Im Treffpunkt können Herold-Leser Erfahrungen und Erkenntnisse austauschen, die sie bei ihren geistigen Entdekkungen in der Kirche und in der Gemeinschaft, in der sie leben, gemacht haben.
Der erste Teil dieses Interviews wurde im Herold des letzten Monats veröffentlicht. Mit dem südafrikanischen Geschäftsmann gingen wir darin der Frage nach, wie die Christliche Wissenschaft dazu beitragen kann, die tägliche Geschäftspraxis besser in Übereinstimmung zu bringen mit den Prioritäten, die die Bibel setzt.
Herr Tucker erläuterte, daß eine Neuorientierung der Unternehmensziele — weg vom Streben nach dem größtmöglichen Profit und hin zum Dienst an Gott und dem Mitmenschen — sich im Geschäftsleben als sehr praktisch erweist und angesichts der großen sozioökonomischen Probleme der heutigen Zeit sogar lebensnotwendig ist. Er berichtete, daß diese neue Ausrichtung zur Folge hatte, daß das Unternehmen, dem er jetzt vorsteht, in nur vier Jahren über 60 000 Wohnungsbaukredite an Südafrikaner schwarzer Hautfarbe vergeben hat, während vorher dieser Bevölkerungsgruppe kein einziger Kredit solcher Art gewährt worden war.
In diesem zweiten und letzten Teil des Interviews äußert sich Herr Tucker im Lichte dessen, was die Christliche Wissenschaft lehrt, zu einigen Themen, die alle Unternehmen interessieren: Bürokratie, Termindruck, Profit und Zukunftsaussichten.
„ ... ZEIG DEN WEG MIR KLAR ... “
(2. Teil)
In einer Ansprache, die Sie im letzten Herbst gehalten haben, sagten Sie, daß Jesu Gleichnis vom barmherzigen Samariter ein Gleichnis für gutes Geschäftsgebaren sei. Manche Leute würden sicherlich sagen, daß diese Auffassung zu idealistisch ist, ja, daß sich keine guten Geschäfte machen lassen, wenn man versucht, zugleich barmherziger Samariter und Geschäftsmann zu sein. Könnten Sie uns näher erläutern, wie man das Gleichnis vom barmherzigen Samariter auf die Geschäftswelt anwenden kann? Dieses Gleichnis beschreibt ein Verhalten auf einer Reise — daß man das Wohlergehen anderer Menschen höher stellen soll als das enge Eigeninteresse.
Ich glaube, man erkennt heute mehr und mehr — um es einmal ganz einfach und praktisch auszudrücken —, daß die althergebrachte Art der Unternehmensführung (ich nenne sie gern die zweite Welle des Industriemanagements) total auf das Erzielen des größtmöglichen materiellen Gewinns orientiert ist und in den Mitarbeitern nur einen Kostenfaktor bei der Produktion sieht, den es möglichst kleinzuhalten gilt. Sie ist ganz auf das Überleben des Tüchtigsten ausgerichtet, und man selbst hat vor allem dafür zu sorgen, daß man besser überlebt als alle anderen. Dieses Geschäftsgebaren hat mit Sicherheit nicht dazu geführt, den Menschen dieses Landes das zu geben, was ihnen nottut.
Es hat alles andere, nur nicht harmonische und zufriedenstellende Lebensverhältnisse für die breite Masse der Bevölkerung herbeigeführt. Viele Menschen sind obdachlos und bitter verarmt. Und offensichtlich hat es nicht einmal denen, die immer reicher und reicher werden, ein harmonisches, freudiges und erfülltes Leben gebracht.
Auch ökologisch sind die Konsequenzen für die Bevölkerung verheerend gewesen — denken Sie an die Umweltzerstörung, das Ozonloch und vieles mehr.
Es wird immer deutlicher, daß ein anderer Managementstil auch zu ganz anderen Ergebnissen führt. Eine ausgewogene Vorgehensweise, bei der ich das, was ich tue, nicht für wichtiger halte als wie ich es tue, ist nicht einfach auf das Überleben ausgerichtet. Sie ist weit mehr an Kooperation als an Wettbewerb interessiert, engagiert den ganzen Menschen und nicht nur seine Arbeitskraft und wirkt viel harmonischer zusammen mit der Bevölkerung, der Gesellschaft und der Umwelt. Sie führt zu sehr viel positiveren Ergebnissen: Alle Beteiligten und alle Nutznießer des Unternehmens werden zufriedengestellt und haben Vorteile davon.
