Vor ein, zwei Jahren zog in den Vereinigten Staaten, wahrscheinlich auch in anderen Ländern, der 45 Tonnen schwere Buckelwal „Humphrey“ das Interesse vieler Menschen auf sich. Humphrey hatte nämlich sein Zuhause im Pazifik verlassen und war durch die Bucht von San Franzisko im Süßwasser der beiden Flüsse San Joaquin und Sacramento fast 120 Kilometer landeinwärts geschwommen.
Von Booten und vom Ufer aus beobachteten Touristen und Anwohner den Wal und feuerten die Wissenschaftler bei ihren Bemühungen an, Humphrey aus dem Süßwasser zurück in das für seine Bedürfnisse angemessenere Salzwasser zu lotsen. Aber ihr Fachwissen (dazu gehörte auch der Einsatz klingender Röhren) versagte, bis sie schließlich folgenden Plan ersonnen: Sie wollten den Wal dadurch zurücklocken, daß sie eine Aufnahme mit den flötenartigen Klängen weidender Wale vor ihm herzogen. Das wirkte. Den hohen „geselligen Tönen“, die mit einem Unterwasserlautsprecher ausgestrahlt wurden, folgte Humphrey stromabwärts, bis er an der Flußmündung am Golden Gate in sein natürliches Element eintauchte.
Was hat nun dieser Bericht über den Wal Humphrey mit dem Einstieg in die Heilarbeit, die öffentliche Ausübung der Christlichen Wissenschaft zu tun? So wie Humphrey bereit sein mußte, die richtige Richtung einzuschlagen, muß auch der, der sich zur Ausübung der Christlichen Wissenschaft berufen fühlt, bereit sein, zu folgen — ja folgen wollen.
Geistige Heiler werden fraglos gebraucht. Der Meister, Christus Jesus, machte das deutlich, als er zu seinen Jüngern sagte: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Mt 9:37, 38. Dankbarkeit für Heilungen durch die Christliche Wissenschaft führt oft dazu, daß jemand Ausüber werden möchte. Eine Frau, deren Mann in einem Zeitraum von gut einem Jahr völlig geheilt wurde von einer Krankheit, die die Ärzte als unheilbar erklärt hatten, war so dankbar, daß ihr die Christliche Wissenschaft ihren Mann zurückgegeben hatte, daß sie sich veranlaßt fühlte, ihr Leben in den Dienst des Heilens zu stellen. Viele Jahre lang war sie eine hingebungsvolle Ausüberin, die auch im Christian Science Journal eingetragen war.
Obgleich uns das Gute, das wir durch die Christliche Wissenschaft erlebt haben, vielleicht kein so dramatisches Erlebnis gebracht hat wie jener Frau, so hilft es doch, wenn wir die Segnungen, die uns durch die Lehren und die Anwendung der Christlichen Wissenschaft zuteil geworden sind, anerkennen; denn das bewegt uns dazu, diese Arbeit aufzunehmen. Gewißlich bildet eine tiefe, echte Liebe zu Gott und zu Seinem Sohn Christus Jesus und die tiefe Wertschätzung für Jesu Nachfolgerin, Mary Baker Eddy, die Grundlage für eine derartige Anerkennung. Wir erkennen vielleicht auch die Dankesschuld an, die wir gegenüber treuen Ausübern empfinden, deren Gebete uns Frieden und Heilung gebracht haben — eine Schuld, die nur dadurch beglichen werden kann, daß wir für andere tun, was für uns getan worden ist.
Aber hier stellt sich die Frage nach der Ausdauer. Wenn wir anderen durch die Christliche Wissenschaft helfen möchten, so wie auch uns geholfen worden ist, dann können wir auch in die Ausübung hineinwachsen. Der Wunsch, der Menschheit zu helfen, macht uns zwar für die Ausübung offen, doch allein die Liebe zu Gott, zur unendlichen, göttlichen Wahrheit, gibt uns den „langen Atem“, der für die Heilarbeit erforderlich ist. Sie ist der unentbehrliche Beweggrund für den Heiler — der Impuls, der uns das Stehvermögen gibt, das wir dafür brauchen. Glühende, unerschütterliche Hingabe an Gott führt uns zur Ausarbeitung unserer eigenen Seligkeit, indem wir uns im eigenen Leben die Wahrheit erarbeiten, die Christus Jesus bei seinem heilenden Wirken demonstrierte, die Wahrheit über den vollkommenen Gott und den vollkommenen Menschen.
