Ein Romanschriftsteller und Historiker bezog sich in seiner Rede anläßlich der Verleihung des Nobelpreises auf das Sprichwort: „Ein Wort der Wahrheit überwiegt die Welt.“ Nobel Lecture (New York: Farrar, Straus and Giroux, Inc., 1972), S. 34.
Allzuoft haben Menschen die Wahrheit, die ihnen zusteht, unnötigerweise aufgegeben. Sie haben nicht selbständig gedacht, sondern ihre Gedanken nach den Strömungen und Meinungen des allgemeinen menschlichen Gemüts gerichtet. Sie dachten, was andere dachten — und ganz besonders, wenn andere vorsätzlich daran arbeiteten, das zu bewirken. Aggressive mentale Suggestion — ein anderer Name für tierischen Magnetismus oder Hypnotismus —, das ist die Methode, die schon immer in einer scheinbar materiellen Welt angewandt wurde.
In der Bibel wird die Wirkung des fleischlichen Gemüts genau beschrieben, und zwar in den Worten des Paulus: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ Röm 7:19.
Wenn das auch der ganzen Welt oft wie ein Gesetz vorkommt, so hätte doch Paulus als erster bestätigt, daß es wirklich kein Gesetz ist. Es ist etwas, was nur so lange Herrschaft zu haben scheint, bis das höhere Gesetz des Geistes empfunden und befolgt wird. Dann stellt man fest, daß der Mensch gar nicht dem „Gesetz“ oder Wirken des fleischlichen Gemüts untertan ist, sondern eine wundervolle Beziehung zu Geist, Gott, hat.
Je mehr wir über die mentale Beschaffenheit der angeblichen Kräfte wissen, die das Denken und Handeln der Menschen kontrollieren wollen, um so mehr gewinnt eine Regel im Handbuch Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy bemerkenswerte Aktualität, ja sie gibt einem das Gefühl zeitgemäßer Notwendigkeit. Die Regel mit der Überschrift „Pflichttreue“ im Abschnitt „Disziplin“ lautet: „Es ist die Pflicht eines jeden Mitglieds dieser Kirche, sich täglich gegen aggressive mentale Suggestion zu verteidigen und sich nicht verleiten zu lassen, seine Pflicht gegen Gott, gegen seine Führerin und gegen die Menschheit zu vergessen oder zu versäumen. Nach seinen Werken wird er gerichtet, und zwar gerechtfertigt oder verdammt.“ Handb., Art. VIII Abschn. 6.
Mary Baker Eddy definierte so vollständig und systematisch wie kein anderer die Macht des Geistes als die einzige Wirklichkeit, als das einzige Gesetz vom Sein des Menschen. Ja, durch ihre Entdeckung der Christlichen Wissenschaft wurde Gott als die eine Intelligenz oder das eine Gemüt des Menschen bekannt. Unvermeidlich lernte sie auch dabei, daß selbst das raffinierteste und hinterlistigste Böse eine mentale hypnotische Suggestion ist, die keine Wirklichkeit hat. Sie hatte diesen Einfluß in bezug auf ihren eigenen Ruf und ihre Entdekkung der Christlichen Wissenschaft erfahren. Sie schreibt: „Scheiterhaufen und Schafott haben niemals die Botschaften des Allerhöchsten zum Schweigen gebracht. Können dann die gegenwärtigen Versuche — nämlich durch verleumderische Lügen und geheime Machenschaften des sterblichen Gemüts die Anschläge von Neid und Bosheit auszuführen — die Wahrheit zum Schweigen bringen? Niemals..., Der Herr ist König; des freue sich das Erdreich.‘ “ Vermischte Schriften, S. 277.
Aus der Tiefe ihrer Erfahung gelangte unsere Führerin zu der Überzeugung, daß eine klar formulierte Satzung für die Kirchenmitglieder erforderlich war. Wenn wir jedoch dieser Regel gehorchen wollen, so ist es von größter Wichtigkeit, keinen Zweifel an der Tatsache zu lassen, daß es bei der Entdeckung der Christlichen Wissenschaft
Christian Science (kr’istjən s’aiəns) nicht in erster Linie um die Aufdeckung mentaler Kräfte geht, die böse Absichten haben. Es handelt sich tatsächlich um die Entdeckung der totalen, herrschenden Gegenwart Gottes, des Guten, und deshalb auch der grundlegenden Unwahrheit des Bösen in jeder Form.
Wir mögen uns zum Beispiel fragen, ob wir in der Lage sind, der aggressiven Suggestion zu widerstehen oder sie überhaupt als solche zu erkennen, anstatt sie als Wahrheit hinzunehmen. Aber die Christliche Wissenschaft zeigt, daß jeder von Natur aus diese Fähigkeit hat, weil der Mensch etwas völlig anderes als ein Sterblicher ist. Der Mensch ist, was das göttliche Gemüt weiß und tut. Und da das Gemüt durch und durch wirklich ist, ist es für uns nicht unmöglich, das Gemüt zu kennen und auszudrücken. Das verlangt keine komplexen metaphysischen Kenntnisse, sondern unseren Gehorsam gegen das erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ 2. Mose 20:3.
Unsere Verteidigung liegt in unserer Entscheidung, dem einen Gott zu dienen. Das bedeutet, daß wir unser Christentum leben müssen; daß wir bereit sind, unser Vertrauen und Handeln auf das Verständnis zu gründen, daß Gott alle wirkliche Intelligenz ist, die es überhaupt gibt, und daß keine Intelligenz für die Materie bleibt, um unabhängig Böses zu bewirken.
