Manchmal Werden Christliche Wissenschafter ersucht, für Patienten um Heilung zu beten, die Hunderte, ja sogar Tausende von Kilometern entfernt sind. Und selbst wenn die Bitte von jemandem kommt, der näher ist, kann die Heilung eintreten, ohne daß der Patient persönlich beim Heiler anwesend ist. Wie werden solche Heilungen vollbracht?
Wahres geistiges Heilen hängt immer von der Gegenwart Gottes ab. Der göttliche Geist ist jederzeit überall gegenwärtig; er ist unendlich — niemals durch Grenzen eingeschränkt. Welche Rolle spielt dann der geistige Heiler? Ist er ein menschlicher Vermittler — ein Mittelsmann —, der irgendwie eine Verbindung zwischen Gott und dem Menschen herstellt? Nein. Genau das ist der Heiler nicht. Gott ist immer gegenwärtig, und Seine Widerspiegelung, der Mensch, kann nie von Ihm getrennt sein.
Betrachten wir als Beispiel, wie Christus Jesus den Sohn des königlichen Beamten heilte. Der Junge war schwer krank. Als der verzweifelte Vater hörte, daß Jesus in Kana in Galiläa war, ging er von seinem Heim in Kapernaum dort hin (eine Entfernung von ungefähr 30 Kilometern) und bat Jesus, zu kommen und seinen Sohn zu heilen, der, wie uns die Bibel berichtet, „todkrank” war. Aber Jesus ging nicht hin.
Er tat etwas viel Unmittelbareres, als nach Kapernaum zu eilen. Er tadelte die Annahme, daß seine Gegenwart nötig sei, um den Jungen zu retten. Doch behandelte er den königlichen Beamten mit Mitgefühl und beruhigte ihn mit den Worten: „Geh hin, dein Sohn lebt!” Der Vater glaubte Jesus und trat seinen Heimweg an. Unterwegs kamen ihm seine Knechte entgegen und berichteten ihm, daß sein Sohn lebe und gesund sei; diese Genesung hatte sich am Vortag ereignet, und zwar in der Stunde, „in der Jesus zu ihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt.”
Die dem Christus, der Wahrheit, innewohnende Erkenntnis, daß der Mensch die Widerspiegelung der immergegenwärtigen Liebe ist, heilte damals den Kranken, wie sie es auch heute tut — ungeachtet dessen, ob ein persönlicher Kontakt zwischen Ausüber und Patient besteht oder nicht. Das göttliche Gemüt — und Christus Jesus bewies, daß das sein einziges Gemüt war — ist das Leben des Menschen. Wie die Christliche Wissenschaft erklärt, ist dieses göttliche Gemüt heute ebenso gegenwärtig wie zu Jesu Zeiten.
Die Aufgabe des christlich-wissenschaftlichen Heilers ist es, zu beten. Dieses Gebet, diese geistige Behandlung, verlangt, daß wir die Gegenwart des Christus-Gemüts, in dem es weder Sünde noch Krankheit gibt, als das einzige Gemüt anerkennen und daß wir uns diesem Gemüt unterstellen. Paulus formulierte es im Philipperbrief folgendermaßen: „Lasset das Gemüt in euch sein, das auch in Christus Jesus war.”Nach der englischen King-James-Bibel Das bedeutet auch, daß wir Sünde und Krankheit aus dem Bewußtsein ausschließen müssen.
Es mag von Interesse sein, hier anzumerken, daß der Begriff Fernbe-handlung nicht in Mrs. Eddys Schriften vorkommt. Der Ausdruck wird manchmal von Christlichen Wissenschaftern benutzt, um eine Behandlung durch Gebet zu bezeichnen, die gegeben wird, wenn der Patient nicht persönlich beim Ausüber anwesend ist. Jedoch immer wenn christlich-wissenschaftliche Behandlung gegeben wird — also immer wenn der Ausüber auf jemandes Wunsch hin betet —, ist die Behandlung tatsächlich „gegenwärtig”, weil das Gemüt, auf das sie sich stützt, gegenwärtig ist. In einem Abschnitt mit der Randüberschrift „Abwesende Patienten” erklärt Mrs. Eddy in Wissenschaft und Gesundheit: „Die Wissenschaft kann die von ihren Heilern abwesenden Kranken ebensogut heilen wie die anwesenden, denn Entfernung ist kein Hindernis für Gemüt. Das unsterbliche Gemüt heilt, was kein Auge je gesehen hat; aber die geistige Fähigkeit, Gedanken zu erfassen sowie durch die Wahrheits-Kraft zu heilen, wird nur gewonnen, wenn der Mensch nicht als selbstgerecht, sondern als Widerspiegelung des göttlichen Wesens erfunden wird.”
