Mary Baker Eddy widmet Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift „den ehrlichen Suchern nach Wahrheit“ Wissenschaft und Gesundheit, S. xii. und beschreibt damit die Leser, die am meisten vom Lehrbuch der Christlichen Wissenschaft profitieren werden. Durch das, was ein Mensch für wahr hält, wird seine Erfahrung geprägt — es bestimmt seine Lebensweise und die Dinge, die er fürchtet oder nicht fürchtet. Aber die Wahrheit, wie sie in Wissenschaft und Gesundheit erklärt wird, umfaßt so viel mehr als nur das, was die fünf körperlichen Sinne oder der Verstand uns mitteilen. „Göttliche Wahrheit“ ist synonym mit Gott. Die göttliche Wahrheit ist eine tiefgründige Macht, eine geistige, liebende, unendliche Kraft. Sie ist die eigentliche Substanz des Seins des Menschen. Jede geistige Tatsache über Gottes Schöpfung vermittelt uns die Wahrheit der Wahrheit — das Wesen der Wirklichkeit.
Wir können die Wahrheit alles Wirklichen selber entdecken, nämlich daß sie ihren Ursprung in Gott hat, Seine Güte und Allmacht zum Ausdruck bringt und über alle Materialität hinausgeht. Wir können lernen, daß unsere eigene wahre Identität als Gottes Mensch der Ausdruck des göttlichen Wesens ist. Die Wahrheit, die Gott erschafft, ist ewiglich geistig unversehrt, sie ist immer und absolut gut. Die Christliche Wissenschaft er schafft keine eigene Wahrheit, sondern offenbart unserem Bewußtsein die gegenwärtige geistige Wirklichkeit.
Was veranlaßt uns, nach Wahrheit zu suchen? Die meisten Menschen suchen in ihrem Leben etwas, was wirklich von Dauer ist, und letztendlich finden wir solche anhaltende Zufriedenheit nur in Gott. Meistens führt die von Menschen erdachte „Wahrheit“ in eine Sackgasse. Menschliche Meinungen und konventionelles materielles Denken können unsere Fragen nicht beantworten. Was wir suchen, finden wir allein in der Wahrheit selbst — in Gott.
Die Wahrheit ehrlich zu suchen heißt niemals, daß wir uns eine engere Bindung an eine veränderliche — glückliche oder traurige, gesunde oder kranke — Materialität herbeiwünschen. Die veränderbare Materialität und die bleibende geistige Wahrheit sind Gegensätze. Die Christliche Wissenschaft lehrt, daß nur eins von beiden wirklich sein kann. Allein die geistige Wahrheit ist beständig und dauerhaft genug, um wirklich zu sein. Jesus stellte fest: „[Ihr] werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh 8:32. Frei wovon? Die Wahrheit kann uns von dem Glauben befreien, daß das Böse, daß Sünde und Krankheit Macht und Wirkung hätten. Das Verständnis der Allmacht Gottes und Seiner Tätigkeit führt zu positiven Veränderungen in unserem Denken und in unserem Leben, denn Denken und Erleben gehören zusammen.
Können wir je von der Materialität erwarten, daß sie die geistige Wahrheit bestätigt? In Wissenschaft und Gesundheit heißt es zu dieser Frage: „Es ist befremdend genug, daß wir verlangen, materielle Theorien sollen geistige und ewige Wahrheiten stützen, wo doch beide sich so widerstreiten, daß das materielle Denken erst vergeistigt werden muß, ehe die geistige Tatsache erlangt wird. Das sogenannte materielle Dasein bietet keinen Augenschein von dem geistigen Dasein und von der Unsterblichkeit.“ Wissenschaft und Gesundheit, S. 355. Durch die fünf Sinne eine Bestätigung für Gottes geistige Vollkommenheit und Schöpfung zu suchen, das wäre, als wollten wir von der biblischen Schlange erfahren, was vernünftig oder logisch ist oder was den Tatsachen entspricht. Der Schlange kann man ebensowenig eine zuverlässige Antwort zutrauen, wie man den Zustand der wandelbaren Materie, der uns von den materiellen Sinnen dargestellt wird, als verläßlichen Hinwies für die Gültigkeit der geistigen Wahrheit ansehen kann. In Wissenschaft und Gesundheit finden wir die Frage: „Können die materiellen Sinne, die keine direkte Augenscheinlichkeit vom Geist empfangen, ein korrektes Zeugnis über geistiges Leben, geistige Wahrheit und Liebe ablegen?“ Edb., S. 284.