Und ganz offensichtlich wird das auch immer mehr erkannt. Gerade um diese Frage geht es in den hitzigen Debatten an den Wirtschaftshochschulen in Ihrem wie in unserem Lande. Was dieser Debatte eigentlich zugrunde liegt und was immer deutlicher dabei wird, ist, daß Geschäftsmethoden, die in Übereinstimmung mit dem göttlichen Gesetz stehen, dem absoluten göttlichen Prinzip, der absoluten Wahrheit und der alles erfüllenden Liebe, zufriedenstellendere und vorteilhaftere Ergebnisse bringen als solche, die unvereinbar sind mit diesem Prinzip.
In einer Ansprache nannten Sie auch Noah, als Sie über unpopuläre Einstellungen sprachen. In gewisser Hinsicht befand sich Ihr Unternehmen in so einer Lage. Was empfinden Sie bei dem Gedanken, daß Sie einen Weg beschreiten, den die Gesellschaft im allgemeinen vielleicht nicht für gangbar hält? Fühlen Sie sich dabei unbehaglich? Ich glaube nicht, daß man sich unbehaglich fühlen muß, wenn man sich vom sterblichen Menschen und von herkömmlichen menschlichen Handlungsweisen abhebt. Unbehagen stellt sich ein, wenn man nicht im Gleichklang ist mit dem göttlichen Prinzip, mit Gott.
Ich habe mich leider in viel zu vielen Fällen äußerst unwohl gefühlt, weil ich nicht im Gleichklang mit Prinzip war. Wenn ich aber dann diesen Gleichklang mit Prinzip wiederhergestellt hatte, kam Harmonie in mein Leben zurück. Andererseits habe ich mich schon jahrelang völlig außer Gleichklang mit den vorherrschenden Ansichten befunden, aber mich deshalb in meiner Haut nie unwohl gefühlt, insbesondere nicht jetzt, wo sich in Südafrika so viel verändert hat. Ich finde, daß sich die öffentliche Meinung immer mehr der Haltung annähert, die ich und unser Institut bereits in den letzten fünf Jahren eingenommen haben.
Häufig bleibt unser Tun hinter unseren Idealen zurück, oder wir schwanken hin und her zwischen einem höheren Begriff von unserer Arbeit und herkömmlichen Sachzwängen, die uns zu einer weltlichen Vorgehensweise drängen. Wie bringen Sie es fertig, Ihre Talente immer Ihren hohen Zielen gemäß einzusetzen? Indem ich immer wieder zu Gebet Zuflucht nehme und von meinem höchsten Verständnis vom Guten ausgehe.
Was ist für Sie Profit? Vor kurzem habe ich einen sehr nützlichen Artikel gelesen — er stand, glaube ich, im Christian Science Journal oder Christian Science Sentinel. Der Verfasser hatte darin auf die geistige Bedeutung der Wörterbuchdefinition von Profit hingewiesen. Daraufhin schlug ich das Wort im Concise Oxford Dictionary nach. Erfreut stellte ich fest, daß die Ableitung des Wortes Profit mit meinem Verständnis vom Zweck eines Unternehmens völlig übereinstimmte — nämlich Wachstum, Bereicherung und so weiter.
Im ersten Teil unseres Interviews sprachen wir auch kurz über innerbetriebliche Vorgänge. Wie hilft Ihnen die Christliche Wissenschaft bei der Lösung der ganz alltäglichen Probleme, denen sich alle Unternehmen gegenübersehen? Nehmen wir zum Beispiel die Bürokratie oder behördliche Auflagen. Die Wissenschaft zwingt mich immer dazu, von meinem besten Verständnis davon auszugehen, was Regierung und Gesetz tatsächlich bedeuten. Die Christliche Wissenschaft erläutert, daß das göttliche Prinzip in allen Bereichen unseres Lebens zu beweisen ist und daß sterbliche Unvollkommenheiten nichts weiter als ein Hohn auf das göttliche Prinzip sind. Es gibt keinen Grund, warum uns diese Farce den Weg verstellen sollte. Durch geistige Klarsicht können wir sie durchschauen und an dem Verständnis festhalten, durch das das göttliche Gesetz immer mehr ans Licht kommt.
Und Termine und der damit verbundene Zeitdruck? Wie wenden Sie Ihr Verständnis der Christlichen Wissenschaft auf diese Probleme an? In dem Maße, wie unser Alltagsleben die Vollkommenheit des Himmelreichs immer klarer widerspiegelt, wird alles termingerecht und zur rechten Zeit erledigt werden.