Aber was sollen wir tun, wenn wir Anzeichen von Bösem und Ungerechtigkeit in wirklich großem und furchterregendem Ausmaß begegnen? Können wir es wirklich nur als aggressive Suggestion betrachten? Ja, das ist möglich, wenn wir bereit sind, Christus Jesus zu folgen, wenn wir die Kraft der Wissenschaft des Christus demonstrieren wollen. Die christlich-wissenschaftliche Regel verlangt, daß wir das Böse als Irrtum erkennen, als falsche Suggestion hinsichtlich Gottes Allgegenwart, und daß wir uns dagegen verteidigen, indem wir die Wahrheit verstehen und in ihr bleiben.
Wenn wir uns nun verteidigen, aber andere das offensichtlich nicht tun und uns also angreifen — was dann? Die wissenschaftliche Tatsache ist, daß niemand in Wirklichkeit durch hypnotische Suggestion überwältigt worden ist, weil der Mensch der geistige Ausdruck des göttlichen Gemüts ist. Wie im Falle von Krankheit ist es deshalb möglich, sich nicht in Furcht und Schrecken versetzen und zum Reagieren verleiten zu lassen. Der geistige Sinn und die wissenschaftliche Demonstration erfüllen uns mit Freude über die Tatsache, daß das, was uns suggeriert wird, sich nicht ereignet hat. Es ist machtlos, weil Gott, der Alles ist, allmächtig bleibt.
Das Wunder, das wir kennen sollten, ist, daß unsere echte geistige Intelligenz — und die aller anderen auch — immer unberührt und intakt ist. Gemüt ist niemals abwesend und wird niemals vom verletzbaren sterblichen Gemüt assimiliert. Mrs. Eddy erklärt: „Tierischer Magnetismus, Hypnotismus usw. werden von dem Ausüber entwaffnet, der aus seinem eigenen Bewußtsein und dem seiner Patienten jede Vorstellung ausschließt, daß irgendeine andere als die von Gott stammende Ursache oder Wirkung wirklich sei.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 364.
Ein Mann, der bei einer schwierigen Gerichtsverhandlung als Zeuge aussagen sollte, hatte wenig Zeit zur Vorbereitung, und die umstrittenen Punkte waren äußerst komplex. Der Anwalt, der das Kreuzverhör vornahm, hatte schon vor der Zeugenbefragung eine erschrekkend unprofessionelle Einstellung gezeigt. Und der Gerichtssaal war mit einer feindlich gesinnten Zuhörerschaft gefüllt. Aber dem Zeugen, einem Christlichen Wissenschafter, half die Engelsbotschaft, daß tatsächlich nur das göttliche Gemüt und seine Schöpfung da waren.
Der Mann erkannte, daß in Wahrheit kein anderes Gemüt als dieses Gemüt gegenwärtig war. Dieses Gemüt sorgte aktiv für Klarheit, Gesetzmäßigkeit und — ohne Frage — Gerechtigkeit. Der Mann sah es als seine Aufgabe, das alles zu erfassen und entsprechend zu handeln. So ließ er sich durch das unnachgiebige Kreuzverhör des feindseligen Anwalts nicht aus der Ruhe bringen. Ihm kamen Gedanken, die ihn überraschten und auf die er nicht vorbereitet war; er sah, welche Richtung das Kreuzverhör nehmen würde, und er blieb ruhig. Die Wirklichkeit der gegenwärtigen Schöpfung Gottes bestimmte sein Verhalten. Und dieser Teil des Gerichtsverfahrens verlief gut.
Ganz gleich, was das sterbliche Gemüt suggerieren oder was es tun mag, um uns zu beherrschen — egal, wie pervers, hinterlistig oder hartnäckig es ist —, seine Suggestionen und Versuche bleiben eine Lüge über die herrschende Gegenwart des einen Gemüts. Das sichtbare Böse erscheint einem angeblichen Gemüt in der Materie. Für Gott oder den Menschen, der Gottes Ebenbild und Widerspiegelung ist, kann es nicht in Erscheinung treten.
Wenn wir die uns gegebene Regel befolgen und unsere Pflicht erfüllen, stellen wir fest, daß wir das tun können, was uns unwahrscheinlich oder gar unmöglich schien. Mrs. Eddy stellt klar heraus, daß alle Regeln und Satzungen im Kirchenhandbuch eine tiefgründige „wissenschaftliche Grundlage“ Verm., S. 148. haben; sie ergaben sich aus dem, was sie über die Wissenschaft des Christus entdeckt hatte. Und diese Wissenschaft des Christus gibt uns die Kraft, den Regeln entsprechend zu handeln. Die Folge davon ist, daß wir nicht dazu gebracht werden können, unsere Pflicht gegen Gott, unsere Führerin und die Menschheit falsch zu verstehen oder zu vernachlässigen.
„Ein Wort der Wahrheit überwiegt die Welt“, sagt das Sprichwort. Und wir sehen immer wieder, was für eine machtvolle Wirkung Wahrheit und Ehrlichkeit auf die menschliche Erfahrung haben. Aber dieses Sprichwort gleicht einem Samenkorn, das nicht nur eine einzelne Blume oder einen Garten enthält, sondern ein ganzes Universum. Die einfache Wahrheit hat Macht, weil hinter ihr etwas viel Größeres steht.
Allem liegt die unendliche Wahrheit zugrunde, die Gott ist. Christus Jesus sagte: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh 8:31, 32. Diese Wahrheit ist die geistige Idee Gottes, der Christus, der kommt, um den Eindruck zu beseitigen, es gäbe eine Welt, über die Gott keine Herrschaft hat. Diese Wahrheit zeigt uns die konkrete Gegenwart des göttlichen Universums. Dann wird uns klar, warum es möglich ist, das Denken gegen aggressive Suggestionen zu verteidigen. Die reine Wirklichkeit des göttlichen Geistes und seines freien Menschen kommt in Sicht; sie kann nicht unterdrückt werden.
