wir bringen unser wahres gottähnliches Wesen in vollerem Umfang zum Ausdruck. Unser Denken nimmt allmählich eine höhere, eine geistige Dimension an. Unser Ausblick erweitert sich, wir denken weniger an uns und leben mehr für andere.
Sterbliche Annahmen, die uns in der kurzen Spanne der menschlichen Geschichte Grenzen setzen wollen, verblassen, und wir erleben immer mehr die Vitalität, Gesundheit, geistige Energie und das kraftvolle Sein, das einem umfassenderen Verständnis vom Menschen, dem Ausdruck des ewigen Lebens, entspringt. Das Leben Christi Jesu ist das Vorbild, dem wir nachzueifern suchen.
Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft wendet unsere Gedanken von einem rein indischen Aufenthaltsort ab und ermutigt uns, unsere wahre Heimat in Gott zu finden. Es heißt in Wissenschaft und Gesundheit: „Pilgrim auf Erden, deine Heimat ist der Himmel; Fremdling, du bist der Gast Gottes." Ebd., S. 254.
Mit der zunehmenden Erkenntnis, daß wir Gottes Kinder sind, spüren wir den Trost und die Freude der Gewißheit, daß wir immer in der Liebe des himmlischen Vaters daheim sind.
