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Was die Mutter eines „verlorenen Sohnes“ lernte

Für die Rubrik „Familienthemen” geschrieben

Aus der Februar 1992-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Da Drogenmißbrauch und Unmoral immer mehr überhandnehmen, müssen sich Familien manchmal mit schwerwiegenden Fragen und schmerzhaften Meinungsverschiedenheiten auseinandersetzen und Lösungen dafür finden. Was ein Sohn oder eine Tochter haben, sein oder tun will, kann das krasse Gegenteil von dem sein, was die Eltern für richtig halten. Es kann sogar bis zur Selbstzerstörung führen. Gebet, das zum sicheren Wissen um Gottes Plan und Fürsorge für alle Seine Kinder führt, kann Hilfe bringen.

Viele Eltern sagen, daß man sich nur im Kreise dreht, wenn man bei der Erziehung seiner Kinder kein klares Ziel hat — wenn man nicht weiß, was man erreichen will und woran man sich orientieren soll. Wonach haben Sie sich als Mutter, als prägender Mittelpunkt einer Familie, beim Umgang mit Ihren sechs Kindern gerichtet?

Nun, eine Mutter hat natürlich Zielvorstellungen für ihre Kinder: in erster Linie, daß sie gute Bürger werden und daß sie Gott lieben. Mein Mann und ich waren uns von Anfang an darüber klar, daß wir Gott liebten und daß wir als aktive Christliche Wissenschafter unsere Kinder nach den Lehren Christi Jesu erziehen wollten. Das war für uns sehr wichtig.

Einer unserer Jungen war als kleiner Kerl die reine Wonne. Er hopste durch seine Kleinkinderjahre, und wir hatten kaum Probleme mit ihm. Erst als er in die Grundschule kam, bemerkten wir, daß er dazu neigte, für die falschen Dinge zu kämpfen, und daß er schnell die Beherrschung verlor, wenn es nicht nach seinem Willen ging. Wir beteten sehr ernstlich und hatten auch einigen Erfolg, aber schließlich gerieten die Dinge außer Kontrolle.

Als Chuck älter wurde, gab es ein fortwährendes Hin und Her zwischen rechtem und unrechtem Verhalten. Er benahm sich immer irgendwie extrem. Wenn er artig war, war er sehr lieb, aber wenn er ungezogen war, benahm er sich unmöglich.

Wie war Ihr Verhältnis zu ihm? Er kam immer zu mir und knallte sozusagen seine Probleme vor mich hin. Wenn dann alles heraus war, konnten wir ruhig miteinander reden. Zuhören was das Wichtigste, was ich lernen mußte, und nicht auf das reagieren, was da aus seinem Mund sprudelte. Ein Wendepunkt kam für mich während seines neunten Schuljahres. Ich hatte die metaphysische Tatsache begriffen, daß der Mensch — der wahre Mensch der Schöpfung Gottes — niemals ein Medium für das Böse ist. Und ich fühlte, daß die ganze Angelegenheit ebenso bei mir wie bei ihm geheilt werden mußte. So sehe ich das übrigens auch heute noch. Ich mußte lernen, „das Wertvolle vom Üblen“ zu trennen, wie es bei Jeremia heißt [nach der englischen King-James-Bibel].

Es ist ein entsetzliches Gefühl für die Eltern — besonders für die Mutter —, wenn das Kind sie und ihre Liebe scheinbar ablehnt. Das ist ein tiefer Schmerz, der geheilt werden muß. Ja, das stimmt. Wir waren uns sicher, daß die Bedüfnisse und Entwicklungsstadien aller unserer Kinder (Chuck ist der zweitälteste Sohn) in Beziehung zueinander standen, aufeinander einwirkten und daß wir alle als Familie zusammengehörten. Es war nicht einfach sein oder mein Problem. Es war eine Familiensituation, und wir mußten sie alle zusammen ausarbeiten.

Wurde er gewalttätig? Er wendete nie körperliche Gewalt gegen andere an. Er zerstörte sich vielmehr selbst durch Drogen, und das begann im neunten Schuljahr. Wir waren von einem sehr kleinen Ort in eine Stadt gezogen, deren „High School“ mehr als dreitausend Schüler hatte. In so einer Schule konnte ein Junge leicht untergehen.

Zunächst hatte es den Anschein, als ob Chuck von seinen Klassenkameraden großartig akzeptiert würde. Er wurde zu Partys und Schulveranstaltungen eingeladen. Aber bald wurden seine Noten schlecht, und er brauste oft auf. Man konnte Chuck nie zufriedenstellen. Was man ihm auch gab oder für ihn tat, es war nie ganz das Richtige.

Während all dieser Zeit besuchte er die christlich-wissenschaftliche Sonntagsschule. Er lehnte sich nicht dagegen auf.

