Mit einer Metapher, die im nachindustriellen Zeitalter fast noch so aussagekräftig ist, wie sie es vor vielen Jahrhunderten gewesen sein muß, sagt der Prophet Jesaja über Gott: „Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen." Jes 40:11. Diese Worte versichern uns, daß wir immer versorgt und zärtlich behütet sind; sie versprechen uns Seine fürsorgliche Liebe und Seine Führung. In jedem Zeitalter sprechen sie die tiefsten Sehnsüchte der Menschen an — vielleicht besonders im späten zwanzigsten Jahrhundert, wo so vielen das Zugehörigkeitsgefühl zu einer „Herde" fehlt und erst recht die Gewißheit, einen Hirten zu haben, der sie behütet.
Das Auseinanderbrechen traditioneller sozialer Strukturen in den letzten Jahrzehnten hat allzu viele Menschen in Verwirrung und Isolation getrieben. Was für eine Erleichterung ist es doch, trotz solch beunruhigender Zustände zu wissen, daß Gott, die göttliche Liebe, immer gegenwärtig ist und jeden von uns führt und umsorgt. Mit einer Liebe, die alle Schranken der Konfessions-, Kultur- und Rassenzugehörigkeit durchbricht, führt Gott Seine „Lämmer" — jeden von uns — in die Hürde. So tröstet Er jeden einzelnen, gibt ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit und eine sichere Heimstätte. In Wirklichkeit ist der Mensch immer daheim, niemals von Gottes Obhut getrennt. Der Mensch ist ewiglich vollkommen, die gesegnete geistige Widerspiegelung seines Schöpfers.
Der Hirte kümmert sich um die Herde. Das ist die geistige Tatsache. Diese Tatsache anzuerkennen und zu verstehen ist wesentlich, wenn sie im täglichen Leben bewiesen werden soll. Verstehen wir erst einmal das allmächtige, allumfassende Wesen der Liebe, werden wir Anzeichen von Verwirrung und Isolation — sei's in unserem eigenen Leben oder in dem anderer — nicht ignorieren und nicht davor zurückweichen, sondern wir werden solchem Augenschein mit Gebet entgegentreten.
Aufgrund ihres ureigenen Wesens hebt Liebe alles ihr Unähnliche — Kälte, Leere, Ziellosigkeit — auf und nimmt ihm dann jegliche Existenzgrundlage. Christus Jesus veranschaulicht auf wunderbare Weise Gottes Hilfe in seinem Gleichnis vom verlorenen Schaf. „Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste läßt und geht dem verlorenen nach, bis er's findet? Und wenn er's gefunden hat, so legt er sich's auf die Schultern voller Freude." Lk 15:4, 5.
Der Hirte ist in der Lage, jede Gefahr — sowohl von der ganzen Herde als auch vom einzelnen in der Herde — abzuwehren. Dies alles zu verstehen, es anzuerkennen und sich zu vergegenwärtigen heißt, den krassen Nöten unserer Zeit wirkungsvoll entgegenzutreten. Es heißt, sie in unserem Bewußtsein anzufechten und zu widerlegen. Nur in unserem Bewußtsein braucht dieses Bild überhaupt angefochten und widerlegt zu werden. Denn wenn uns wirklich bewußt ist, daß der Hirte für Seine Herde sorgt — und was für wunderbare Auswirkungen immer damit verbunden sein müssen —, schwinden Verlust oder Verwirrung allmählich aus unserem Bewußtsein. Wenn diese Berichtigung erst einmal im Bewußtsein stattgefunden hat, beginnen auch die äußeren Verhältnisse sich zum Besseren zu wenden.
Die Christliche Wissenschaft oder die Wissenschaft des Christus, die vor über hundert Jahren von Mrs. Eddy entdeckt wurde, enthüllt, daß die Führung der Liebe unveränderlich, unumgänglich ist. Das heißt, sie enthüllt diese nicht als etwas Zufälliges, Unberechenbares, sondern als wissenschaftliche Tatsache. Das ist entscheidend in einer zunehmend entwurzelten Gesellschaft, die so viele traditionelle Zeichen der Sicherheit und Geborgenheit verloren hat. Denn wenn die Führung der göttlichen Liebe heutzutage überhaupt sinnvoll sein soll, muß sie wissenschaftlich, verläßlich sein. Und sie muß jeden Menschen umfassen, ganz gleich, welcher Herkunft. Mrs. Eddy äußert sich hierzu ebenso überzeugend wie poetisch:
Liebe beut Zuflucht; nur mein Auge wähnt,
Daß Schlingen lauern und die Grube gähnt;
Sein Wohnort hehr ist hier, ist überall;
Sein Arm umgibt die Meinen, mich, uns all'.Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 207.
In der Obhut des Hirten findet jeder von uns die Führung, die Versorgung, die Liebe, die er braucht. Und damit ausgerüstet, können wir anderen auf eine Weise begegnen, die ihnen erkennen hilft, daß auch sie von der göttlichen Liebe geleitet werden.
