Man denke einmal an folgende Metapher und ihre Bedeutung. An einem wolkenlosen Mittsommertag sammelt die Dunkelheit ihre Streitkräfte um sich und überfällt den wärmenden Glanz eines sonnenüberfluteten Strandes. So ein Unsinn, sagst du. Natürlich ist das Unsinn. Die Dunkelheit kann dem Licht nicht drohen. Sie kann ihm nicht einmal Widerstand entgegenbringen, geschweige denn es angreifen. Wo Licht ist, kann die Dunkelheit nicht existieren. Man kann ja keinen Schatten auf die Sonne werfen! Ebensowenig kann das, was Gott kennt und erschafft, vom Bösen, gleich welcher Art, überfallen oder verborgen gehalten werden, denn Gottes Allheit schließt die Wirklichkeit des Bösen aus.
Historisch gesehen ist Dunkelheit immer ein Symbol für das Böse gewesen, für Gefahr, für Furcht. Es ist ein treffendes Symbol, denn wo Licht ist, da ist Dunkelheit eine Ohn-Macht. Eine Nicht-Gegenwart. Eine Abwesenheit. Und der Christlichen Wissenschaft zufolge, die gekommen ist, um der Menschheit die unerkannten Wirklichkeiten der durch und durch guten geistigen Schöpfung Gottes zu zeigen, sind das Böse, Furcht und Gefahr genau das.
Diese Tatsache, die dem, was die physischen Sinne uns sagen, so sehr entgegensteht, stärkt jeden, der sich darum bemüht, die Allmacht Gottes, des Guten, in seinem Leben zu demonstrieren. Christus Jesus sagte zu seinen Nachfolgern, denen er durch sein Beispiel Gottes Weg des Lebens aufzeigte: „Ihr seid das Licht der Welt.“ Mt 5:14. Mit dieser Metapher machte er seinen Nachfolgern damals Mut, und sie gibt ihnen heute noch Mut. Sie verkündet heute wie damals: „In Christus seid ihr das Licht der Welt; ihr liebt und kennt die Wahrheit; ihr löst unwiderstehlich alle Schatten und alle Dunkelheit auf; ihr seid die Nemesis für Finsternis und Okkultismus, für Blindheit und Furcht.“
Licht ist mächtig und aktiv. Dunkelheit ist machtlos und unterwürfig. Führen wir uns die geistige Parallele dazu vor Augen, so können wir unsere Gedanken erheben und Mut fassen, wenn wir glauben, wir hätten uns in die scheinbare Mitternacht eines Problems verirrt. Es ist auch nützlich, daran zu denken, daß Dunkelheit — sei sie physikalisch, mental oder moralisch — keine Wurzeln schlagen, nicht Fuß fassen kann.
Vor Jahren betrieb eine Gruppe befreundeter Studenten als Hobby Höhlenforschung. Sie drangen tief in ein Tropfsteinhöhlensystem vor, zu einer Höhle, in der nur wenige vor ihnen gewesen waren. Da sagte einer von ihnen: „Löschen wir mal alle einen Augenblick unsere Lampen aus!“ Gesagt, getan.
Keine Dunkelheit hätte schwärzer sein können als die Dunkelheit, die daraufhin herrschte. Sie war mit einer mondlosen bewölkten Mitternacht nicht vergleichbar; es war bei weitem dunkler. Es herrschte völlige Dunkelheit.
Die Studenten saßen schweigend da und ließen diese totale Dunkelheit auf sich wirken. Einer meinte dann: „Diese riesigen Kalksteinformationen haben sich seit Jahrhunderten in dieser Höhle gebildet — in Bruchteilen eines Millimeters. Und das seit Zehntausenden von Jahren. Schon vor Jesu Zeiten bestand diese Höhle und tropfte es hier im Dunkeln. Schon vor Mose. Schon vor Abraham. Immer Dunkelheit, totale Dunkelheit, all die Jahrhunderte hindurch. Diese Dunkelheit konnte sich hier wirklich einnisten und festsetzen. Und doch...“
Er knipste seine Lampe an. Die Dunkelheit war verschwunden. Einfach so.
