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Niederknien und zum Christus aufschauen

Aus der Februar 1992-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Sieben Oder Acht Leute standen Schlange vor der Kasse und hofften, die ältere Frau, die sich abmühte, ihre Kleidung in Ordnung zu bringen und gleichzeitig ihre Schuhe zu bezahlen, würde sich beeilen, damit sie mit ihren Weihnachtseinkäufen weiterkämen. Die zierliche Frau, die sich offenbar bewußt war, daß sie die anderen nervte, schob immer wieder ihre orangefarbene Trainingshose, die sie als lange Unterhosen trug, unter ihre marineblaue Überhose, aber jedes Mal rutschte sie wieder darunter hervor. Sie versuchte es mehrmals, erst bei dem einen, dann bei dem anderen Bein. Aber dann trat eine Frau aus der Reihe hinter ihr vor. Ohne viel zu fragen, kniete sie nieder, krempelte sorgfältig die Trainingshose an den Beinen mehrere Male um, zog die blaue Hose darüber und kehrte zu ihrem Platz in der Reihe zurück. Die ältere Frau war sichtlich berührt von dieser Freundlichkeit einer ihr fremden Frau. Sie drehte sich zu ihr um und sagte immer wieder: „Gesegnet sei Ihr gutes Herz.“ Dann bezahlte sie schnell und verließ das Geschäft.

Für den zufälligen Beobachter war das nur eine kleine, merkwürdige Episode — vielleicht aber auch das Glanzlicht eines sonst ganz „alltäglichen“ Tages. Es könnte auch sein, daß jemand dadurch wieder Hoffnung geschöpft hat für die menschliche Natur. Was mich betrifft, so lernte ich die geistige Grundlage für die Liebe zu unseren Mitmenschen, wie sie die Bibel und die Lehren der Christlichen Wissenschaft offenbaren, besser verstehen.

Im biblischen Schöpfungsbericht, der im ersten Kapitel des ersten Buches Mose niedergeschrieben ist, wird erklärt, daß der Mensch Gottes Bild und Gleichnis ist. Er ist „sehr gut“, die Krönung der Schöpfung, und besitzt Herrschaft über die ganze Erde. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß dieser gottähnliche Mensch das wahre Selbst eines jeden ist; jeder spiegelt die vollkommene Güte Gottes, seines Vater-Mutter Gottes, geistig wider.

Die Annahme, daß der Mensch „gefallen“ und verflucht sei, ist eine Lüge. Wenn wir erkennen, wie betrügerisch diese Annahme ist, und wenn wir die Vollkommenheit des Menschen — sei’s auch nur bis zu einem gewissen Grade — geistig verstehen, tritt Heilung ein. Dann fühlen wir uns geliebt und zärtlich umsorgt; Gott wird zur greifbaren Wirklichkeit.

Für den Außenstehenden sieht es vielleicht so aus, als käme eine solche Heilung durch die Liebe eines Menschen zu einem anderen Menschen zustande, durch einen Akt menschlicher Freundlichkeit. Aber in der Christlichen Wissenschaft lernen wir, daß unsere Fähigkeit zu lieben allein von der göttlichen Liebe kommt und kein selbsterzeugtes menschliches Gefühl ist. Christus Jesus bezog sich während seines Wirkens oftmals auf diese gottgegebene Fähigkeit; er tat offen kund, daß seine Werke zur Ehre Gottes geschahen. Sie waren mehr als bloße Akte menschlichen Wohlwollens, sie bewiesen die Einheit des Menschen mit Gott als Sein geliebtes Kind.

Das Lukasevangelium berichtet zum Beispiel, daß Jesus einmal der Gast eines bekannten Pharisäers mit Namen Simon war. Während er dort war, trat eine Frau ein, die mit Tränen der Reue seine Füße benetzte und sie mit kostbarem Öl salbte. Jesus nahm ihre Zuneigung an trotz der Tatsache, daß sie sozial geächtet war. Damit rügte er zugleich die unausgesprochene Selbstgerechtigkeit und Empörung Simons. Er erzählte ihm ein Gleichnis von zwei Schuldnern, denen die Schuld erlassen wurde und die ihren Gläubiger im Verhältnis zur Größe der erlassenen Schuld liebten.

