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„Freiheit des Herzens, des Denkens, des Landes“

Aus der Mai 1990-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wer könnte nicht in einer Zeit der Unsicherheit mehr Licht gebrauchen? Und wenn wir mehr Klarheit suchen, ist es mitunter hilfreich, die Erlebnisse anderer zu hören, anderer „ehrlicher Sucher nach der Wahrheit” — wie sie in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift von Mary Baker Eddy genannt werden. In diesem und in zukünftigen Beiträgen werden einige Erfahrungen wiedergegeben, die für all diejenigen nützlich sein dürften, die neue Lösungen suchen.

Das folgende Interview mit einer Frau in der DDR umspannt die letzten vierzig Jahre — angefangen mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als sie von einem russischen Soldaten auf die Christliche Wissenschaft aufmerksam gemacht wurde, durch die Jahrzehnte, in denen christlich-wissenschaftliche Gottesdienste und Reisen in den Westen verboten waren, bis hin zum gegenwärtigen Freiheitsdrang in ihrem Lande.

Die Beiträge in dieser Rubrik zeigen, wie verschieden die Sucher sind und wie das Licht des Christus, der Wahrheit, das Leben des einzelnen wiederherstellt, ihm eine neue Richtung gibt und es erneuert.

Ich wohne in der DDR in einer Stadt mit Schwerindustrie. Sie liegt an der Elbe, nahe der Grenze zur BRD. Nur 34 Kilometer trennen uns von der Grenze.

Jemand sagte mir, daß Sie in der DDR eine Friedensstifterin sind.

Jeden Morgen bete ich und halte mir vor Augen, daß ich in Gottes Reich wohne und daß ich eine Bürgerin Seines Reiches bin. Doch wenn Sie etwas über die politischen Ereignisse im letzten Herbst wissen möchten, so kann ich Ihnen sagen, daß alle Demonstrationen in unserer Stadt und in anderen Städten mit Gebet in der Kirche begannen — mit einer Stunde des Gebets. Danach marschierten die Kundgebungsteilnehmer und Demonstranten mit Kerzen in der Hand schweigend durch die Straßen. Einige trugen Transparente, auf denen Forderungen standen. Ich glaube, daß die Veränderungen ein Ergebnis der Gebete der ganzen Welt sind.

Unsere Revolution war so friedlich. Es wurde nicht geschossen; ich führe das darauf zurück, daß wir immer erst nach dem Gebet auf die Straße gingen. Und das ist ein Beispiel für die Welt. Eine Revolution kann friedlich verlaufen.

Warum glauben Sie, daß diese Umwälzungen durch Gebet bewirkt wurden? Könnten sie nicht mit dem Regierungssystem zu tun gehabt haben?

Nein, ich bin davon überzeugt, daß es die Gebete waren. Nicht nur ich, auch viele andere haben das so empfunden. Gott ist Liebe; daher glaube ich, daß die Gebete der Welt diesen Wandel bewirkten.

Wie haben Sie als einzelne Christliche Wissenschafterin für die Freiheit gebetet?

Ich habe durch das Lehrbuch der Christlichen WissenschaftChristian Science (kr'istjen s'aieǝns), Wissenschaft und Gesundheit, und durch den Herold der Christlichen Wissenschaft gelernt, wie man betet. Mir wurde bewußt, daß ich beten muß. Ich sagte mir, du bist Teil der ganzen Welt, und du mußt beten, daß du frei bist und daß du eine Bürgerin der Welt bist und daß „Sklaverei ... nicht der rechtmäßige Zustand des Menschen" ist, wie die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, Mary Baker Eddy, im Lehrbuch schreibt.

Wie sind Sie zur Christlichen Wissenschaft gekommen?

Nach dem Zweiten Weltkrieg war mein Land zerstört. Es herrschte Hunger. Ich wohnte in einem beschädigten Haus; es hatte kein Dach. Wir hatten wenig zu essen. Sowjetische Truppen hatten unsere Stadt besetzt.

Ein weiblicher Offizier der russischen Besatzungsarmee erwähnte die Christliche Wissenschaft. Sie wohnte in einem Haus, das die russische Armee auf der anderen Seite der Straße beschlagnahmt hatte. Sie hatte gehört, daß ich Lehrerin war. Es war für sie gefährlich, mit mir zu sprechen, sie sagte mir aber, daß sie Christliche Wissenschafterin sei und daß in unserer Stadt Gottesdienste der Christlichen Wissenschaft abgehalten wurden. Ich hatte noch nie etwas von der Christlichen Wissenschaft gehört.

Wann war das?