Wir haben oft versucht, einen Prozeß zu beschleunigen, obwohl die Dinge noch nicht weit genug gediehen waren. Die Folge war: Eigenwille schlich sich ein, und es gab Probleme. Doch wenn ich aufhörte zu drängen, wurde mir klar, daß nicht mein Wille, sondern Gottes Wille geschehen würde.
Wenn wir etwas mit Eigenwillen durchzudrücken versucht haben, hat es sich hinterher als unrichtig und unangemessen erwiesen. Nicht nur der Zeitpunkt war falsch gewählt, sondern die ganze Sache war falsch angepackt worden. Andere Dinge, bei denen wir alles menschliche Drängen aufgegeben hatten, wurden zu einem späteren Zeitpunkt ganz harmonisch und ohne Störung oder Eigenwillen zum Abschluß gebracht.
Mitunter standen wir unter enormem Zeitdruck, und es schien unmöglich, bestimmte Termine einzuhalten. Doch auch in solchen Fällen haben wir ungezählte Male erlebt: Wenn wir ruhig blieben und verstanden, daß alles so geschieht, wie es zur rechten Zeit unter Gottes Regierung geschehen soll, dann geschah es auch so.
Wie hat die Christliche Wissenschaft Ihre Auffassung über Ihre Funktion als Manager beeinflußt? Als Manager eines Unternehmens lastet doch eine enorme Verantwortung auf Ihren Schultern. Ich habe es nie als eine große menschliche Belastung empfunden. Meine einzige Verantwortung — so wie ich es sehe — besteht darin, daß ich mein Leben in den Dienst des Guten stelle und die Talente, die ich habe, und die Talente der Menschen, die mir unterstellt sind, in diesem Sinne nutze. Das ist die größte Verantwortung, die ich trage.
Der Mensch Jesus nahm nicht die Verantwortung auf sich, die ganze Welt zu erlösen — das heißt aller Leute Krankheiten zu heilen und alle Probleme des Römischen Reichs zu beseitigen. Das war nicht seine Aufgabe. Die Aufgabe, die er hatte, bestand vor allem darin, seine Identität als Sohn Gottes zu demonstrieren und zu zeigen, was das für jeden einzelnen von uns bedeutet.
Zwar ist in gewissem Sinne der Versuch, unser Leben mit dem Leben Christi Jesu zu vergleichen, einfach lächerlich, aber dennoch ist Jesus unser Vorbild. Mit anderen Worten, ich habe nicht das Gefühl, daß ich die Verantwortung trage für die Lösung aller Probleme Südafrikas. Sehr wohl aber bin ich dafür verantwortlich, daß ich alle Mittel und alle Talente, die mir zur Verfügung stehen, in den Dienst des Guten stelle.
Glauben Sie, daß ein einzelner, kein Firmenchef, aber etwa ein einfacher Mitarbeiter, schon dadurch etwas an seinem Arbeitsplatz bewirken kann, daß er auf seine eigene Art in dem, was er tut, dem Guten dient — selbst wenn diese Einstellung in seiner Firma nicht allgemein verbreitet ist? Daran zweifle ich nicht. Einer mit Gott ist die Mehrheit. Und wenn wir als Vorbild wirken, dann strahlt das mit Sicherheit auf andere aus, besonders wenn Gebet dahintersteht.
Unternehmen müssen zukunftsorientiert sein, müssen vorausplanen, damit sie zukünftigen Herausforderungen gewachsen sind. Glauben Sie, daß Gebet bei Prognosen von Nutzen ist? Hier müssen wir sehr sorgfältig unterscheiden zwischen nützlicher Vorausschau und all den Dingen, die eine Fälschung — der Irrtum, das Gegenteil — des wahren, unbegrenzten Verständnisses und der geistigen Voraussicht sind. Vor kurzem enthielt eine Bibellektion aus dem Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft die aufrüttelnden Warnungen aus dem Alten Testament vor Sterndeuterei ...
Vor „Wahrsagern“ und ähnlichem? Ja. Und natürlich ist das das letzte, was wir wollen. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Sterne zu befragen und zu Wahrsagern oder ähnlichen Leuten zu gehen. Falls wir das aber doch zu tun versuchen, dann liegen wir völlig falsch.