Anzunehmen, daß die menschliche Persönlichkeit ein notwendiges Instrument sein könne, um den Menschen mit Gott zu vereinen, wäre ein großer Irrtum, eine Verneinung der grundlegenden Prämisse, von der aus christlich-wissenschaftliches Heilen erfolgreich praktiziert wird: nämlich daß Gott und der Mensch eins sind, weil der Mensch in seinem geistigen Sein die Widerspiegelung oder der Ausdruck Gottes ist. Die Tätigkeit der Wahrheit, die diese Tatsache im menschlichen Bewußtsein offenbart, erneuert das Denken des einzelnen und heilt dabei den Körper. Der Patient bedarf in der Tat der Zuneigung des Heilers und fühlt sie durch die liebevolle Ermutigung, die der Heiler zum Ausdruck bringt, ob schriftlich, telefonisch oder persönlich. Aber das vereint den Patienten nicht mit Gott. Es spiegelt einfach die göttliche Liebe wider, die schon bei dem Patienten ist.
Der zu Gottes Ebenbild geschaffene Mensch, der eigene Ausdruck der göttlichen Liebe, existiert im göttlichen Gemüt, aber Sünde, Krankheit und Tod existieren dort nicht. Wenn wir dieses Gemüt widerspiegeln, das Gemüt, „das auch in Christus Jesus war”, dann sehen wir den Menschen, wie er wirklich ist — geistig und vollkommen, sündlos, vollständig und ewig —, nicht einen physischen Sterblichen, der Begrenzungen, Mißklang und Sterblichkeit unterworfen ist.
Ob Ihr Patient nun ein Kind in Ihren Armen ist, das Sie in der Nacht trösten, oder ein Fremder, viele Kilometer entfernt, die heilende Wirkung Ihres Gebets wird immer davon abhängen, wo Sie sich geistig, nicht körperlich, befinden. Es geht hier darum, daß wir uns dem göttlichen Gesetz Gottes fügen, und dann beginnt die Heilung.
Das menschliche Gemüt glaubt natürlich nicht, daß der Mensch das göttliche Wesen widerspiegelt. Ganz im Gegenteil, das menschliche Gemüt, das nicht von der Wahrheit erlöst wurde, gibt generell die Wirklichkeit von Sünde und Krankheit zu. Furcht, Sünde, Selbstzweifel, Selbstgerechtigkeit scheinen das menschliche Bewußtsein zu beherrschen. Aber haben sie wirklich mehr Macht als Gott und Sein Christus? Haben sie überhaupt irgendwelche Macht? Können sie die heilende Macht der Wahrheit und Liebe zurückhalten? Nein! Das menschliche Gemüt kann den Christus nicht überwältigen; vielmehr erlöst der Christus das menschliche Gemüt.
Das menschliche Gemüt hat ebensowenig Macht, den Menschen von Gott zu trennen, wie es Macht hat, den Menschen mit Ihm zu vereinen. Doch scheint es dazu fähig zu sein, bis wir den Glauben, daß es das könne, bereuen. Und zu bereuen bedeutet, einen radikalen Wechsel zu vollziehen. Wir müssen das sterbliche Gemüt — die fiktive, auf der Materie basierende Daseinsauffassung mit all den damit verbundenen Mißklängen — auswechseln gegen das wirkliche Gemüt, Gott, wo Harmonie regiert. Jesus lehrte: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!”
Krankheit wird natürlich nicht immer mit Sünde im üblichen Sinn des Wortes in Verbindung gebracht. Doch viel körperliches Leiden ist auf die allgemeine Überzeugung zurückzuführen, daß sich Leben und Intelligenz in der Materie befinden, wo sie doch eigentlich im Geist, dem einzigen Schöpfer, sind. Aber jeglicher Glaube an die Wirklichkeit und Macht der Materie entfernt sich von dem Verständnis, daß es nur einen Gott, ein Gemüt gibt, und muß bereut werden. In der Apostelgeschichte lesen wir: „So tut nun Buße und bekehrt euch, daß eure Sünden getilgt werden, damit die Zeit der Erquickung komme von dem Angesicht des Herrn.“
Wenn Furcht, Selbstzweifel, Schuld oder irgendein Gedanke, daß etwas im menschlichen Denken oder Charakter die heilende Macht des Christus zurückhalten könne, uns peinigt, dann sollten wir an die Sünderin denken, die sich Christus Jesus näherte und deren Sünden vergeben wurden (sie wurde später mit Maria Magdalena gleichgesetzt). Mrs. Eddy eröffnet das Kapitel „Die Betätigung der Christlichen Wissenschaft“ im Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft, Wissenschaft und Gesundheit, mit einer erleuchtenden Darlegung der gedanklichen Qualitäten der Zerknirschung und Vergebung, die durch diese Bibelgeschichte so gut verdeutlicht werden, und bringt sie in Zusammenhang mit der Empfänglichkeit des Ausübers und des Patienten für den heilenden Christus. Jesu Liebe für die dem Menschen innewohnende Gottseligkeit, die von Sünde unberührt ist, muß eine unwiderstehliche Anziehung auf die Frau ausgeübt haben. Es nimmt nicht Wunder, daß sie, die der Sünde müde war und sich nach der Reinheit sehnte, die sie verloren zu haben glaubte, sich zu der reinen Zuneigung, die der Meister ausdrückte, hingezogen fühlte — jener Christus-Liebe, die bereit war und bereit ist, Sünde und Krankheit von der Tafel des reuigen Herzens auszulöschen.