Mrs. Eddy schrieb in Wissenschaft und Gesundheit mehrere Seiten über diese Bibelgeschichte. Ihre Worte sind für jeden Christen wertvoll, der seinen Mitmenschen helfen und sie heilen möchte. Wenn Christliche Wissenschafter, so macht sie deutlich, die Wahrheit „aus materiellem Konservatismus und um menschlicher Huldigung willen“ suchen, wie Simon es tat, dann „lieben“ auch sie „wenig“. Und weiter sagt sie: „Zeigen sie an dererseits ihre Ehrfurcht vor der Wahrheit, oder dem Christus, wie diese Frau, durch echte Buße, durch zerknirschte Herzen, die in Sanftmut und Menschenliebe zum Ausdruck kommen? Wenn dem so ist, dann kann man auch von ihnen sagen, wie Jesus von der unwillkommenen Besucherin, daß sie in der Tat viel lieben, weil ihnen viel vergeben ist.“

Es spielt keine Rolle, was jemand über seine Identität denkt und warum er gerade so handelt, wie er es tut, und nicht anders. In Wirklichkeit ist nur das wahr und von Dauer, was Gott von Seiner geistigen Schöpfung weiß — und Er kennt einzig die Vollkommenheit. Christus Jesus hielt an dieser geistigen Sicht fest wie niemand sonst, weil er seine Sohnschaft mit Gott so völlig verstand. Er zeigte seinen Nachfolgern, wie sie an Gnade wachsen und Schritt für Schritt die Werke tun können, die er tat, bis jeder Mann, jede Frau und jedes Kind seine Identität als Kind Gottes erkennt. Für die meisten von uns kommt dieses geistige Wachstum nach und nach, wenn wir materielle Anschauungen über Gott und Mensch ablegen und immer mehr die Wirklichkeit des geistigen Seins in unserem täglichen Leben deomonstrieren.

Dabei ist Reue unerläßlich. Die Bereitschaft, Selbstgerechtigkeit auszumerzen und allen Menschen gegenüber die Liebe Gottes auszudrücken — welche gesellschaftliche Stellung sie auch haben oder wie sie auch aussehen mögen —, ist der praktische Beweis, daß wir das geistige Verständnis vom Menschen als Gottes volkommenem Kind akzeptiert haben.

Dieser Wandel vollzieht sich nur, wenn wir — im übertragenen Sinn und manchmal auch ganz buchstäblich — niederknien und zum Christus aufschauen, der geistigen Idee des Menschen als Bild Gottes. Mit anderen Worten, wir beten darum, das geistige Selbst jedes Menschen — uns selbst eingeschlossen — zu verstehen. Solche Demut lehnt es ab, einen materiellen Begriff vom Menschen als Grundlage für unser Denken und Tun zu akzeptieren.

Der Pharisäer Simon hatte gewiß reichlich Gelegenheit, seine Verehrung für den Christus zu zeigen. Aber selbstgerechter Stolz machte ihn blind für die Gelegenheiten, die sich ihm boten. Er merkte nicht, daß auch er bereuen und vergeben mußte, und daher war er nicht bereit, anderen zu helfen.

Das schlichte Beispiel praktischer Nächstenliebe, das die Frau im Schuhgeschäft gab, zeigt, worum es geht. Zufällig ist diese Frau eine Christliche Wissenschafterin, die es in ihrer Jugend sehr schwer hatte und viel Leid erlebte. Aber als junge Erwachsen fand sie zur Christlichen Wissenschaft und wurde moralisch und physisch geheilt. Jetzt hilft sie anderen, indem sie sie, so gut sie kann, als Kinder Gottes sieht, als geistig und vollständig.

Unsere eigene innere Erneuerung und die Nächstenliebe, die sie in uns wachruft, führen uns dorthin, wo wir die Menschheit heilen und segnen können. Was uns wie ein demütigendes Ringen mit unserem Stolz und dem eigenen Selbst erscheint, erweist sich am Ende als heilige, erhebende Vorbereitung des Herzens, die uns unsere Christusähnlichkeit — die eigene wie die unseres Nächsten — wahrnehmen läßt. Die unausbleibliche Folge davon ist Heilung.

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