Ich war im Ausland, hatte keinerlei Ersparnisse, und mir war gerade gekündigt worden. Mein Zimmer war Teil meines Lohnes; und nun hatte ich nur zwei Wochen, um eine Unterkunft zu finden — und eine Möglichkeit, dafür zu zahlen.
Ich weiß heute nicht mehr, wie ich gebetet habe, aber ich weiß, daß ich gebetet habe! Meine Angehörigen waren Tausende von Kilometern weit weg, und so war ich ganz auf mich gestellt; ich hatte Angst. In dieser Situation begann ich zu erkennen, daß mein Zuhause eigentlich nicht durch die vier Wände begrenzt werden konnte, in denen sich mein Hab und Gut befand. Mein Heim war dort, wo ich gedanklich verweilte.
Ich mußte mir mein Heim als geistigen Begriff im Denken aufrichten und verstehen, daß mir nichts fehlen konnte — auch nicht ein Heim —, weil Gott die Quelle alles Guten ist. In Wissenschaft und Gesundheit erklärt Mrs. Eddy: „Das Verständnis der göttlichen Allgewalt, sogar nur in geringem Grade, zerstört die Furcht und stellt die Füße auf den rechten Pfad — den Pfad, der zu jenem Hause führt, das nicht mit Händen gemacht ist, sondern, ewig... im Himmel‘ ist.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 454.
Als Kind war für mich mein Zuhause vor allem etwas, wofür meine Eltern sorgten. Und sie hatten immer ein schönes Zuhause geschaffen. Jetzt mußte ich lernen, daß unser Vater-Mutter Gott für mein wahres Heim sorgt — und nicht nur für meins, sondern für jedermanns wahres Heim. Da Gott Geist ist, muß dieses Heim geistig sein. Es ist daher solide gebaut, unbegrenzt, schön, beständig. (Der Begriff Beständigkeit wird für mich besonders wichtig gewesen sein!) Praktisch bedeutete das: Wenn ich verstand, daß mein wahres Heim geistig und beständig ist, würde ich erkennen, daß ich unmöglich hinausgeworfen werden konnte. Ferner mußte mir klar werden, daß es zum Beispiel keinen Wettstreit um Wohnmöglichkeiten gibt, weil des Menschen wahre Wohnstätte immer in dem unendlichen Geist, Gott, ist. Ich brauchte mich auch nicht mit etwas Zweitklassigem abzufinden, weil die Schöpfung Gottes völlig gut ist.
Wie es sich ergab, konnte eine Freundin mich für eine Weile aufnehmen, bis ich ein Zimmer mieten konnte. Später fand ich eine Arbeit, die auch wieder Wohnmöglichkeiten mit sich brachte. In den Jahren danach ließ jede neue Wohnung, in die ich zog, mehr von dem höheren Begriff von Heim erkennen, den ich entdeckt hatte. Ich besitze jetzt ein Haus, aber dennoch lerne ich jeden Tag mehr darüber, was ein heim wirklich ist, und ich erwarte, daß ich in dieser Hinsicht weiter geistig wachsen werde!
Vielleicht kennen wir persönlich niemanden, der obdachlos ist oder dem Obdachlosigkeit droht. Und selbst wenn wir jemanden kennen, sind wir nicht unbedingt in der Lage, den Betreffenden aufzunehmen oder ihm auf die Dauer zu helfen. Was können wir also konkret gegen die Obdachlosigkeit tun, von der wir in den Zeitungen lesen? Kann uns das, was wir aus geistiger Sicht über ein Zuhause lernen, helfen, mit der Obdachlosigket anderer fertig zu werden?
Einzelpersonen und Familien, die obdachlos sind, brauchen echte Lösungen — Lösungen, die tatsächlich ihre Not stillen. Es nützt niemandem, wenn wir Obdachlosigkeit nur als eine irgendwo erstellte, abstrakte Statistik betrachten.