Ich erinnere mich an eine Begebenheit zur Weihnachtszeit. Das Telefon läutete, als ich gerade die Tür aufschloß. Ich war einkaufen gegangen, war jedoch unverrichteter Dinge und erschöpft wieder nach Hause gekommen; außerdem machten sich Anzeichen einer starken Erkältung bemerkbar. Ich nahm den Hörer ab — während mir noch immer ein unerfreuliches Erlebnis mit einem Kassierer durch den Kopf ging und meine Kinder meine Aufmerksamkeit verlangten — und hörte den Anrufer sagen: „Würden Sie bitte für mich beten? Ich fühle mich ziemlich elend.“
Ist es nicht wunderbar, daß wir zu solchen Zeiten beten können? Der Anrufer wollte die Liebe des Christus spüren und ausdrücken. Und ich war gewiß bereit für etwas jenseits meiner selbst! Mit einem tiefen Gefühl der Liebe zu Gott und demjenigen, der um Hilfe bat, wandte ich mich augenblicklich dem Gebet zu. Ich nahm Zuflucht zu dem bescheidenen geistigen Verständnis, das ich durch mein Studium der Christlichen Wissenschaft gewonnen hatte, versorgte meine Familie und betete für den Anrufer.
Als ich bereute — die Grundlage meines Denkens von der Materie auf Gemüt verlegte —, konnte ich die falschen Annahmen von Sünde und Krankheit meistern, die mein Denken beeinflussen wollten; und so konnte ich den Irrtum, der das Denken des Patienten beherrschen wollte, durch die Wahrheit aufdecken und zerstören lassen. Der Christus, die Wahrheit, war nun in meinem Denken aktiv, und ich spürte, wie Verärgerung herzlicher Vergebung für den Kassierer Raum machte, der, wie mir jetzt bewußt wurde, vielleicht auch einen schweren Tag gehabt hatte. Und da Gottes Vergebung mit geistigem Verständnis, Reue und Nächstenliebe einhergeht, wurde mein Denken geistig erfrischt. Ich spürte, daß die Gegenwart der göttlichen Liebe den Menschen regiert. Jegliches Gefühl der Schwäche und Krankheit verschwand. Ich war auf der Stelle geheilt. Und das war auch der Patient, der angerufen hatte.
Ganz offensichtlich konnte die Entfernung zwischen uns keinen von uns daran hindern, die Wahrheit von Mrs. Eddys Aussage in Wissenschaft und Gesundheit zu erfahren: „Wenn der Wissenschafter seinen Patienten durch die göttliche Liebe erreicht, wird das Heilungswerk in einem Besuch vollbracht werden, und die Krankheit wird wie der Tau vor der Morgensonne in ihr natürliches Nichts vergehen. Besitzt der Wissenschafter christliche Liebe genug, um seine eigene Vergebung und solches Lob zu gewinnen, wie der Magdalena von Jesus zuteil wurde, dann ist er Christ genug, um sich wissenschaftlich zu betätigen und mit seinen Patienten erbarmungsvoll zu verfahren, und das Ergebnis wird mit dem geistigen Vorhaben übereinstimmen.“
Das himmlische, göttliche Bewußtsein ist hier; Gott ist Alles. Können wir also nicht, zum Wohle desjenigen, der Gottes sofortige Fürsorge spüren muß, bereuen und dem Evangelium glauben — uns schnell vom menschlichen Bewußtsein dem göttlichen zuwenden und Gottes Gnade annehmen? Dann werden wir feststellen, daß der Mensch das göttliche Wesen widerspiegelt, eins im Sein mit Gott.
Und Gott wird beide, Ausüber und Patient, mit Heilung segnen!