Etwas ganz anderes ist es dagegen, wenn wir ruhig auf die Weisungen der göttlichen Liebe lauschen, um den gegenwärtigen und künftigen Bedürfnissen der Menschheit gerecht zu werden. Wenn ich auf die Geschehnisse in unserem Institut zurückblicke — wie wir vor fünf Jahren lauschten, um eine Antwort auf die Fragen zu finden: „Was braucht dieses Land?“ und: „Wie können unsere Ressourcen so eingesetzt werden, daß den Bedürfnissen der Menschen entsprochen wird?“ —, so zeigt sich, daß das, was wir vor fünf Jahren „hörten“, ganz genau das war, was wir brauchten. Nicht, weil wir irgendwie in die Zukunft schauen konnten oder weil wir besonders „klug“ waren, sondern weil wir einfach ruhig zuhörten.
Und die Folge? Unser Unternehmen ist heute — in Anbetracht der Veränderungen, die seit Anfang des vergangenen Jahres eingetreten sind — außerordentlich gut für das neue Südafrika gerüstet. Es geht also im Grunde genommen darum, daß man wirklich lauscht.
Wie sehen Sie die künftige Entwicklung in den Unternehmen, die Sie kennen? Sehen Sie Anzeichen für einen grundlegenden Wandel dahingehend, daß die Ressourcen der Unternehmen in den Dienst der Bevölkerung gestellt werden? Schauen Sie optimistisch in die Zukunft? Ich glaube, daß wir gegenwärtig an dem Punkt stehen, der in der Bibel unumwunden mit den Worten beschrieben wird: „Wo die Vision fehlt, geht das Volk unter.“Nach der englischen King-James-Bibel Einige führende Persönlichkeiten in meinem Land haben ein politisches Zukunftsmodell entworfen. Es fehlt aber noch eine sozioökonomische Vision, die der politischen Vision entspricht. Mit anderen Worten: Die Vorstellungen über die Verwaltung der wirtschaftlichen und sozialen Güter sind noch nicht so klar entwickelt, daß sie der politischen Vision einer demokratischen Zukunft entsprechen. Solange aber diese Vision noch nicht besteht, wird das Volk „untergehen“. Doch ich bin zuversichtlich, daß sich dieses Konzept in naher Zukunft zeigen wird. Ich bete sehr darum.
Könnten Sie uns sagen, wie Sie darum beten? In dieser Frage geht es für mich mehr um Demonstration als um irgend etwas anderes. In Wissenschaft und Gesundheit sagt Mary Baker Eddy: „Das beständige Streben, immer gut zu sein, ist Beten ohne Unterlaß.“
Mir geht es beim Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen vor allem darum zu demonstrieren, daß die Möglichkeiten, menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden, unendlich sind, weil Gott die Quelle aller Versorgung ist. Und wenn mehr von uns das akzeptieren und zur Grundlage ihres Handelns machen, werden wir in den Menschen dieses Landes unendliche Fähigkeiten und Einfallsreichtum vorfinden, die ihnen alles geben können, was sie brauchen.
Sie glauben also, daß eine Art geistiger „Sauerteig“ im Bewußtsein der Geschäftsleute, der Wirtschaftswissenschaftler, der ganzen Bevölkerung am Wirken ist ... ? Ja, ich glaube, daß dieser Sauerteig der Wahrheit und Liebe in der Geschäftswelt und den Wirtschaftshochschulen ebenso am Wirken ist wie in der Welt der Naturwissenschaften.
Die Naturwissenschaftler erkennen meines Erachtens immer deutlicher, daß es nicht überall nur um Reduktion geht — eine atomistisch ausgerichtete rationale Analyse.
Ich glaube, daß es in den Naturwissenschaften eine Parallele gibt zu dem, was sich in den Wirtschaftswissenschaften tut. Es wird immer deutlicher, daß es in der Wirtschaft nicht eigentlich darum geht, Quantitäten in immer längeren Zahlenkolonnen zusammenzuzählen, Diskont- und Geldflußanalysen anzustellen, um festzustellen, wie ein Unternehmen am besten zu führen ist. Es geht vielmehr darum, das weit größere Prinzip zu verstehen, die göttliche Liebe, die allem zugrunde liegt, was für die Leitung eines Unternehmens nützlich und gut ist.
Damit kommen Sie auf das zurück, was Sie schon eingangs erwähnten — daß es, um es mit den Worten des Gedichts von Mary Baker Eddy zu sagen, um die Bitte geht: „Hirte, ... zeig den Weg mir klar.“ Könnten Sie zusammenfassend sagen, wie Sie den Weg klar erkennen, den Sie gehen sollen? Dadurch, daß ich von einer Sekunde zur anderen, von einer Minute zur anderen, von einer Stunde zur anderen mein Leben und meine Arbeit und meine Talente und die Mittel, die mir unterstellt sind, im Dienste Gottes und zu Seiner Ehre einsetze.