Wenn wir zu Gott beteten und dabei nur eins im Sinn hätten — nämlich daß wir zu gesunder Materie kommen mögen —, so würden wir Ihn um einen Bärendienst bitten. Ja, wir würden Ihn um etwas bitten, was Er gar nicht für uns tun kann. So hart wie das für einen Leidenden klingen mag: wir täten Gott keinen Gefallen damit, daß wir Seine geistige Schöpfung den materiellen Begrenzungen unterwerfen. Der unendliche Geist kann der endlichen Materie nicht angepaßt werden. Vielmehr müssen wir uns von den Beschränkungen der Materialität, von Krankheit und Sünde, befreien, und wenn wir die Wahrheit über die Geistigkeit des Menschen erkennen, erhalten wir diese Freiheit. Die Wahrheit über die geistige Natur des Menschen zerstört durch göttliche Macht und Tätigkeit die materiellen Vorstellungen — manchmal sogar liebgewonnene Vorstellungen —, die uns in Form von Krankheit und Sünde Begrenzungen auferlegen.
Um unser Gebet richtig, zu beginnen, sollten wir uns vergewissern, daß wir die Behauptungen des sterblichen Gemüts (wie es die Christliche Wissenschaft nennt) angreifen, nämlich die Versuche des menschlichen Gemüts, sogenannte „Gesetze“ zu erlassen und durchzusetzen, denen zufolge Böses und Krankheit unausweichlich seien. Gott heißt kein Böses irgendwelcher Art gut. Wir müssen uns vergewissern, daß unsere Bemühungen nicht darauf zielen, die Materie als eine Wirklichkeit zu behandeln und zu heilen. Das ist ein Hauptpunkt unseres Gebets — und der christlich-wissenschaftlichen Behandlung.
Während des Golfkriegs 1991 hatten Schiffe der Vereinten Nationen die Möglichkeit als Schutz gegen metallsuchende Lenkwaffen eigene Raketen abzufeuern, die lamettaartige Aluminiumstreifen verstreuten und als Störraketen bezeichnet werden. Die in der Luft schwebenden Aluminiumstreifen werden von der angreifenden Rakete anstelle des Schiffes als Ziel angesteuert. Mir hilft dieses Beispiel zu erkennen, wie auch wir irregeleitet werden könnten, sollten wir uns im Gebet mit der Materie befassen und sie als Wahrheit behandeln. Die Materie kann mit der Störrakete verglichen werden. Sie ist die Attrappe, die uns von unserem eigentlichen Ziel ablenkt; und was wir ins Visier nehmen müssen, sind die falschen Vorstellungen, die Sünde und Krankheit herbeiführen und die von einem anerzogenen Glauben an das Böse und von dem begrenzten Zeugnis der materiellen Sinne in die Welt gesetzt werden. Wir nehmen nicht die Materie ins Visier; wenn aber die Lüge über die Ursache und Wirkung in der Materie zerstört wird, erlangen wir geistige Herrschaft, und die Heilung stellt sich ein. Falls wir die Heilung jedoch mit dem Gedanken betrachten: „Meine Materie war in einem schlechten Zustand; dann habe ich gebetet, und der Zustand hat sich gebessert“, verstehen wir das eigentliche Wesen geistiger Heilung nicht. Es ist wichtig zu erkennen, daß die geistige Heilung immer die Lüge widerlegt, daß etwas existieren könne, was von Gott weder erschaffen noch erhalten wird. Ist diese Lüge einmal aus dem Denken entfernt worden, dann können die damit einhergehenden physischen Auswirkungen in unserer Erfahrung keinen Bestand mehr haben.
Wodurch werden solche Lügen nun aber zerstört oder „geheilt“? Durch eine Kraft im menschlichen Gemüt? Nein, der menschliche Wille ist oft gerade der Ausgangspunkt eines Problems. Es ist das göttliche Gemüt, Gott, das durch den Einfluß des erlösenden Christus heilt. Mrs. Eddy stellte einmal in einem Gespräch fest: „Alle Macht, die die Christlichen Wissenschafter haben, kommt von Oben. Wir haben keine andere Macht und keinen Glauben an irgendeine andere Macht.“ Zitiert in: Norman Beasley, Mary Baker Eddy (New York: Duell, Sloane and Pearce, 1963), S. 352. Diese Macht „von Oben“ ist die göttliche Wahrheit, und danach hungern und suchen wir.