Es lohnt sich festzuhalten, daß Humphrey zwar durch die „geselligen Rufe“ in die richtige Richtung gelockt wurde, sein Leben jedoch auf dem Spiel stand, wie Walbeobachter bestätigen werden; er mußte ja ins Salzwasser zurück und in seine Nahrungsgründe, in seinen natürlichen Lebensraum. Das mag uns etwas sagen über die Dringlichkeit unserer Hinwendung zum Geistigen. Wir erwachen geistig und befinden uns in unserem angeborenen Lebensraum in Gott, wenn wir beten und ernsthaft die Bibel und Wissenschaft und Gesundheit (insbesondere die Stellen in der Lektionspredigt) und die anderen Schriften von Mrs. Eddy studieren. Tatkräftige Unterstützung Der Mutterkirche und einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, bietet uns reichlich Gelegenheit zu beten. Klassenunterricht bei einem autorisierten Lehrer der Christlichen Wissenschaft und die Teilnahme an den jährlichen Schülerversammlungen sind weitere Schritte, die uns helfen, wirksamer zu beten, und den Wunsch in uns fördern, für andere zu beten.
Nachdem der Klassenunterricht ungefähr zur Hälfte vorbei war, sagte eine Schülerin mit Bestimmtheit: „Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe, wenn ich nach Hause komme!“ Ihre Klassenkameraden wandten sich ihr zu und warteten auf eine Erklärung. Genauso bestimmt verkündete sie: „Ich muß Ausüberin werden!“ Und sie konnte das, weil sie das System metaphysischen Heilens, das sie in der Klasse gelernt hatte, kontinuierlich anwandte. Schon bald wurde sie regelmäßig um Hilfe ersucht von Leuten, die durch Gebet geheilt werden wollten; sie hatte den Grundstein für die Ausübung gelegt, ihr Name wurde im Journal eingetragen, und sie ist bis auf den heutigen Tag in dieser Funktion tätig.
Es ist unserem Wachstum und der Ausübung förderlich, wenn wir den moralischen und christlichen Normen der Christlichen Wissenschaft gerecht werden und unser Denken vergeistigen. In Wissenschaft und Gesundheit heißt es dazu: „Die Vergeistigung des Denkens und die Verchristlichung des täglichen Lebens, im Gegensatz zu den Resultaten des grausigen Possenspiels des materiellen Daseins; Keuschheit und Reinheit, im Gegensatz zu den herabziehenden Tendenzen und dem auf das Irdische gerichtete Streben der Sinnlichkeit und Unreinheit, sind es, die tatsächlich für den göttlichen Ursprung und das göttliche Wirken der Christlichen Wissenschaft zeugen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 272. Vergeistigung, Verchristlichung, Keuschheit und Reinheit sind erforderlich für unsere eigene Erlösung und für unseren Erfolg als Heiler.
Meinen wir aber, daß diese Forderungen zu streng seien? Wenn wir sie alle auf einmal erfüllen müßten, dann vielleicht. Statt dessen kommen sie Schritt für Schritt auf uns zu. Manchmal zeigen sie sich sogar ganz allmählich, und wir merken gar nicht, daß es uns so sehr nach dem Geistigen und Guten verlangt, daß wir das „auf das Irdische gerichtete Streben“ des Materialismus weniger spüren.
Wenn wir uns danach sehnen, ein Werkzeug der göttlichen Liebe zu sein, werden wir es nicht dem Zufall überlassen, ob wir die Ausübung aufnehmen, und weltliche Interessen werden von uns abfallen. Das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, rät: „Die Zeit für das Wiedererscheinen des göttlichen Heilens erstreckt sich auf alle Zeiten; und wer immer sein irdisches All auf den Altar der göttlichen Wissenschaft niederlegt, trinkt heute von dem Kelch Christi und wird mit dem Geist und der Kraft des christlichen Heilens angetan.“ Ebd., S. 55. Das Lehrbuch spricht die Forderungen ganz deutlich aus. Und es stellt auf wunderbare Weise klar, in wessen Hand die Macht liegt.
Die Ausübung der Christlichen Wissenschaft ist die natürliche Folge, wenn man die Christliche Wissenschaft versteht. Wenn Sie auf Gottes Führung lauschen, werden Sie erkennen, ob und wann für Sie die Zeit dafür gekommen ist und welche Schritte Sie unternehmen müssen, um die öffentliche Ausübung hauptberuflich aufzunehmen. Gott wird jeden einzelnen führen, der die Befähigung für diese Arbeit entwickelt, wird ihm auf die rechte Weise und zur rechten Zeit die Tür öffnen.
Am Ende ihres Werkes Rückblick und Einblick zitiert Mrs. Eddy, nachdem sie den Christlichen Wissenschaftern unschätzbare Ratschläge gegeben hat, ein Gedicht von Anna E. Hamilton; ich betrachte es gern als „das Gebet des Ausübers“:
Bitt um die Fähigkeit,
zu trösten zart.
Dein Leben wird gesegnet sein,
dazu bewahrt,
dem Nächsten Mitgefühl zu weih’n.
Schwer drückt hinunter doch das Leid
ein jedes Herz,
und Tröstende mit Christi sanfter Hand
braucht jedes Land.Rückbl., S. 95.
Weckt nicht dieses Gedicht in Ihnen den Wunsch, Ausüber zu werden? Und ist es für einen Christlichen Wissenschafter nicht genauso natürlich, sich der Ausübung zu widmen, wie es für einen Wal ist, im Ozean zu schwimmen?