Ich glaube, 1949.

Sie selber durfte die Gottesdienste nicht besuchen. Ich ging und nahm an den Gottesdiensten teil. Zunächst verstand ich nichts. Doch irgendwie fühlte ich mich zu der wunderbaren Atmosphäre hingezogen. Die Leute waren so aufrichtig. Und so viel Liebe wurde zum Ausdruck gebracht. Gewöhnlich nahm ich meine Mutter mit. Auch ihr sagten die Gottesdienste zu, besonders die Lieder. So fand ich also meine Beziehung zu Gott.

Sind Sie religiös erzogen worden? Hatten Sie einer anderen Kirche angehört?

Meine religiösen Kenntnisse waren gering.

Weshalb fühlten Sie sich zur Christlichen Wissenschaft hingezogen?

Unser Leben war keineswegs leicht; wir hatten es sehr schwer. Das Wissen, daß Gott Liebe ist und daß, wie Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit schreibt, „die göttliche Liebe ... immer jede menschliche Not gestillt [hat] und ... sie immer stillen” wird, das brachte mir wirklichen Frieden. Sehen Sie, es gab keine Häuser; fast 90 Prozent der Stadt waren zerbombt. Oft hatten wir kein Licht, denn Strom gab es nur einige Stunden am Tag. Und Kohle und anderes Heizmaterial konnte man nicht immer bekommen.

Was mich an den Lehren der Christlichen Wissenschaft besonders beeindruckte, war die Tatsache, daß Gott all Sein Volk liebt; daß wir Seine Widerspiegelung sind; daß alle von Gott erschaffen sind und daß es einfach keinen Haß geben kann. Gott teilt die Menschen nicht in grausame Russen oder grausame Amerikaner oder grausame Deutsche auf.

Können Sie sich an einzelne Erlebnisse erinnern, wo Sie beweisen konnten, was Sie lernten?

Ich hatte eine ganze Reihe solcher Erlebnisse. Ich war an einer Oberschule Lehrerin für Englisch und deutsche Literatur. Ehe ich zur Schule ging, betete ich immer, oder meistens, und machte mir klar, daß meine Arbeit darin bestand, Gott widerzuspiegeln und auszudrücken, und daß die göttliche Liebe mich und meine Schüler umfängt, daß sie und ich göttliche Intelligenz widerspiegeln, demonstrieren und ausdrücken. Daher hatte ich große Fruede an meiner Arbeit.

Liebe verband mich und meine Schüler, und selbst heute komme ich mitunter noch mit Schülern zusammen, die in den fünfziger Jahren von der Schule abringen und jetzt Großväter und Großmütter sind, aber sie erinnern sich an meinen Mann und mich. Sie spürten wirklich — ja, ich möchte sagen — die Liebe.

Die Christliche Wissenschaft war bis vor kurzem in Ihrem Land verboten. Kannten Sie andere Christliche Wissenschafter? Konnten Sie sich mit ihnen treffen?

Nein. Viele Christliche Wissenschafter hatten unser Land verlassen, und es wäre ohnedies sehr gefährlich gewesen, sich zu treffen. Doch kann ich Ihnen sagen, daß ich jeden Tag Gottes Führung gespürt habe, und ich vertraute auf den 91. Psalm, wo es heißt: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen.” Jeden Tag habe ich an dem Gedanken festgehalten, daß Gott alle meine Angelegenheiten regelt, und ich wußte, daß das Böse überhaupt kein Gemüt hat.

Ich hatte das Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, und ich hatte den Herold. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, nahm ich mir immer eine halbe Stunde Zeit, um darin zu lesen. Das half mir, Schwierigkeiten zu überwinden. Ich muß Ihnen sagen, ich kam mit allen Menschen gut aus. Sie sind sehr freundlich zu mir.

Der gesamte Verwaltungsapparat war im Grunde genommen antireligiös. Und da die Christliche Wissenschaft verboten war, müssen Sie allein gewesen sein. Haben Sie sich je einsam gefült?

Nein, ich habe mich nicht einsam gefühlt. Ich hatte das Lehrbuch, und ich wußte, daß Gott überall ist und daß Er allmächtig ist.

Daß Sie sich nicht einsam fühlten, lag wohl zum Teil daran, daß Sie das, was Sie als wahr erkannt hatten, anwandten?

Ich habe es versucht. Gebet bedeutet für mich, daß man nicht nur etwas mit den Lippen sagt, sondern es beweist. Und das habe ich versucht. Es gelang mir nicht immer; manchmal wurde ich von Problemen übermannt, aber später erkannte ich immer die Wahrheit.