Wenn wir mit einer tiefverwurzelten Furcht, mit Schmerzen, Mangel oder Sünde ringen, kann es hilfreich sein, an diese Schilderung zu denken. Wir haben es dann mit einer Dunkelheit zu tun, und Dunkelheit hat keine Wurzeln. Sie kann sich nicht festhalten. Sie kann nicht zurückschlagen. Wenn wir das Licht der Wahrheit und Liebe auf sie einwirken lassen, kann sie nur fliehen. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Widerstehe dem Bösen — dem Irrtum jeder Art —, und es wird vor dir fliehen.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 406. Sie greift hierbei Worte aus dem Brief des Jakobus (Kap. 4, Vers 7) auf und erweitert sie.
Noch genauer sagt sie ihren Lesern: „Geschwülste, Geschwüre, Tuberkeln, Entzündung, Schmerz, mißgestaltete Gelenke sind wache Traumschatten, dunkle Bilder des sterblichen Denkens, die vor dem Licht der Wahrheit fliehen.“ Ebd., S. 418. Welch ein Trost! Welch ein Segen liegt darin, die Richtigkeit dieser Aussage zu erkennen und zu verstehen!
Zu erkennen — ja, wirklich zu sehen, im tiefsten inneren zu spüren, daß Gott alles ist — bedeutet, mit größter Erleichterung gewahr zu werden, daß alles, was Gott, dem Guten, unähnlich ist, einfach nicht wirklich ist. Es ist nicht da. Es spielt sich nicht ab. Wenn uns das klar wird, kommt eine überwältigende Welle der Freude und Dankbarkeit über uns — und wir erleben Heilung.
Und doch sagt uns unsere Alltagserfahrung, daß sich die Lösung eines dunklen oder furchterregenden oder schmerzenden Problems nicht so leicht bewerkstelligen läßt wie der Druck auf einen Schalter. Geistiges Licht zu erlangen mag sehr wohl große Beharrlichkeit und Geduld, Vertrauen auf das unsichtbare Gute, das wir erhoffen, und geistiges Wachstum erfordern.
Aber wir tun gut daran — sogar während wir mit den Problemen ringen —, darauf zu bestehen, daß wir nicht gegen etwas ankämpfen. Das eigentliche Ringen ist metaphysischer Natur; es besteht darin, daß wir aufhören, Nichtexistentes mit Tatsächlichem zu verwechseln. Die Bibel sagt dazu: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen.“ Eph 6:12.
In Anbetracht dessen, was wir über das Wesen der Dunkelheit erkannt haben, sind „die Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen“, Herren über das Nichts, Herren über das, was keine Macht hat, sich dem Licht der Wahrheit zu widersetzen. In Wissenschaft und Gesundheit wird diese Tatsache näher erläutert: „Wir werden zuweilen zu der Annahme verleitet, daß Dunkelheit so wirklich sei wie Licht; aber die Wissenschaft behauptet, daß Dunkelheit nur ein sterblicher Begriff von der Abwesenheit des Lichts ist, bei dessen Kommen die Dunkelheit jeden Schein von Wirklichkeit verliert. So sind Sünde und Leid, Krankheit und Tod die mutmaßliche Abwesenheit von Leben, Gott, und wie Phantome des Irrtums fliehen sie vor der Wahrheit und der Liebe.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 215.
Wir brauchen uns nicht zu fürchten, wenn uns eine machtlose Armee von Illusionen und Trugbildern gegenübersteht. Und wenn wir erst einmal erkannt haben, was an diesem Feind wirklich dran ist, haben wir keine Angst mehr; wir halten an dem Licht fest, bis die falsche Auffassung verschwindet.
Wenn wir auf die Lösung eines Problems hinarbeiten, ist Gott in der Tat eine gegenwärtige Hilfe. Seine Liebe ist immer hier, umgibt uns und spricht sanft zu uns von unserer Vollkommenheit, Sicherheit, Gesundheit und Freude als Gottes Kinder. Die Christus-Botschaft lautet immer, daß wir geliebt werden und daß wir dieser Liebe völlig, ewiglich wert sind.