Christus Jesus „löste“ Aussatz nicht auf abstrakte Art. Er heilte die Menschen von Aussatz und anderen Krankheiten. Wenn wir wirklich seinem Beispiel folgen, „Iösen“ wir Probleme nicht auf abstrakte Weise durch Gebet. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie realistisch und praktisch Gebet ist. Es genügt zum Beispiel nicht, einfach zu behaupten, daß niemand obdachlos sei. Gebet muß den Geist der Lehren Jesu wachrufen. Jakobus erinnert uns eindringlich daran, daß es Notleidenden nichts nützt, wenn wir zu ihnen sagen: „Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!“ Jak 2:16. Aber dadurch, daß wir im Gebet auf Gott lauschen, können innovative Lösungen gefunden werden für die drängenden menschlichen Probleme, die mit Obdachlosigkeit verbunden sind. Ob wir nun direkt an solchen Lösungen beteiligt sind oder nicht, unser gebetvolles Verständnis, daß wir alle „bleiben im Hause des Herrn immerdar“ Ps 23:6., wird zu praktischen Lösungen führen. Unser gebetvoller Beitrag ist niemals zu klein, als daß er keine Wirkung haben könnte.
Es gibt also etwas, was wir tun können, ob wir nun ein Haus besitzen, eine Wohnung gemietet haben oder gegenwärtig obdachlos sind. Wir können beten. Und Gebet ist eine wirksame Hilfe für uns und andere.
Als ich dringend Unterkunft brauchte, tröstete oder beruhigte mich mein Gebet nicht nur. Es brachte einen radikalen Wandel in einer scheinbar ausweglosen Situation. Und die Lösung zeigte mir klar, daß Gebet tatsächlich relevant ist, wenn es gilt, die Nöte der Menschheit zu stillen. Solch ein Gebet ist eine machtvolle Bejahung der unwandelbaren Gegenwart Gottes, der göttlichen Liebe. Und wir können uns darauf verlassen, daß Gott für jedes Seiner Kinder sorgt.
Was hält denn den einzelnen davon ab, sein geistiges Heim, seine Wohnstätte in des „ Vaters Haus“ zu akzeptieren? Ist es nicht die falsche Behauptung, daß es noch etwas anderes gebe — sei es Armut, Mißerfolg, Voreingenommenheit, Angst, Geisteskrankheit, Habgier, Materialismus —, was den Menschen von dem Guten trennt, das Gott ihm in reicher Fülle gibt? In Wirklichkeit kann es aber nichts zwischen Gott und Seiner Widerspiegelung, dem Menschen, geben. Nichts kann zwischen den Schöpfer und Seine Schöpfung treten. Gott ist Alles. Und da der Mensch untrennbar von Gott ist und niemals außerhalb der Fürsorge seines Vaters steht, kann er in Wahrheit niemals ohne Zuhause sein.
Im Verlauf der Jahre habe ich immer wieder über mein Zuhause nachgedacht und gebetet; dadurch wurde mir klarer, daß mein Zuhause nicht etwas Materielles ist, das ich an einem mir unbekannten Ort finden muß. Mein Heim ist Teil meiner geistigen Identität. Es umfaßt zum Beispiel Frieden und Harmonie, Freude, Freiheit, Wärme, Vitalität, Liebe, Vollständigkeit. Sicherlich gibt es Dinge, die ich noch klarer sehen muß (wie zum Beispiel Ordnung!), aber all diese Eigenschaften können wir ungeachtet der physischen Umgebung zum Ausdruck bringen.
Wenn sich unser eigenes Verständnis von dem, was unser wahres Heim ist, erweitert, beginnen wir, unser Gemeinwesen und die Welt mehr und mehr in unsere Gebete einzuschließen. Dann erkennen wir, daß ein Heim nicht etwas ist, was nur denen zukommt, die Glück gehabt haben oder reich sind. Da unser Heim geistig ist, haben wir alle ein Zuhause, wenn wir uns als Kind Gottes sehen, der der Spender alles Guten ist. Der von Gott erschaffene Mensch ist geistig und vollständig. Und diese Vollständigkeit schließt ein Heim ein — und zwar für alle Kinder Gottes.
Darum, wer diese meine Rede hört
und tut sie, der gleicht einem klugen Mann,
der sein Haus auf Fels baute.
Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen
und die Winde wehten und stießen an das Haus,
fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
Matthäus 7:24, 25