Wir führten ein sehr glückliches Familienleben; die Ehe mit meinem Mann war wirklich eine Vereinigung der Herzen. Mein Mann war kein Christlicher Wissenschafter. Doch wenn wir in unserem Land oder in andere Länder des Ostblocks reisten — wir waren drei Jahre lang als Lehrer in Bulgarien tätig —, packte er meine christlich-wissenschaftlichen Bücher und Zeitschriften mit ein, denn er war der Meinung, daß sie uns sehr halfen.

Ich muß sagen, daß ich nur wenige körperliche Beschwerden gehabt habe. Während meiner Lehrtätigkeit habe ich nie im Unterricht gefehlt.

Sie waren schon vor der kürzlichen Aufhebung des Reiseverbots in den Westen gereist, weil es Ihnen als Rentnerin erlabut war. Was waren Ihre ersten Eindrücke vom Westen?

Der hohe Lebensstandard, die vielen Lebensmittel und materiellen Dinge machen das Leben viel leichter als hier bei uns. Als ich das erste Mal nach Westdeutschland reiste, war ich von dem Warenangebot in den Schaufenstern einfach überwältigt. Aber Neid stieg nie in mir auf, weil ich wußte, was mir die Christliche Wissenschaft zu geben hat. Ich konnte mich einfach mitfreuen.

Natürlich wollte ich manchmal auch besser gekleidet sein, oder ich wünschte, ich hätte dieselbe Auswahl, wenn ich einkaufen gehe. Oder ich wünschte, ich könnte Obst kaufen, denn Bananen bekommt man bei uns nur zu Weihnachten. Aber ich war nie neidisch, denn ich weiß, daß ich mit meinem Leben zufrieden bin und daß Gott allen Menschen gibt, was sie brauchen. Ich konnte mich mit ihnen freuen. Ich muß nur dankbar sein.

Mein Enkel hat der DDR den Rücken gekehrt mit der Begründung: „Ich will ein besseres Leben haben.” Eines Abends kam er zu mir und sagte: „Ich möchte dir für alles danken, was du für mich getan hast. Ich gehe jetzt.” Ich erwiderte ihm: „Überdenke deinen Entschluß noch einmal. Die Probleme, die du bisher nicht gelöst hast, werden dich begleiten, wenn du in den Westen gehst. Wenn du Probleme lösen willst, dann bleibe hier und arbeite mit uns zusammen und fordere ein besseres Leben, und es wird kommen, ja, es wird kommen.”

Wenn uns alle diese jungen Leute verlassen und nur ein besseres Leben haben wollen, so ist das nicht der richtige Weg. Sie müssen bleiben und arbeiten und die Probleme lösen. Es ist nicht immer richtig, einfach zu gehen. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Was, glauben Sie, braucht Ihr Land?

Ich glaube, das wichtigste ist, daß wir uns auf Gott verlassen. Dann werden all die notwendigen Veränderungen in der Wirtschaft, die freien Wahlen, was man jetzt fordert — all das wird auf dieselbe Weise kommen wie die jüngsten Veränderungen.

Wie kann Gott das alles beeinflussen?

Weil Er Liebe ist und in jeder Notlage hilft und immer gegenwärtig ist. Nur diese Antwort kann ich Ihnen geben. Ich habe keine andere. Er gibt jedem Menschen die Fähigkeiten, die er für seine Arbeit braucht. Er gibt uns alles, was wir brauchen, um unsere Alltagsprobleme zu lösen. Er gibt uns die Intelligenz, die wir für unsere Arbeit benötigen.

Sie haben das Leben in den Ostblockländern und im Westen kennengelernt. Was verstehen Sie unter Freiheit?

Es ist das Wissen, daß Gott immer gegenwärtig ist; es ist das Wissen, daß es keine Sklaverei gibt; es ist das Wissen, daß Gott All-Wirken ist und daß Er alle Menschen zur Freiheit des Herzens, des Denkens, des Landes führen wird.

Freiheit hängt nicht von dem Reichtum ab, den man besitzt. Sie hängt von der inneren Kraft ab, die Gott in uns zum Ausdruck bringt. Sie hängt von dem Frieden ab, den Er uns gibt. Das ist Freiheit. Natürlich ist es schön, wenn man in angenehmen Verhältnissen lebt, doch können wir in allen Ländern deutlich sehen, daß das keineswegs Freiheit oder Frieden für alle bedeutet. Freiheit bedeutet, mit Gott eins zu sein und Seine Allgegenwart zu erkennen.


Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Selig sind, die da hungert und dürstet
nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

Matthäus 5:3, 6

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