Wußte er, daß Sie ihn liebten? Er sagt, jetzt weiß er, daß wir ihn liebten. Aber als er siebzehn war, kam eine Zeit, wo wir uns trotz aller Liebe trennen mußten. Der Einfluß von Drogen und Alkohol begann sich damals auf die ganze Familie auszuwirken.

Was sagte er, als Sie ihn mit der Sache konfrontierten? Er leugnete immer nur. Dann kam er eines Nachts spät nach Hause — später als wir es erlaubt hatten und nach der Polizeistunde.

Aber nachts um halb drei klingelte sein Radiowecker. Als ich die Tür zu seinem Zimmer öffnete, konnte ich den Alkohol riechen. Er erschrak, als ich in sein Zimmer kam, und ich lachte bei dem Gedanken daran, daß seine Trinkerei auf solch unerwartete Weise herauskam. Keiner von uns hatte den Wecker gestellt. Wir „verbuchten“ das als erhörtes Gebet. Dadurch hatten wir die Möglichkeit, über die Situation zu sprechen. Ich konnte nun mal weder Alkohol noch Drogen in unserem Haus dulden.

Da Chuck gern singt, sprachen wir über den Text eines seiner Lieblingslieder aus dem Liederbuch der Christlichen Wissenschaft. Die Worte sind von Mrs. Eddy: „Hirte, über Berge steil/Zeig den Weg mir klar ...“ Das Lied enthält eine Verheißung, die mir damals viel Hoffnung gab: „Starren Willen beuge Du.“ Ich fühlte, daß es Gott war, der seinen starren Willen beugen würde — diesen Willen, der sich einfach nicht anpassen oder beim Rechttun bleiben wollte.

Wir sprachen in jener Nacht auch noch über ein weiteres Lied, in dem es heißt:

Geliebtes Gotteskind,
Sieh dein Geburtsrecht an
Und merk: Gott hat für dich
Den allerbesten Plan.

Das brachte mir wieder zum Bewußtsein, daß ich meinen Sohn vom Bösen, ja von dem Hypnotismus, trennen konnte, und ich erkannte, daß nur das Gute und sein reiner Einfluß herrschen konnten.

In manchen Familien hält man heutzutage das Trinken von Alkohol nicht für ungewöhnlich oder gar alarmierend. Warum beunruhigte Sie das so sehr? Ich wuchs in einer Familie mit einem Alkoholiker auf, und ich wollte diese Atmosphäre nicht für unsere Kinder. Alkohol und Drogen beherrschten Chuck. Er war sehr sprunghaft geworden, und durch sein Benehmen fing er an, die Familie zu terrorisieren. Wir faßten ihn alle mit Glacéhandschuhen an aus Furcht, daß irgendein Wort von uns einen furchtbaren Wutausbruch hervorrufen könnte. Seine kleinen Geschwister hatten Angst vor ihm.

Nachdem wir es viele Jahre lang versucht hatten, mußten wir schließlich sagen: „Du kennst die Regeln in unserem Haus. Wir wünschen keinen Alkohol und keine Drogen irgendwelcher Art. Deine Wutausbrüche und dein Mangel an Selbstbeherrschung wirken sich auf unsere Familie aus, so daß wir nicht mehr normal und glücklich miteinander leben können.“

Zu dieser Zeit dachte ich sehr viel über die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn nach. Ich sah langsam ein, daß die wirkliche Kontrolle nur in Gottes Hand liegen konnte. Ich glaube, mit dem verlorenen Sohn war es wohl ähnlich wie bei uns. Chucks Benehmen sagte: „Ich will nicht, daß man mir heraushilft. Ich bin fest entschlossen, mit Drogen und Alkohol weiterzumachen." Ich hingegen war für meine anderen Kinder und auch für mein eigenes Leben mit meinem Mann verantwortlich.

Ich liebe die Bibel sehr und finde es wunderbar, wie Mrs. Eddy uns die biblischen Geschichten erschließt. Diese Erfahrung mit Chuck ließ mich in der Liebe wachsen, und ich verstand nun den Patriarchen Abraham. Der hatte zwei Söhne — Ismael und Isaak —, über deren Leben er einige harte Entscheidungen zu treffen hatte. Er vertraute Gott (siehe 1. Mose, Kap. 21, 22). Ich lernte Abrahams wundervolles Vertrauen auf das Gute immer mehr schätzen. Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit über die Bedeutung Abrahams. Sie saft: „Dieser Patriarch veranschaulichte den Vorsatz der Liebe, Vertrauen auf das Gute zu schaffen, und zeigte die lebenerhaltende Kraft geistigen Verständnisses.