Es sei zugestanden, daß die Probleme, mit denen die Menschen sich herumplagen, viel wirklicher zu sein scheinen als nur Lügen und falsche Annahmen; das Böse scheint wirklich um uns herum zu existieren, und es sieht gewiß so aus, als ob wir ihm zum Opfer fallen könnten. Was taten Christus Jesus und seine Jünger, als sie auf derartige Probleme stießen? Einmal begegneten Jesus, Petrus, Jakobus und Johannes einer großen Menschenmenge. Ein Mann fiel vor Jesus auf die Knie und sagte: „Herr, erbarme dich über meinen Sohn! denn er ist mondsüchtig ...“ Jesus wurde berichtet, daß dieser Junge oft die Kontrolle über sich verlor und ins Feuer oder ins Wasser fiel. Der Mann sagte dann: „Und ich habe ihn zu deinen Jüngern gebracht, und sie konnten ihm nicht helfen.“ Darauf fragte Jesus: „Wie lange soll ich bei euch sein?“ Der Junge wurde zu Jesus gebracht. „Und Jesus bedrohte ihn; und der böse Geist fuhr aus von ihm, und der Knabe wurde gesund zu derselben Stunde.“ Als sie sich von der Menschenmenge entfernt hatten, stellten die Jünger Jesus kleinlaut die demütige Frage: „Warum konnten wir ihn nicht austreiben?“ Jesus antwortete ihnen: „Diese Art fährt nur aus durch Beten und Fasten.“ Siehe Mt 17:14–21.
Natürlich bedeutet das Beten und Fasten, von dem Jesus spricht, viel mehr als eine Zeit, die man mit dem Sprechen von Gebeten und ohne Nahrung verbringt. Mrs. Eddy bezieht sich auf diese Begebenheit in der Bibel und definiert „Beten und Fasten“ als „Sich-Enthalten, den Ansprüchen der Sinne zuzustimmen.“ Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 222. Zweifellos ignoriert solches Beten und Fasten nicht das Böse. Vielmehr leistet es uns die notwendige Hilfe, indem es uns die geistige Wirklichkeit aller Dinge und unseren Platz in dieser Wirklichkeit verständlich macht. Durch dieses wachsende Verständnis begreifen wir, daß Krankheit, Verletzung, Sünde und Mangel geistig geheilt werden können.
Wie können wir dies besser bewerkstelligen? In einer improvisierten Ansprache vor einer großen Versammlung in Chicago erklärte Mrs. Eddy: „Die Wissenschaft spricht, wenn die Sinne schweigen; und dann triumphiert die immerwährende Wahrheit.“ Vermischte Schriften, S. 100. Die geistige Wirklichkeit über die Beziehung des Menschen zu Gott wird deutlich, wenn die Ansprüche der körperlichen Sinne besiegt werden. Je mehr wir die materiellen Sinne zum Schweigen bringen und je weniger wir ihren unharmonischen Informationen vertrauen, um so natürlicher werden wir demütig vernehmen und verstehen, wie Gott uns sieht. Der geistige Sinn, der dem materiellen Sinn entgegengesetzt ist, offenbart uns den vollkommenen Gott, die Einheit von Gott und Mensch und somit auch den vollkommen geistigen Menschen. Mit anderen Worten: der geistige Sinn enthüllt das, was über unsere individuelle Identität göttlich wahr ist. Erscheint es dann nicht logisch, daß wir demütig werden und Gott, die göttliche Wahrheit, die wichtigste Quelle aller Informationen in unserem Leben sein lassen?
Ein ehrlicher Sucher nach Wahrheit zu sein bedeutet, uns über unsere Ziele im klaren zu sein. Jeder sucht letztlich die göttliche Wahrheit, die das vollkommene, unendliche Gemüt, Gott, — und Seine geliebte, vollkommene Schöpfung, den Menschen — offenbart. Es ist die geistige Wirklichkeit, nach der wir hungern und die wir suchen. Durch demütiges Lauschen und wissenschaftliches Gebet zieht die Wahrheit über Gott und Mensch still und leise in unser Leben ein. Dabei werden wir vielleicht überrascht entdecken, daß wir uns dieser Wahrheit schon die ganze Zeit über irgendwie bewußt gewesen sind. Es ist, als gingen wir durch eine Tür, die wir nie zuvor wahrgenommen haben, und fänden dann heraus, daß wir tatsächlich zu Hause sind.
 
    
