Viele Menschen glauben, daß es einen Gott gibt. Aber was für eine Vorstellung haben sie von dem Allmächtigen? Oft wird Er in abstrakten Begriffen definiert, als ein weitentferntes Wesen, unnahbar und unerreichbar. Viele erinnern sich daher nur in allergrößter Not an Gott und beten um Hilfe. Diese Gebete werden vielleicht nicht immer erhört, weil sie eine Herbeirufung Gottes darstellen anstatt ein Anerkennen Seiner beständigen Gegenwart.
Gebet im tiefsten Sinne basiert auf der Anerkennung der Allmacht und Allgegenwart der göttlichen Liebe. In der Bibel heißt es in der Apostelgeschichte, daß Gott „nicht ferne von einem jeden unter uns [ist]. Denn in ihm leben, weben und sind wir.“
Wir sind also in Wahrheit von dem Vater untrennbar. Und in unserem wirklichen Selbst als Gottes geistiges Bild und Gleichnis bringen wir ständig das Wesen unseres Schöpfers zum Ausdruck, so wie die Sonnenstrahlen das Licht und die Wärme der Sonne zum Ausdruck bringen.
Gott ist gut und vollkommen, wie wir aus der Bibel entnehmen können. Demzufolge kann Sein Mensch nur das Gute zum Ausdruck bringen. Wenn wir uns dieser Tatsache bewußt werden und uns bemühen, in Übereinstimmung damit zu leben, stellen wir uns unter Gottes Gesetz und unter Seine Obhut. Wir sehen, daß wir zu keiner Zeit wirklich allein stehen, um Krankheit, Haß, Neid, Armut, Unterdrückung und andere Widerwärtigkeiten zu besiegen. Es ist unser gottgegebenes Recht, das Gute zu erfahren, das Gott jederzeit Seinen Kindern zuteil werden läßt.
Akzeptieren wir diese Wahrheit, oder halten wir an dem trügerischen Bild vom Menschen als einem verletzlichen Sterblichen fest, der von Gott getrennt ist, unfähig, Ihn zu kennen oder aus Seiner Gegenwart Nutzen zu ziehen? Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit: „Heidentum und Agnostizismus mögen die Gottheit als, das große Unkennbare‘ definieren; die Christliche Wissenschaft aber bringt Gott dem Menschen viel näher und trägt dazu bei, daß Er besser erkannt wird als der Alles-in-allem, allezeit nahe.“
Im Johannesevangelium lesen wir, daß an einem bestimmten Ort in Jerusalem viele Kranke an einem Teich lagen und darauf warteten, „daß sich das Wasser bewegte“. Wer zuerst ins Wasser stieg, nachdem es sich bewegt hatte, wurde gesund. Es lag dort ein Mann, der schon 38 Jahre lahm gewesen war. Christus Jesus fragte ihn: „Willst du gesund werden?“ Der Mann antwortete: „Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.“
Diese Worte drückten ganz klar die Hoffnungslosigkeit des Mannes aus. Er glaubte, daß er benachteiligt sei und daß das Gute für ihn nicht erreichbar sei. Seine Überzeugung, daß er nur durch menschliche, materielle Hilfe Gesundheit erlangen konnte, war tatsächlich ein Leugnen der Gegenwart Gottes und der heilenden Kraft Seines Christus. Aber Jesus sagte zu dem Kranken: „Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!“ Und wie uns berichtet wird, wurde der Mensch sogleich „gesund und nahm sein Bett und ging hin“.
Sind wir wie dieser Mann und verlassen uns auf materielle Mittel, anstatt der heilenden Kraft der göttlichen Liebe zu vertrauen, die immer für uns da ist? Müssen wir Heilung und Sicherheit letztlich nicht in etwas anderem als der Materie suchen?
Ich hatte eine Erfahrung, die bewies, daß Gefahr und die damit verbundene Furcht durch die Erkenntnis überwunden werden kann, daß Gott da ist und Seine Schöpfung völlig beherrscht. Ich befand mich auf dem Kreuzfahrtschiff „Maxim Gorki“, als es am 20. Juni 1898 vor Spitzbergen in ein Eisfeld geriet und sieben Meter aufgerissen wurde. Das Wasser drang bis zum vierten Deck herauf, und das Schiff hatte ein bedrohliche Schräglage. Die Passagiere befanden sich in den Rettungsbooten zum Teil auf dem Wasser und zum Teil am Schiff.
Ich ließ kein Angstgefühl aufkommen, denn ich war mir klar bewußt, daß in Gottes geistigem Universum, dem einzig wahren Daseinszustand, kein Unglück geschehen kann. Auch kann es unter Seiner liebevollen Regierung keinen Verlust geben. Ich wußte, daß Gott, allgegenwärtiger Geist, nahe ist und alles in vollkommener Harmonie erhält.
Einige Stellen aus dem 139. Psalm kamen mir in den Sinn. Der Psalmist sagt zu Gott: „Ich gehe oder liege, so bist du um mich... Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir... Und bliebe [ich] am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.“
Großer Frieden und Dankbarkeit erfüllten mich; ich wußte, daß Gott immer gegenwärtig ist, auch mitten auf dem Meer. Es erfolgte eine großartige Rettungsaktion durch ein norwegisches Küstenwachschiff, und das Schiff selbst konnte stabilisiert und zur Reparatur in den Hafen geführt werden.
Im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, verweist uns Mrs. Eddy auf die praktische biblische Wahrheit über Gottes heilende Kraft. Sie zeigt, daß diese Gnadengabe nicht einer bestimmten Zeit angehörte, sondern immerdar von uns allen verstanden und demonstriert werden kann.
Die heilende Macht des einen allwissenden, allgegenwärtigen Gemüts ist ständig wirksam. Sie ist jetzt hier, weil Gott hier ist. Und sie steht jedem als Hilfe bereit, der sich vertrauensvoll an Ihn wendet.
Die „Wunder“ Jesu sind keine vereinzelten Kundwerdungen der Macht oder des Wohlwollens für Menschen, die sich in Not befanden. Sie sind ein Zeichen dafür, daß das Himmelreich gegenwärtig ist...
The Supremacy of Jesus. Nachdruck mit Genehmigung von Hodder & Stoughton, Ltd. Copyright Stephen Neill.