Eines Tages dachte ich über die Geschichte von Abrahams Sohn Ismael nach, wie er und seine Mutter Hagar von Abraham in die Wildnis geschickt worden waren. Sie hatten kein Wasser mehr, und es schien keine Hilfe für sie zu geben.

Beim Lesen der Geschichte an jenem Tag erkannte ich, daß die Mutter Gott vertrauen mußte und sich nicht um ihr Kind ängstigen durfte. Es steht dort, daß der Engel zu Hagar sprach und sagte: „Fürchte dich nicht; denn Gott hat gehört die Stimme des Knaben, der dort liegt.“ Es war, als ob eine ungeheure Last von mir genommen worden wäre.

In der Bibel steht auch, daß Hagar sich abwandte, weil sie Ismael nicht sterben sehen wollte. Mir kam der Gedanke: „Nun, wenn Hagar nicht den Tod sehen wollte, was wollte sie dann sehen?“ Meine Antwort war: „Leben.“ Und daß ich dafür verantwortlich war, meinen Sohn weiter als das Kind Gottes in Leben und Vollkommenheit zu sehen, nicht in dieser schrecklichen, chaotischen Szene.

Das war eine starke Inspiration, und ich klammerte mich daran während der nächsten Auseinandersetzungen mit Chuck. Schließlich war ich in der Lage, die Sache ganz nüchtern und sachlich anzugenhen, und ganz ruhig und vernünftig sagte ich: „Chuck, was du tust, ist für mich und unsere Familie nicht gut, und offensichtlich ist das, was ich erwarte und worum ich bete, nicht das, was du willst. Wir brauchen daher wirklich etwas Abstand voneinander.“

Chuck verließ das Haus, aber wir blieben in Kontakt. Mit unserer Einwilligung ging er zur Luftwaffe. Ganz offensichtlich hatte er immer noch Drogenprobleme. Was ihn veranlaßte, zum Militär zu gehen, war: „Mom, ich weiß, ich brauche die Disziplin. Ich weiß, ich brauche das Geld. Und ich weiß, daß ich nicht wieder zu euch nach Hause ziehen möchte.“

Hörte Gott „die Stimme des Knaben“, als Chuck beim Militär war? O ja, in vieler Hinsicht. Aber das ist seine Heilung, über die er eines Tages sprechen wird. Ich kann nur sagen, daß es Wachstum und Erneuerung gab. Ich habe über den Standpunkt der Mutter und über ihre Heilung gesprochen — darüber, wie Eltern sich auf geistige Intuition verlassen und auf Gott vertrauen können. Chuck erzählte mir aber: Als er wirklich am Ende gewesen war, da waren „die Dinge, die ihr, du und Vati, mir so klar beigebracht hattet — was Gott ist und wie ich zwischen Recht und Unrecht wählen muß —, das was mich aufrecht hielt und wodurch ich wieder hochkommen konnte“.

Es war eine wundervolle Überraschung, als er uns an seinem 21. Geburtstag seine Auszeichnung als „Flieger des Jahres“ überreichte, die eine Belobigung für Selbstdisziplin enthielt.

Sie wissen, daß in unserem wie auch in anderen Ländern dazu aufgerufen wird, eine drogenfreie Gesellschaft zu schaffen. Das ist eine gute Sache. Die Antwort auf diesen Ruf muß von jedem einzelnen wie auch von den Familien kommen. Nach dem Satz zu handeln: „Sag, Nein’ zu Drogen“, erfordert Mut und Stärke. Diese Eigenschaften entwickeln sich, wenn wir bereit sind, „Ja“ zum Guten zu sagen. „Ja“ zu allem, was in uns und anderen gut ist. In ihrem Buch Rückblick und Einblick schreibt Mrs. Eddy sehr offen zu diesem Thema: „Gott ist das Gute; daher ist das Gute wesenhaft, denn es stellt Gott dar, das Leben des Menschen. Sein Gegenteil, ein Nichts, das Böse genannt, ist nur eine Verschwörung gegen das Leben und die Güte des Menschen.“ Sie sagt auch: „Es ist wissenschaftlich, in bewußter Harmonie zu verharren... Um dies tun zu können, müssen den Sterblichen erst einmal die Augen aufgehen für all die trügerischen Formen und Methoden und die Heimtücke des Irrtums, damit die Trugvorstellung, der Irrtum, zerstört werden kann; geschieht dies nicht, so fallen die Sterblichen dem Irrtum zum Opfer.“

Sie sehen also, ich bin davon überzeugt, daß Eltern der Macht des Guten völlig vertrauen und durch Gebet und die göttliche Liebe die zerstörende Wirkung des Drogenmißbrauchs aufdecken können. Weder Familien noch Einzelpersonen brauchen Opfer zu werden, denn Gott ist wirklich das Leben jedes Seiner Kinder.

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