Das ist wahr. In unserer geistigen Identität — unserer einzig wahren Identität — sind wir wertvoll. Wir spiegeln als Gottes geistiger Sprößling aufgrund des Gesetzes, daß Gleiches Gleiches hervorbringt, Gottes vollkommenes Sein wider. Für den Menschen, den Gott erschaffen hat, gibt es da gar keine andere Möglichkeit, und deshalb bleibt auch uns und jedem anderen, der in den Lichtkegel dieses Verständnisses tritt, keine andere Wahl. Und natürlich ist es unsere Pflicht, diese Wahrheit Schritt für Schritt zu beweisen.
Wenn uns Versuchung, Furcht, Schmerz oder Mangel bedrängen, können wir in unserem Gebet darauf bestehen, daß der wahre Name des momentanen Problems, ganz gleich, wie es sich auch selber nennen mag, auf ein Nichts lautet. Und ein Nichts — Illusion und Ohnmacht — kann niemals die Allgegenwart und Allmacht der göttlichen Wirklichkeit niederzwingen.
Wir mögen vielleicht erschrecken, daß wir diesen radikalen Standpunkt einnehmen sollen. Er fordert von uns Glauben, Vertrauen auf das, was „noch nicht offenbar geworden“ 1. Joh 3:2. ist. Der Weg, den der Christ geht, ist nicht mit Blumen bestreut. Aber wir können ihn gehen. Wir können es, weil Gott, Geist, größer ist als jede Halluzination von materieller Begrenzung, von Erniedrigung und Sterblichkeit, ganz gleich, wie wirklich diese Lügen auch erscheinen mögen. Und da Gott jeder Vorstellung von etwas Bösem überlegen ist, sind auch wir es in dem Maße, wie wir bewußt Gott in unserem Denken und Handeln widerspiegeln.
Folgende Stelle aus Wissenschaft und Gesundheit spricht uns Mut zu: „Dich der Sünde für überlegen zu halten, weil Gott dich ihr überlegen gemacht hat und weil Er den Menschen regiert, das ist wahre Weisheit.“ Und ein Stückchen weiter heißt es dann: „Dich der Krankheit und dem Tode für überlegen zu halten ist ebenso weise und steht in Übereinstimmung mit der göttlichen Wissenschaft. Es ist unmöglich, Krankheit und Tod zu fürchten, wenn du Gott völlig begreifst und weißt, daß sie kein Teil Seiner Schöpfung sind.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 231.
Mit der Kraft geistiger Liebe und Weisheit können wir unser gottgegebenes Recht geltend machen und über allen Disharmonien der menschlichen Erfahrungswelt stehen. Solche Kraft geht nur aus wahrer Sanftmut hervor. Wir müssen unendliche, liebevolle Geduld aufbringen für alle, die vor Problemen stehen — auch für uns selbst. Vielleicht besonders für uns selbst. Wir können wissen, daß die trügerischen Probleme nur eins verdienen: daß sie in dem heiligen Feuer kraftvoller Entrüstung über die unverschämten Anmaßungen des Bösen zusammenschrumpeln und hinweggeblasen werden.
In einer Zeile eines Liedes aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft heißt es nachdrücklich: „Mit der Wahrheit Seines heil’gen Worts / Wir unsern Feinden trotzen.“ Liederbuch, Nr. 10 [nach dem englischen Text]. Das sollten wir tun. Und das können wir auch. Mit der Kraft der Allmacht hinter uns stehen wir... wovor? Vor einem Trugbild.
Wir haben das Recht und die Pflicht — und die Freude —, uns an dem Licht der Wahrheit zu erfreuen und geistig erleuchtete Verachtung über jene dunklen Gespenster auszugießen, die sich Sünde, Krankheit und Tod nennen. Der Zweifel an der Existenz des Irrtums, durch Demut und ruhiges, wissenschaftliches Verständnis der göttlichen Allheit und der absoluten Güte noch verstärkt, läßt sich nicht mehr unterkriegen. Die Dunkelheit hat noch nie das Licht der Wahrheit besiegt und wird das auch nie schaffen. Man könnte sonst ebensogut versuchen, Schatten auf die Sonne zu werfen.
